Der Henker. Johannes Sachslehner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Henker - Johannes Sachslehner страница 8

Название: Der Henker

Автор: Johannes Sachslehner

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783990401729

isbn:

СКАЧАТЬ dass er ein „aufrechter Nationalsozialist & opferfreudiger & einsatzbereiter SS-Mann“ sei, „zum SS-Führer“ geeignet. Ein SS-Mann also, wie man ihn sich wünscht – auch das „rassische Gesamtbild“ stimmt: „fälisch-ostisch“ steht da, gepaart mit „mutiger, bestimmter Haltung“ und „umfassendem“ Wissen; es gebe keine besonderen Mängel und Schwächen. Das ist eine neuerliche Beförderung wert: Am 9. November 1941 avanciert Göth zum SS-Untersturmführer in der 11. SS-Standarte.

      Die Personalakten Göths aus seinen beiden ersten Jahren im Dienste der SS zeigen das Bild eines ehrgeizigen, loyalen und ambitionierten Mannes. All dies ist jedoch nur Präludium zum großen Karrieresprung, der nun bevorsteht und dessen Hintergründe im Dunkeln liegen: Wer hat ihm den Weg nach Osten ins Generalgouvernement geebnet, ihn als Mitarbeiter angefordert? Haben hier persönliche Kontakte zu Männern aus dem Stab Odilo Globocniks oder seine Reputation als hervorragender „Organisator“ den Ausschlag gegeben?

      Wie dem auch sei: Wohl schon im Frühjahr 1942 – der offizielle „Einstellungsvorgang“ erfolgt erst am 11. August 1942 – trifft Göth in Lublin ein, dem „weit nach Osten vorgeschobenen Posten der abendländischen Kultur“. Hier wohnt und arbeitet er in der Julius-Schreck-Kaserne, dem ehemaligen Stefan-Batory-Kolleg in der Pieradzkiegostraße 17, die als Hauptquartier für die Drahtzieher der Aktion Reinhardt dient. Er ist nun Mitglied im Stab von SS-Brigadeführer Globocnik, den die Männer nur „Globus“ nennen. Im Kreis dieser SS-Offiziere wird der Massenmord an den Juden im Generalgouvernement minutiös geplant und mit gnadenloser Härte „umgesetzt“.

      Seine erste Aufgabe: der Ausbau des seit 1940 bestehenden Arbeitslagers in Budzyń, etwa 40 Kilometer südwestlich von Lublin bei Krasnik gelegen. Baracken für 2.000 Arbeiter sollen errichtet werden; gleich daneben baut man an einer Flugzeugfabrik der Heinkel-Werke. Im Oktober 1942 treffen nach und nach jüdische Arbeiter aus dem Ghetto in Końskowola ein; obwohl die Flugzeugfabrik noch nicht fertig ist, müssen sie dort Tragflächen reparieren bzw. neu produzieren.

      Flugzeugpionier Ernst Heinkel, später als genialer Erfinder und Konstrukteur verklärt, nützt wie kein anderer deutscher Unternehmer die Möglichkeiten, die das System der Zwangsarbeiterlager ihm bietet. So betont er im Juni 1942 in einem Brief an Generalluftzeugmeister Erhard Milch, den Verantwortlichen für die Luftrüstung, die Vorteile eines Einsatzes von jüdischen Zwangsarbeitern: „Neue Arbeitskräfte sind im Generalgouvernement leichter zu beschaffen als an jedem anderen Ort im Altreich. Außer Polen können vor allem gute Arbeitskräfte aus der reichlich vorhandenen jüdischen Bevölkerung gewonnen werden.“

