Название: Die Macht der Intuition
Автор: Dr. Florian Ilgen
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831270026
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Weil sie nach dem Ähnlichkeitsprinzip arbeitet, hat die Amygdala kein Problem damit, in Schubladen zu denken und alle Menschen oder Dinge mit einem bestimmten Merkmal über einen Haufen zu scheren. Sie generalisiert, was das Zeug hält. Und ihre Datenbank reichert sie nicht bloß durch selbst gemachte Erfahrungen an. Angstauslöser können auch gelernt sein. Schreckhafte, zögerliche Eltern geben dieses Muster an ihren Nachwuchs weiter. Teilweise muss man sagen: zum Glück. Denn sonst wäre die Menschheit schon längst ausgestorben, weil die Kleinen geradewegs ins Maul eines Säbelzahntigers gestapft wären.
Tatsächlich hat sogar unser Medienkonsum Auswirkungen auf unsere Ängste. So halten es Menschen, die abends vor dem Fernseher Krimis gucken, für wahrscheinlicher, dass sie einmal Opfer eines Gewaltverbrechens werden könnten. Deswegen kommt Filmemachern auch eine besondere Verantwortung zu. Bedienen sie zu viele Klischees – etwa: Der Bösewicht ist ein dunkler Typ mit Lederjacke –, wird genau dieses Erscheinungsbild bei den Zuschauern Unbehagen auslösen, wenn sie einer solchen Person auf der Straße begegnen.12
Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend intensivem und anhaltendem Stress ausgesetzt waren, neigen im Erwachsenenalter zu einer schnelleren, stärkeren Stressreaktion als der Durchschnitt.13 Neue Situationen, die nicht vorhersehbar und mit Unsicherheit verbunden sind, werden von ihnen eher als besonders bedrohlich empfunden. Haben wir also Nachsicht mit der Generation, die noch den Krieg oder dessen Folgen miterleben musste. Dass sie am liebsten in festgefahrenen Bahnen vor sich hin lebt, hat neurologische Gründe. Doch dieses Muster kann sich auch über Generationen fortsetzen.
Bereits in der Schwangerschaft haben die Cortisolausstöße der Mutter einen prägenden Einfluss auf die Stressanfälligkeit des kindlichen Gehirns, denn sie bestimmen, wie viele Cortisolrezeptoren das junge Gehirn ausbildet. Stand die Mutter während der Schwangerschaft anhaltend und stark unter Druck, wird das Kind sensibler auf Stress reagieren. Das kann aber leicht zu einer unglückseligen Spirale führen. Dieser junge Mensch wird öfter und schneller mit Cortisolausschüttung reagieren als der Durchschnitt. Dabei wird aber gleichzeitig das Glückshormon Dopamin gedrosselt. Der Mensch fühlt sich unglücklich und spürt keine eigene Kraft, um seine Situation zu verändern. Bis zur Depression ist es dann nicht mehr weit, zumal anhaltender Stress dann auch noch den anderen Glücksbotenstoff, das Serotonin, niederdrückt.
Weil auch das Noradrenalin gebremst wird, fällt es den Betroffenen schwerer, sich zu konzentrieren. Das Schlimmste, was man in so einem Fall machen kann: bis tief in die Nacht im Internet surfen oder fernsehen. Schlafmangel verstärkt das Problem!
Ein fester Tagesrhythmus hingegen mit täglicher körperlicher Aktivität, mehrmals pro Woche Sport, mehreren Pausen täglich, erholsamen Wochenenden und Urlauben schafft überhaupt erst die Voraussetzung, dass ein solcher Mensch seine Vorbelastung überwindet und in seine Kraft kommt.
Wer über einen längeren Zeitraum starken Stress empfunden hat, bei dem hat möglicherweise das Stresshormon Cortisol die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus behindert. Das legen Studienergebnisse von Prof. Robert Sapolsky von der Stanford Universität nahe.14 Der Hippocampus hat aber nicht nur mit unserem Gedächtnis zu tun. Er ist auch derjenige, der die Stressreaktion des Körpers wieder abstellt. Für Menschen, die also eine stressige Jugend hatten, ist es klug, sich Unterstützung beim Coaching oder bei einer Therapie zu holen. Dort lernen sie, Stress wieder abzubauen. So werden sie nicht permanent von ihrer überschießenden Stressreaktion gehemmt. Meine eigenen Methoden zum Stressabbau vor aufregenden Momenten verrate ich in Kapitel 9.
Ein Tipp vorweg: Treiben Sie Sport! Bewegen Sie sich möglichst häufig körperlich. Denn das hilft, die Stressresistenz des Gehirns zu erhöhen. Ein Wissenschaftlerteam um Dr. Nicole Berchtold von der University of California15 hat herausgefunden, dass bei Bewegung der BDNF (brain-derived neurotrophic factor) ausgeschüttet wird. Ein Wachstumsfaktor, der auch die Entwicklung von gesundem Gehirngewebe fördert. Dann bilden sich auch wieder mehr Neuronen im Hippocampus.
