Название: Die Macht der Intuition
Автор: Dr. Florian Ilgen
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831270026
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Stellen wir uns einen jungen Mann vor, der versucht hat, seinen seelischen Schmerz mit Drogen zu betäuben. Deshalb hat er im Berufsleben nie Fuß gefasst. Wenn er eine Stelle bekam, hat er sie kurz darauf wieder verloren. Irgendwann ist er Mitte 30 und glaubt, nun erst recht keine Chance mehr im Leben zu haben. Was aber, wenn er es schafft, den Drogen fernzubleiben? Das ist ein massiver Erfolg, den dieser Mensch da erreicht – und von dort aus ist quasi alles möglich. Wenn er sich seiner enormen inneren Kraft bewusst wird, kann er danach so gut wie alles schaffen. Was, glauben Sie, ist schwieriger: einen Wanderweg einfach entlangzuspazieren oder aber zu stolpern, eine Böschung ganz tief hinunterzufallen und dann mühsam wieder nach oben zu kraxeln?
Es gibt Menschen in der Wirtschaft, die eine Drogenabhängigkeit überwunden und es noch ganz nach oben geschafft haben. Um von seinem Drogenproblem wegzukommen, kann sich der junge Mann in diesem Beispiel erst einmal das Ziel setzen, jeden Tag spazieren zu gehen. In dem Bewusstsein, sich und seinem Körper etwas Gutes zu tun. Allein das kann unter Umständen schon revolutionär wirken. Er kann sich vornehmen, während des Spaziergangs beispielsweise keine Zigarette zu rauchen. Mit der Zeit dehnt er dies aus: Eine Stunde vor dem Spaziergang und eine Stunde danach wird nicht geraucht. Was für ein wunderbares Gefühl, wieder Kontrolle über das eigene Verhalten zu erlangen! Aus den Spaziergängen können längere Radfahrten durch die Natur werden. Plötzlich gibt es wieder andere Inhalte im Leben, Abwechslung, Freude. Zart regen sich die ersten Glücksbotenstoffe, auch ohne dass sie von Drogen hochgepeitscht wurden. Für den tatsächlichen Drogenentzug ist in aller Regel professionelle Unterstützung notwendig. Doch wer erst einmal so ein Hindernis vollständig überwunden hat, hat bewiesen, dass er zu den starken Menschen dieser Gesellschaft gehört, und verdient den größten Respekt.
Ob wir eher ein ängstlicher oder draufgängerischer Typ sind, ist teilweise genetisch begründet. Ein bestimmtes Temperament ist uns in die Wiege gelegt. Eine weitere große Rolle spielen unsere Lebenserfahrungen in den ersten drei Jahren. Dabei sind die Reaktionen der Eltern wichtig: Lassen sie das Kind auch einmal voranpreschen, oder schweben sie immer sorgsam darüber? »Nicht so schnell, nicht so hoch auf dem Klettergerüst, Timmy!«
Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth erklärte es bei ZEIT ONLINE so:17 Wer die Anlage zur Schüchternheit in sich trägt, kann sich in dieser Phase zum freundlich zurückhaltenden oder auch zum misstrauisch zurückgezogenen Charakter entwickeln – je nachdem, was er erlebt. Denn in dieser Zeit ist das limbische System, also unsere Gefühlszentrale, noch sehr stark formbar. Später kostet es uns mehr Kraft, es zu verändern. Haben sich die neuronalen Pfade besonders ungünstig ausgeprägt, sind wir also durchgängig übermäßig misstrauisch, traurig oder wütend, ist eine Veränderung dieser Strukturen vor allem mithilfe von außen möglich. Unsere Hirnstrukturen bleiben plastisch, also veränderbar, zum Beispiel durch eindrückliche Erlebnisse oder durch intensive gute Gespräche.
Angst zu haben ist uns angeboren. Es ist völlig menschlich und natürlich. Und es ist ein Gefühl in zahllosen Abstufungen. Dabei gibt es allerdings verschiedene Arten von Angst: nützliche und unnütze. Die meisten Menschen haben ganz besonders viel Angst davor, zu verlieren oder sich vor anderen Menschen zu blamieren. Genau das schränkt sie ein, sodass sie nie wirklich sie selbst sein können. Lernen Sie deshalb, die Angst für sich selbst statt gegen sich selbst zu nutzen. Haben Sie Angst davor, nicht alles zu erleben, was sie hätten erleben können? Haben Sie Angst vor Reue? Nutzen Sie diese Angst als einen Ihrer Antreiber.
