Wenn die Götter auferstehen und die Propheten rebellieren. Oliver Glanz
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Название: Wenn die Götter auferstehen und die Propheten rebellieren

Автор: Oliver Glanz

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783815026182

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СКАЧАТЬ der anderen Seite ist es unser Denken, das diese neurophysiologischen Prozesse erforscht (Subjektivismus). Das Geistige scheint sich nie aufs Physische reduzieren zu lassen.

      Schlussendlich gehen wir alle davon aus, dass persönliche Freiheit – wenn auch unklar ist, in welcher Form und welchem Ausmaß – besteht. Zu viele menschliche Handlungen bleiben unklar, mysteriös und scheinen sich nicht wissenschaftlich erklären zu lassen. Für all diese Fälle gehen wir von der Freiheit des Menschen aus, Dinge zu tun, die dem eigenen Willen entsprechen, nicht aber allgemeinen Regeln und Normen. Darum glauben wir, dass Straftäter nicht notwendigerweise Straftäter hätten sein müssen, und verurteilen ihre Handlungen als freie und unentschuldbare Handlungen. Subjektivität ist also wesentlicher Bestandteil unserer Wirklichkeit, nur ist dieser subjektive Bestandteil per Definition nie auf dem rationalistischen Radarschirm zu sehen. Und das ist auch verständlich. Während die Rationalität eine neutrale, allgemeingültige, für jeden verbindliche, also frei von jeglicher Subjektivität existierende Methode sein will, entdeckt sie auch immer nur die allgemeingültigen, verbindlichen Gesetzmäßigkeiten, die das Leben »kontrollieren«– und damit immer nur den objektiven Teil der Wirklichkeit.

      Thomas Nagel ist durch einen Artikel mit dem Titel »What is it like to be a bat« berühmt geworden. Dabei stellt er die Frage, ob wir als Menschen mit unseren wissenschaftlichen Methoden die Möglichkeit haben herauszufinden, wie eine Fledermaus die Realität erlebt. Wir können die Antwort bereits vermuten. Nagel macht ganz deutlich klar, dass das nicht möglich ist. Die Realität von subjektiven Erfahrungen kann nicht auf die allgemeingültige Schnittmenge, die verschiedene subjektive Erlebnisse haben, reduziert werden. Wenn das dennoch geschieht, hat man nicht die eigentliche subjektive Erfahrung beschrieben. Die subjektive Erfahrung ist immer mehr als ihre objektive Beschreibung. Das Problem des modernen Rationalismus ist, dass wir nach objektiver Wirklichkeit streben, aber im gleichen Moment die subjektiven, unterschiedlichen Erfahrungen verlieren, die genauso Bestandteil der Wirklichkeit sind. Wie kann ich aber wissen, wer der andere ist, wenn er mehr ist als das Produkt allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten? Wie kann ich wissen, wer ich bin, wenn ich mehr bin als das, was die Wissenschaft über mich zu sagen hat? Wenn der andere immer der Fremde bleiben wird, wie kann ich dann jemals mein Leben mit ihm teilen, ihn lieben, ihm vertrauen und ihn verstehen?

      Fazit: Wer ich bin, wer du bist, bleibt dem objektiv-rationalistischen Denken verborgen. Ich und Du sind mehr als das, was die Wissenschaft mit ihrer 3. Person-Perspektive über uns zu sagen hat.

      2.5 Neuauflage des ewigen Götterstreits

      Aus der rationalistischen Methode Descartes’ folgt nicht nur, dass ich nie herausfinden kann, wer ich bin und wer der andere ist. Es ergibt sich ein neues Problem: Während viele Biologen erklären, dass jedes Handeln der Menschen letztlich evolutionistisch zu erklären ist (Ich verliebe mich, weil ich instinktiv das Überleben meiner Gene sichern muss.), widersprechen Historiker dieser Idee und zeigen auf, dass die evolutionistische Philosophie ein Zeitgeist-Phänomen ist, das seine Wurzeln in der Aufklärung suchen muss (damals wurde die biblische Eschatologie säkularisiert). Für den Historiker wird die Evolutionsidee darum als Zeitblüte wieder vergehen. Der Psychologe hingegen erklärt, dass der Versuch der Historiker, die Weltgeschichte zu systematisieren, als auch der Versuch des Biologen, menschliches Handeln auf biologische Prinzipien zu reduzieren, auf die Struktur der menschlichen Psyche zurückzuführen sind. Diese Struktur versucht ständig, komplexe Zusammenhänge auf einfache Systeme zu reduzieren. Es kommt zum Disziplinenstreit.