      Wenig kümmert den Visionär Heinkel, wie die Rekrutierung dieser „leicht zu beschaffenden“ jüdischen Arbeiter tatsächlich erfolgt: Im Ghetto Końskowola, unweit von Puławy gelegen, wird trotz einer Ruhrepidemie, die hier wütet, gnadenlos „ausselektiert“: Jene, die zu schwach und zu krank sind, um am Marktplatz zur Selektion anzutreten, werden sofort erschossen, dann sucht man am Marktplatz die kräftigsten Männer aus, vor allem Facharbeiter. Frauen und Kinder sowie ältere Männer, etwa 800 bis 1000 Menschen, werden von Angehörigen des Polizeibataillons 101 in einen nahe gelegenen Wald geführt und dort ermordet. Auch von den zur Zwangsarbeit „ausselektierten“ Männern sind viele durch den Typhus extrem geschwächt, insgesamt etwa 100 Häftlinge brechen auf dem fünf Kilometer langen Weg zur Bahnstation zusammen und werden ebenfalls erschossen. 800 bis 900 Juden aus dem Ghetto von Końskowola erreichen das neue Lager in Budzyń. Im Distrikt Lublin haben Globocniks Männer bereits in der Nacht vom 16. zum 17. März 1942 mit der Räumung der kleineren Ghettos begonnen. Es sind blutige Menschenjagden, die nach erprobtem Schema ablaufen: Das Ghetto wird von SS, Schutzpolizei und ukrainischen, litauischen oder lettischen Hilfseinheiten umstellt, dann durchkämmen kleine Einsatztrupps die Häuser und treiben die Bewohner auf den Sammelplatz, alte und kranke Menschen sowie Kleinkinder werden meist sofort erschossen. Wer bei der folgenden „Selektion“ auf dem Sammelplatz eine gültige, gestempelte Arbeitskarte vorweisen kann, darf meist wieder gehen, die anderen werden in Güterwaggons verladen und in die Vernichtungslager transportiert. Mittendrin Amon Göth, dem bald leitende Funktionen übertragen werden. So organisiert er die „Selektionen“ im Ghetto Bełżyce, südwestlich von Lublin. Seit dem 16. Jahrhundert leben hier Juden; von 1795 bis 1809 war das Städtchen Bełżyce Teil des Habsburgerreichs; nun ist es ein Österreicher, der für die Juden des Orts zum Schicksal wird. An die 700 Juden sollen nach Majdanek deportiert werden. Etwa 500 Juden bestechen ihn und werden nicht in den sofortigen Tod geschickt, sondern „dürfen“ ins Zwangsarbeitslager Budzyń. Wie Mietek Pemper 1946 vor dem Untersuchungsrichter aussagt, soll die „Beute“ der SS in Bełżyce gewaltig gewesen sein: Mit Pelzen, gegerbten Fellen, Juwelen und anderen kostbaren Wertgegenständen habe sich Göth den Verzicht auf den „Transport“ nach Majdanek abkaufen lassen, irgendetwas sei dann aber „schiefgelaufen“, seine Unterschlagung ans Licht gekommen. Noch 1943 sei in der Angelegenheit korrespondiert worden. Die „Aktion“ in Bełżyce begründet jedenfalls seinen Ruf als korrupten SS-Offizier; spätestens jetzt muss er erkannt haben, welche „Geschäftsmöglichkeiten“ der Judenmord in sich birgt.

      Wahnwitzige „Volkstumsarbeit“: Himmler begrüßt an der deutschen Grenze eine Kolonne von Rückwanderern.

      

      Dieses „Mitarbeiterverzeichnis“ dokumentiert es: Göth ist im Stab Globocniks für den „Arbeitseinsatz“ zuständig.

      Irgendwann in diesen Tagen macht Göth die Bekanntschaft mit SS-Oberscharführer Reinhold Feix, einem der grausamsten SS-Mörder, die im „Gangster-Gau“ ihr Unwesen treiben. 1942 ist Feix, ein Sudetendeutscher aus Neudorf in der Nähe von Gablonz und von Beruf Friseur, im Vernichtungslager Bełżec tätig; von Dezember 1942 bis August 1943 ist er Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Budzyń; wie Mietek Pemper später bezeugt, unterhält Göth mit ihm auch in Płaszów noch eine intensive Korrespondenz. Vieles deutet darauf hin, dass er in der Umgebung von Feix auch das Töten „gelernt“ hat – es ist die gemeinsame Erfahrung des Judenmordes, die sie verbindet.

      Jedenfalls muss Göths Talent als „Organisator“ von seinem Chef Globocnik bald anerkennend registriert worden sein, denn im Frühsommer 1942 stellt er seinem „Referenten ohne Verwendung“, wie wieder Pemper bezeugt hat, eine Bevollmächtigung zum Einkauf von Materialien in Ostrau und anderen mährischen Städten aus; der Hintergrund für diese Vollmacht sind nicht näher ausgeführte „Geheime Baumaßnahmen des Reiches“. Schon Pemper hat dazu den Verdacht geäußert, dass es sich hier nur um „Materialien“ für den Bau der Krematorien in den polnischen Vernichtungslagern handeln konnte. Dazu passt auch der ebenfalls von Pemper erwähnte Brief Globocniks vom Juni oder Juli 1942 an die Kommandanten von Bełżec, Sobibór und Treblinka, in dem diese angewiesen werden, Göth den Zutritt auf das Lagergelände zu erlauben. Mietek Pemper vermutete, dass diese Zutrittserlaubnis noch einen anderen Grund gehabt haben könnte: Göth sei vielleicht mit der Kontrolle bzw. Erfassung der Wertgegenstände der Ermordeten betraut gewesen – da hätte natürlich Globocnik den Bock zum Gärtner gemacht; andererseits würde das auch die wachsende Spannung zwischen Göth und Globocniks Stabschef SS-Sturmbannführer Hermann Höfle im Herbst 1942 erklären. Der Österreicher Höfle, 1911 in Salzburg geboren und von seiner Ausbildung her Automechaniker, ist seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SS und auf eine Empfehlung Adolf Eichmanns hin seit Oktober 1941 der „Referent für Judenangelegenheiten“ im Stab Globocniks. Er koordiniert die Deportationen aus Lublin, Mielec, Rzeszów, Białystok und Warschau in die Vernichtungslager. Auch der Schützling Eichmanns verdankt also der Aktion Reinhardt einen massiven Karrieresprung. Gut denkbar, dass sich die beiden „Ostmärker“ in der Frage des „Umgangs“ mit jüdischen Vermögenswerten in die Quere gekommen sind, denn seit Sommer 1942 leitet Höfle eine Art „Lagerhaus“ für die bewegliche Habe der Juden, das in der Lubliner Chopinstraße 27, dem alten Flughafen der Stadt, СКАЧАТЬ