Angst als Empfindung entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel aus Sinnesorganen und verschiedenen Hirnarealen. Sehen wir beispielsweise auf einem Herbstspaziergang etwas Langes, Glänzendes im Laub, reagieren wir erst einmal reflexartig. Der Sehnerv meldet das Bild an den visuellen Cortex des Großhirns. Der »sieht« das Bild und schickt die Information weiter an einen anderen Hirnteil, den Thalamus. Dieser leitet die Bildinformation an den Mandelkern und den Hippocampus weiter. Während der Hippocampus Bescheid gibt, ob wir ein solches Objekt schon einmal gesehen haben, bewertet der Mandelkern die Sinnesinformation mit einer Emotion. Der Hippocampus kann also beim Vergleich feststellen, dass »lang und glänzend im Laub« eine Schlange sein könnte. Das wertet der Mandelkern als Gefahr – und löst die Angstreaktion aus.
Damit diese uns nicht immer wieder lahmlegt, haben wir eine Kontrollinstanz, den Gyrus cinguli. Er bewertet die Information noch einmal und untersucht, ob »Schlange« das einzige Fazit aus dem Gesehenen sein kann. Da das Objekt weder einen Kopf hat noch sich bewegt, bewertet er schließlich das Fazit zu »nasser Stock« um. Der ist nicht gefährlich, also ebbt die Angstreaktion ab.
Wovor wir Angst haben und wie intensiv wir sie erleben, ist individuell sehr unterschiedlich. Heute geht es nur noch selten um Lebensgefahr. Doch auch weniger greifbare Bedrohungen machen uns Angst. Zwei von drei Deutschen etwa haben Angst vor den Auswirkungen der Politik Donald Trumps. Rund die Hälfte fürchtet sich davor, einmal zum Pflegefall zu werden und auf Hilfe angewiesen zu sein.18 Wir sollten uns allerdings immer daran erinnern, dass Angst eine Eigendynamik entwickeln kann und dann zu sehr unguten Ereignissen führen kann, besonders wenn sie die Masse ergreift.
Der Schwarze Freitag – der größte Börsencrash der Geschichte – war (auch) ein Produkt der Angst. Dabei fing alles so rosig an. Es waren die Goldenen Zwanziger, und die Stimmung in Bevölkerung und Wirtschaft war positiv wie nie. Die Börse brummte, und so mancher nahm sogar einen Kredit auf, um auch einen Teil des Kuchens abzubekommen. Doch dann kippte im Jahr 1929 die Stimmung. Erst machte man sich Sorgen, später hatten viele wirklich Angst um ihr Geld – und verkauften, was noch zu verkaufen war. Es kam, wie es kommen musste. Im Oktober nahm die Börse eine rasante Talfahrt auf. Die Preise rutschten immer weiter in den Keller, und mehr und mehr Anleger versuchten, irgendwie noch mit einem blauen Auge davonzukommen. Die Angst wurde zur Panik und gipfelte im Börsencrash am 24. Oktober 1929. Und so ging dieser Tag als Schwarzer Freitag in die Geschichte ein. Die Auswirkungen unserer Ängste sind natürlich längst nicht immer so dramatisch. Nachhaltig bemerkbar können sie sich trotzdem machen.
Bauen Sie Ihre Ängste ab!
Manche Ängste sind sinnvoll. Andere sind einfach nur Bremsklötze auf Ihrem Weg. Wer zum Beispiel Angst hat, vor Kollegen das Wort zu ergreifen und sich dabei zu blamieren, wird es nicht tun. So kann er aber auch nicht positiv auffallen und seine Karriere befeuern. Räumen Sie unnütze Alltagsängste deshalb aus dem Weg!
➤ Die Angst erleben
Nehmen Sie sich eine halbe Stunde Zeit, und stellen Sie sich am besten einen Timer, um sich ganz auf die Übung konzentrieren zu können. Setzen Sie sich gemütlich hin. Atmen Sie tief und gleichmäßig in den Bauchraum. Die Redewendung »tief durchatmen« ist mehr als bloß ein Klischee. Wenn Sie spüren, dass Sie innerlich zur Ruhe gekommen sind, stellen Sie sich Ihre Angst vor: Sie sind in den Sitzungsräumen. Das Meeting läuft, und alle, inklusive Ihrem Chef oder Ihrer Chefin, sind anwesend. Dann kommt der Moment, wo Sie Ihre Idee anbringen könnten … Was fühlen Sie? Wie reagiert Ihr Körper? Schwitzen? Schnelle Atmung?
Machen Sie diese Übung zwei- bis dreimal, und notieren Sie anschließend Ihre Eindrücke.
➤ Sich mit der Angst konfrontieren
Beim nächsten Schritt endet in Ihrer Vorstellung die Szene nicht bei der Gelegenheit zu sprechen. Jetzt bringen Sie Ihren Vorschlag an. Alle schauen auf Sie. Gestalten Sie Ihren Auftritt dabei möglichst selbstbewusst. Wie er ausgeht – ob Ihr Vorschlag also ankommt –, ist noch unwichtig. Notieren Sie hier wieder Ihre Eindrücke. Haben Sie vielleicht einen Kloß im Hals? Sind Ihnen die Blicke unangenehm? Wiederholen Sie diesen Schritt so lange, bis Sie СКАЧАТЬ