Der Henker. Johannes Sachslehner
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Название: Der Henker

Автор: Johannes Sachslehner

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783990401729

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СКАЧАТЬ sogar mit dem Gedanken spielte, nach dem Krieg Architektur zu studieren.

      Gebaut wird nicht nur an den Baracken für die Häftlinge, sondern auch an den solide aus Ziegeln gemauerten Häusern für die SS-Offiziere und -Mannschaften. Aufsicht über den jüdischen Bautrupp, der mit Eifer bei der Sache ist, hat SS-Oberscharführer Albert Hujar. Eines Tages gibt es auf der Baustelle ein Problem: Eine etwa acht Meter lange und zwei Meter hohe Mauer der „Wachkaserne“ zeigt Risse; die zuständige Architektin, ein junge Jüdin namens Diana Reiter, erklärt, dass hier offensichtlich feuchte Ziegel verwendet worden seien, die später in der Kälte aufgefroren wären.

      Hujar meldet das Problem und Göth lässt die Architektin zu sich kommen. Diese legt ihm die Gründe für den Bauschaden dar. Göth hört sich ihre Rechtfertigung ein paar Minuten an und kommt in Rage über dieses jüdische „Geschwätz“ – „Leg sie um, diese Scheißingenieurin!“, brüllt er los und Albert Hujar tut, was ihm befohlen worden ist: Er zerrt die Frau zur Seite, stößt sie vor sich her, zieht seinen Revolver und schießt ihr ins Genick. Jakub Stendig und die anderen Umstehenden sehen mit Grauen, dass Göth nach dem Mord entspannt und bester Dinge wirkt; erstmals werden sie Zeugen seiner seltsamen „Zufriedenheit“ nach Gewalttaten. Den Aufgabenbereich der Ermordeten übernimmt Ingenieur Jakub Stendig, der im Ghetto die Bauabteilung der Jüdischen Gemeinde geleitet hat.

      Alle werden es in der nächsten Zeit in Briefen erfahren, die SS-Freunde in Lublin und auch der Vater in Wien: „Jetzt bin ich endlich mein eigener Kommandeur.“

      

      Ein Bild des Todes und der Verwüstung: die Hauptstraße des Krakauer Ghettos nach der „Liquidierung“ vom 13./​14. März 1943

      Die „Liquidierung“ des Ghettos

      Nur wenige Tage später, am Samstag, dem 13. März 1943, beginnt die „Liquidierung“ des Krakauer Ghettos. Reichskanzler Adolf Hitler besucht an diesem Tag die Heeresgruppe Mitte und entgeht dabei mit schon gewohntem Glück einem Attentat. Der Rechtsanwalt und Militärrichter Oberleutnant Dr. Fabian von Schlabrendorff, zu diesem Zeitpunkt Ordonnanzoffizier Henning von Tresckows, des Stabschefs der 2. Armee, hat zwei als Kognakflaschen getarnte Bomben in das Flugzeug des „Führers“ geschmuggelt; im entscheidenden Moment versagt jedoch die Zündung des Sprengstoffpakets – im Frachtraum des Flugzeugs ist es zu kalt.

      Und Amon Göths alter „Chef“ Odilo Globocnik weitet an diesem Tag seine „unternehmerischen“ Tätigkeiten aus: Er wird Geschäftsführer der „Ostindustrie GmbH“, die zu ihren lukrativen Geschäftsfeldern „Arisierungen“, Vermögenstransfers und die Organisation von Zwangsarbeit zählt. Hausbank des Unternehmens wird die Dresdner Bank, deren Vorstand Prof. Dr. Emil Heinrich Meyer, nebenbei auch SS-Standartenführer, sich glücklich schätzt die Konten der „Osti“ führen zu dürfen. Die Aussiedlung ist organisatorisch gut vorbereitet: Bereits einige Wochen zuvor ist es in einen Teil A und in einen Teil B geteilt worden; zwischen beiden Hälften hat man Stacheldraht gezogen, ein Wechseln in den anderen Teil ist verboten. Das Ghetto A ist Lebensraum der arbeitenden Menschen, das Ghetto B ist für die nicht arbeitenden vorgesehen, also für Alte, Kranke und Kinder. Viele arbeitende Menschen wollen jedoch ihre Familienmitglieder nicht im Stich lassen und wechseln in den B-Teil – eine Entscheidung, die sie in den Tod führt.