      Wir sehen, dass es innerhalb der Wissenschaft sehr unterschiedliche rationalistische Ansätze gibt, Phänomene reduktionistisch zu erklären. Unser Beispiel hat drei Wissenschaftszweige (Biologie, historische Wissenschaft, Psychologie) in Konkurrenz gezeigt. Während für den einen die Evolutionsidee subjektiv und historisch bedingt ist (Historismus), ist für den anderen der Historismus subjektiv und psychisch bedingt (Psychologismus), und für einen weiteren sind die entwicklungspsychologischen Abläufe selbst nur Produkt der Evolution (Biologie). Eine Art Kampf um Objektivität findet statt. Der Kampfschauplatz ist die Arena der Universität. Während wir glaubten, dass wissenschaftliches Denken uns ein objektives Bild von der Wirklichkeit zeichnen kann, spricht jede Wissenschaft einen Subjektivitätsverdacht über die anderen Wissenschaften aus. Es gibt nicht die eine wissenschaftliche Stimme, die uns die objektive Wahrheit erzählt, sondern viele, in Konkurrenz stehende, rationale Stimmen. In diesem Kontext spricht Max Weber von der Wiederauferstehung der Götter. Jeder versucht, Einfluss bei den Menschen zu gewinnen, aber keiner kann wirklich überzeugen und siegen. Das einzige, was die Götter unserer modernen materialistischen Zeit von den antiken unterscheidet, ist, dass sie unpersönlich und rationalistisch sind. Aber wie früher haben diese Götter ihre Priester (Biologen, Psychologen, Historiker) und ihre Gläubigen (die modernen Menschen). Die Konkurrenz um die Wahrheit zwischen den Wissenschaften hat dazu geführt, dass es immer mehr interdisziplinäre Initiativen gibt, um herauszufinden, welche Berechtigungen und welche Art von Wissen jede einzelne Wissenschaft hat. Dieses Bemühen ist sehr wichtig, aber solange es modernistisch bleibt, ist die Problematik nicht zu überwinden.

      Fazit: Die Wissenschaft hat nicht die Antwort auf die Fragen des Lebens. Viele verschiedene wissenschaftliche Theorien stehen miteinander im Konflikt.

      2.6 Problembehandlung

      Die Konstrukteure des modernen Dilemmas wurden vorgestellt und ihr Verlangen nach Mündigkeit deutlich gemacht. Sie wollten frei werden vom Wahrheitsdiktat verschiedener Kräfte und ihre ethische Verantwortung ernst nehmen, indem sie versuchten zu verhindern, dass länger im Namen der Wahrheit gemordet wird. Aber leider haben sie einen Weg eingeschlagen, der die Menschen schlussendlich in eine noch düsterere Gasse geführt hat. Zwei Probleme sind dabei ständig präsent: (1) Die Beantwortung der Frage nach dem »Wer bin ich? Was ist der Mensch?« rückt immer ferner, je moderner wir werden. (2) Die Antwort auf die Frage nach der objektiven Wirklichkeit scheint nicht durch neutrales rationalistisches Denken möglich. Der moderne Mensch ist nicht im Stande, diese Probleme zu lösen. Und so dominieren Subjektivismus und Objektivismus sinnentleerend weiter den modernen Alltag.

      Es klärt sich in unserer Zeit immer mehr, dass ein Rückzug aus der Sackgasse nur mit einer Abwendung vom »cogito ergo sum« und den Denkkonzepten der Moderne geschehen kann. Aber wie soll das geschehen, wenn wir nicht wieder in einem Dreißigjährigen Krieg enden wollen?

      In den nächsten vier Reflexionen (3 bis 6) wollen wir versuchen, unserem modernen Dilemma aus der Perspektive der biblischen Propheten zu begegnen. In dieser Konfrontation tut sich ein unerwarteter Weg auf, der es vermag, uns wieder an den Sinn und die Wirklichkeit des Lebens hinzuführen. In der nächsten Reflexion wird aus einer biblischen Perspektive erläutert, was passiert, wenn wir wissenschaftlich/​rational denken und arbeiten, und weshalb die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen gleichsam dem alten Götterkampf miteinander um die objektive Sichtweise kämpfen. Dabei sollen auch die Propheten zu Wort kommen. Daran anschließend wird in der Reflexion 4 skizziert, wie die Frage nach dem »Wer bin ich?« im Pentateuch (5 Bücher Mose) behandelt wird. Dort lässt sich eine Vision vom Leben finden, die den Menschen zurückführen will in die Selbstbegegnung und der Begegnung mit dem Mitmenschen. In Reflexion 5 wird in den prophetischen Zugang zur Objektivität eingeführt, ohne dass damit der Objektivismus als Bedrohung einhergeht. In Reflexion 6 wird gezeigt, wie aus prophetischer Perspektive Subjektivität und Objektivität in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.

      2.7 Klärung

      Wir haben gesehen, dass da, wo versucht wird, Dinge verständlich werden zu lassen, indem sie in logischer Kausalität erklärt werden, die Freiheit des Menschen sehr schnell verdrängt wird. Das wird vor allem sichtbar, wenn man sich mit der Vergangenheit beschäftigt. So wird – ganz zurecht – der Aufstieg des Nationalsozialismus vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs des Kaiserreichs und der sich daran anschließenden, unverhältnismäßig hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte nach dem 1. Weltkrieg erklärt (Versailler Vertrag). Des Weiteren haben die brutale Oktoberrevolution in Russland СКАЧАТЬ