Название: Der Henker
Автор: Johannes Sachslehner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990401729
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Auf jüdischen Gräbern entsteht an der Jerozolimskastraße eine Barackenwelt für lebende Leichen.
Das „Land, in dem der Tod haust“: 5 Distrikte wurden zum „Generalgouvernement“ zusammengeschlossen.
SS-Unterscharführer Pilarzik wird im Dezember 1942 von Scherner seines Amtes enthoben, Planung und Oberleitung der Bauarbeiten vertraut der SS-Polizeiführer Krakau nun dem SS-Hauptscharführer Franz-Joseph Müller an, der seit Juni 1942 bereits die drei bestehenden kleinen „Judenarbeitslager“ (Julags) in Płaszów, Prokocim und Bieżanów leitet. Müller, 1910 in Mosbach, Baden-Württemberg, geboren und von Beruf Buchbinder und Bildereinrahmer, „nur mittelmäßig intelligent“, ist seit Dezember im Stab Scherners tätig und hat an den „Aussiedlungen“ des Jahres 1942 mitgewirkt – an diese neue, komplexe Aufgabe geht er nun mit großem Ehrgeiz heran. In seinem nach dem Krieg in der Haft verfassten „Tatsachenbericht“ Brücke zur Freiheit schreibt er dazu: „Von Scherner hatte ich den Auftrag ein Barackenlager als Ersatzghetto zu bauen und zwar auf der Höhe hinter dem jüdischen Friedhof. Ich machte mir ein Baubüro auf, nahm einen jüdischen Architekten, entwarf einen Plan, in dem ich an alles dachte. Baracken mit Waschräumen für Familien, eine Schule und Kinderschule [sic] und so weiter. Der Architekt arbeitete den Plan aus und ich legte ihn dem SS- und Polizeiführer vor. Wie hatte der Mann getobt und mich alles Mögliche geheißen: Was fällt ihnen ein, Kinder-Garten, Schule, Waschräume für Familien? Glauben Sie vielleicht, wir wollen Juden großziehen? und so weiter. Er riss meinen Plan auseinander und sagte: Nur ein Barackenlager für die Juden, die wir noch brauchen, alles andere wird vernichtet! Ja, Sie tragen SS-Uniform und bemitleiden noch dieses Parasitenvolk?“
Müller erhält eine letzte Frist: In sechs Wochen muss das neue Lager fertig sein, damit das Ghetto geräumt werden kann. Scherner, der sich mit seinem Schreiben an die Rüstungsinspektion selbst unter Druck gesetzt hat, macht Müller bald neue Vorwürfe: Die Bauarbeiten gingen zu langsam voran, da er zu wenig Arbeitskräfte einsetze. Es müssten ab sofort mindestens 1.000 Juden auf der Baustelle arbeiten. Müller lässt daraufhin die OD-Männer Poldek Goldberg und Tomek Katz kommen und ordnet an, dass sie von nun an 1.000 Arbeitskräfte zu stellen hätten. Sollte die Kontrolle durch Scherner allerdings vorbei sein, könnten sie es wieder gemächlicher angehen. Ab morgen müssten sie jedoch „auf Draht“ sein.
Abtransport zur Zwangsarbeit: Ein Tritt für den letzten Juden, der auf die Ladefläche eines LKW klettert
Prompt ist am nächsten Tag um 8 Uhr 30 Zählappell; Scherners Stabsführer SS-Obersturmbannführer Haase ist zur Kontrolle auf die Baustelle gekommen. In der Brücke zur Freiheit erzählt Müller: „Ich meldete ihm 1.000 Juden bei der Arbeit. Das haben mir die OD-Leute auch schon gemeldet, aber ich glaube es nicht. Alles antreten lassen! Die Juden standen da, aber keine 1.000. Da, schrie er mich an, was, das sollen 1.000 Menschen sein? Sie sind beschissen worden, legen Sie die beiden Kerle um! Ich musste die beiden Männer erschießen. Im Ganzen hatten sie nur 290 Arbeitskräfte und das nur zum größten Teil Frauen und Kinder. Ich war verärgert. Laufe mir die Beine aus, dass alles klappte, und die beiden waren nicht in der Lage für 1 oder 2 Tage zu sorgen, dass die Herren befriedigt sind.“
Einige Tage nach der Erschießung von Goldberg und Katz kommt Scherner persönlich zur Inspektion auf die Baustelle nach Płaszów. Er bringt neue Ideen für seinen Lagerleiter mit: Zwischen den Baracken müsste Stacheldraht gezogen werden, Männer und Frauen seien streng zu trennen, vor allem aber müssten die „Polenhäuser“ am Rand des Geländes beschlagnahmt und die Bewohner „rausgeschmissen“ werden.