Natürlich sind es nicht nur Situationen, bei denen ein Säbelzahntiger auf uns zugerannt kommt oder jemand eine Keule schwingt, die unsere Stressreaktion triggern. Als soziale Lebewesen steckt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe tief in unseren Genen. Sozialer Ausschluss bedeutete zu Urzeiten auch oft den Tod – oder zumindest große Gefahr. Deshalb reagieren Menschen so heftig mit Angst und Stress, wenn sie den Verlust ihres sozialen Status fürchten.16 Beispielsweise weil sie gerade betriebsbedingt gekündigt worden sind und im mittleren und höheren Alter länger nach einer neuen Chance suchen müssen. Oder weil sie vielleicht auf der Bühne einen Vortrag halten sollen und Angst haben, sich zu blamieren.
Unseren präfrontalen Cortex brauchen wir für das Denken, für die logische Analyse, für das Bewerten unserer Emotionen und für die Impulskontrolle. Unter chronischem Stress schränken wir allerdings seine Fähigkeit ein, sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Deswegen ist es klug, sich zwischendurch immer mal wieder »abzuregen«. Die Lösung lautet: unstrukturierte Zeit. Also Stunden, Tage oder gar Wochen, die nicht durchgetaktet und verplant sind. Momente, in denen Sie einfach nur Ihrer spontanen Intuition folgen können. Dadurch entspannt sich der Körper. Und nach einer mehrwöchigen Erholungspause regenerieren sich auch wieder Neuronen.
Wenn Sie in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, bei dem Sie sich immer wieder aufreiben, aber wenig Lohn und Anerkennung bekommen: Entfernen Sie sich nach Möglichkeit davon! Keine andere Art zu arbeiten löst so viel Stress aus, auch nicht die Selbstständigkeit. Als Selbstständiger können Sie Ihre Situation immer verändern und aktiv gestalten. Sich gegen die eigene Überzeugung unterwürfig zeigen zu müssen, erzeugt dagegen massive Spannung in Ihrer Psyche.
Die »Sandwich-Position« im mittleren Management ist dabei besonders anstrengend. Sich zwischen den Ansprüchen des Chefs und den Mitarbeitern aufzureiben, sollten sich nur Menschen zumuten, die eine extrem hohe natürliche Stressresistenz haben! Für alle anderen ist das nämlich ein ziemlich guter Weg in den Burn-out – natürlich je nach Firmenkultur und Branche.
Wichtig zu wissen: Jede Angst ist heilbar, auch die vor großen Veränderungen. Allerdings lautet das Grundprinzip beim Überwinden von Ängsten, dass wir uns ihnen stellen müssen. Bei einfachen Phobien, wie etwa der Angst vor Spinnen, schaffen es Verhaltenspsychologen binnen weniger Stunden, die Patienten von dieser Einschränkung zu befreien. Indem sie sich ihrer Angst stellen, lösen sie diese auf. Der begleitende Psychologe hilft ihnen dabei, Angstsymptome wie Herzrasen oder gar eine Panikattacke zu regulieren. Nach einigen Minuten, maximal zwei Stunden in einer vermeintlich gefährlichen Situation beginnt auch das aufgebrachteste Gehirn, sich zu entspannen. Wenn es nämlich nach dieser Zeit merkt, dass es völlig sinnlos Energie verschwendet, regelt es sich von allein langsam wieder herunter.
Das ist aber gleichzeitig ein Problem. Zu oft bleiben Menschen in für sie untragbaren Situationen stecken und versuchen, irgendwie »damit klarzukommen«. Was nützt es, wenn Menschen zwar Medikamente gegen ihre Depressionen einnehmen, jedoch ihre krank machenden Umstände und Verhaltensmuster nicht ändern? Verstehen Sie mich nicht falsch: Hat ein Arzt Ihnen Medikamente verschrieben, nehmen Sie diese unbedingt ein, und setzen Sie sie nicht ohne Rücksprache mit ihm ab. Aber die medikamentöse Behandlung allein braucht noch etwas anderes, damit die Ursache tatsächlich behoben werden kann. Depressive Menschen müssen ihre übererregte Amygdala in den Griff kriegen. Denn die ist darauf geeicht, möglichst alles Negative aus der Umwelt herauszufischen und es dann mit Pauken und Trompeten dem Bewusstsein zu präsentieren: »Sieh her, so schlecht ist die Welt! Verkriech dich lieber, damit dir nicht noch mehr Schlimmes passiert!« Die Betroffenen fühlen sich runtergezogen, sitzen fast nur noch zu Hause und vereinsamen. Dieses Vermeidungsverhalten macht die Stimmung nur noch schlechter.
Wenn Sie sich länger als einen Monat niedergeschlagen fühlen, sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder einem Psychotherapeuten darüber, und entwickeln Sie individuelle СКАЧАТЬ