„Oberführer, das kann ich nicht“, lehnt Franz-Joseph Müller das Ansinnen seines Chefs ab.
Scherner beginnt zu toben: „Was, das können Sie nicht und sind SS-Mann? Ich werde Ihnen einen Mann aus Bautzen vorsetzen! Verschwinden Sie und lassen Sie sich mit ihren Juden aufhängen!“
In seinem merkwürdigen „Tatsachenbericht“ notiert Müller später: „Als ich in meinem Zimmer war, konnte ich mich nicht mehr halten. Zum ersten Mal musste ich als Soldat weinen.“
ICH BIN EUER GOTT!
Das Wort Julian Scherners vom „Mann aus Bautzen“ war keine leere Drohung. Eines Tages, es ist der 11. Februar 1943, ist er da: Amon Leopold Göth. Woher kommt er an diesem Tag wirklich? Wohl nicht aus der Spreestadt Bautzen in der Oberlausitz, sondern aus dem Zwangsarbeitslager Budzyń in der Nähe von Lublin. Müller dürfte hier einem Hörfehler erlegen sein.
Göth trifft jedenfalls am Krakauer Hauptbahnhof ein und begibt sich sofort zum Büro seines alten Kumpels und Freundes Scherner in der Oleanderstraße 4. Die beiden kennen sich noch aus der Münchner Zeit – Scherner, „beliebt als Führer und Kamerad“, führte ab Februar 1933 in der „Stadt der Bewegung“ die 1. SS-Standarte und stieg in der Folge bis zum Führer des SS-Abschnitts XIV auf. Geboren 1895 im tansanischen Bagamoyo, der Hauptstadt „Deutsch-Ostafrikas“, als Sohn eines Hauptmanns der kaiserlichen Schutztruppe, ein alter Frontkämpfer, Inhaber des Eisernen Kreuzes und Blutordensträger und als Mitglied des Bundes Oberland schon 1923 beim Putsch Hitlers in München dabei, ist er Herr über Leben und Tod der Juden im Distrikt Krakau. Seit August 1941 als SSPF in Krakau, ist er für alle Deportationen aus dem Krakauer Ghetto nach Bełżec verantwortlich. Scherner hat sich auf Göth gut vorbereitet und will ihm die neue große Aufgabe, den weiteren Aufbau des Arbeitslagers in Płaszów, so schmackhaft wie möglich machen. Göth zögert nicht lange – er ist mit Płaszów einverstanden, weil er hier sein eigener Herr sein wird. Er wählt die Herausforderung, weil er darin ein Abenteuer sieht, eine Möglichkeit, sich sein persönliches Königreich zu schaffen. Erfreulich auch die materiellen Möglichkeiten, die sich in der freundschaftlichen Besprechung mit Scherner abzeichnen: Mit ein wenig Geschick kann er hier ein Vermögen herausholen.
So lässt er auch beim Antritt seiner „Herrschaft“ in Płaszów keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen. „Ich bin euer Gott!“, erklärt er den auf dem Appellplatz zu seinem Empfang angetretenen Häftlingen. Juliusz Spokojny, ein 20-jähriger Jude aus Miechów, der seit Jänner im Lager an der Jerozolimskastraße festgehalten wird, kann sich auch später noch an den darauf folgenden Satz Göths erinnern: „Im Distrikt Lublin habe ich 60.000 Juden erledigt, jetzt ist die Reihe an euch!“
Bald werden alle begriffen haben, dass dieser Mann schlimmer ist als alles, was sie zuvor erlebt haben. „Brutal und rücksichtslos“ werden die restlichen polnischen Familien aus ihren Häusern geworfen; die neuen Termine für die Arbeiter an den Baracken sind unmenschlich knapp. So verlangt Göth die Fertigstellung des Kühlhauses innerhalb von zwei Wochen – für die Nichteinhaltung des Termins droht er alle an diesem Bauprojekt beteiligten Häftlinge zu erschießen.
Wenige Tage nach der Ankunft Göths in Płaszów begibt sich der 53-jährige Arzt Dr. Aleksander СКАЧАТЬ