      Um 11 Uhr am Vormittag wird von OD-Chef David Gutter ein Befehl Julian Scherners bekannt gemacht: Alle Bewohner von Ghetto A haben sich innerhalb von vier Stunden für die „Übersiedlung“ in das neue Lager Płaszów bereitzuhalten.

      Tadeusz Pankiewicz, der im Ghetto eine Apotheke betreibt, wird Zeuge, wie Göth und seine Männer dann über die Menschen am Zgodyplatz herfallen. In seinen Erinnerungen beschreibt er Göths Erscheinungsbild an diesem Tag: „Er ist ein großer, gut aussehender Mann mit einem mächtigen Körper auf dünnen Beinen, einem gut proportionierten Kopf und blauen Augen. Er trägt einen schwarzen Ledermantel. In einer Hand hält er eine Reitpeitsche, neben ihm sind seine beiden Hunde.“

      Göth und seine Killer sind wie berauscht von der Effizienz, mit der sie ihr Mordgeschäft an diesem Tag betreiben; ja, jetzt zeigen sie den schlappen Krakauern, was sie im Osten bei der Aktion Reinhardt gelernt haben. Estera Schwimmer, eine 36-jährige Jüdin aus Sosnowiec, die bei Julius Madritsch arbeitet, wird Zeugin dieses Blutrauschs: Sie steht in einer Fünferreihe, bereit zum Abmarsch ins Lager nach Płaszów, an der Hand hält sie das zweieinhalbjährige Kind ihrer Schwester, die bereits 1942 ermordet worden ist. Plötzlich taucht Göth vor ihr auf, entreißt ihr das Kind und schmettert es auf den Boden. Estera beginnt zu schreien und will sich um das Kind kümmern, doch Göth tritt sie zurück in die Reihe, die in Richtung Płaszów losmarschieren muss.

      Auch Samuel Stöger und seine Familie geraten an Göth, der aufgebracht die Kolonne umkreist, die an der Węgierskastraße Aufstellung genommen hat. Immer wieder reißt er Müttern die Kinder aus den Händen, schlägt ihnen mit der Reitpeitsche ins Gesicht. Als er der Frau von Samuel Stöger das Kind wegnehmen will und diese sich weigert, muss sie mit dem Kind aus der Kolonne treten und wird von Göth zusammengeschlagen, die Kolonne marschiert inzwischen weiter. Samuel Stöger sieht seine Frau und sein Kind nie wieder. Den ganzen nächsten Tag, es ist Sonntag, wartet er am Lagertor von Płaszów – vergeblich. Statt der Lebenden kommen nur Stöße von nackten Leichen. Er versucht jemanden zu erkennen, kann aber den schrecklichen Anblick der Massakrierten nicht lange ertragen. Als einige Wochen später die Kleider von Ermordeten ins Lager gebracht werden, erkennt Stöger den Mantel seiner Frau und die Kleidung seines Kindes.

      Leon Bittersfeld, der an diesem 13. März 1943 seinen 15. Geburtstag begeht, steht ebenfalls in einer Fünferreihe. Der schmächtige Junge ist Vollwaise; sein Vater Izaak, ein Krakauer Textilhändler, war beruflich gerade in Berlin, als der Krieg ausbrach. Die Nazis verhafteten ihn und brachten ihn nach Dachau, wo er ermordet wurde. Seine Mutter Róza starb 1942 an einer unheilbaren Krankheit, sein älterer Bruder Julek geriet als Soldat der polnischen Armee in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Um größer zu erscheinen, hat sich Leon, der es trotz seiner Jugend in der Kunst des Überlebens schon weit gebracht hat, eine List ausgedacht: Er steht auf einem Stück Holz, das vom langen Mantel, den er trägt, verdeckt wird. Irgendwie scheint Göth die „hochgewachsene“ Gestalt mit dem Milchgesicht jedoch verdächtig. Er kommt daher auf Leon zu und fragt ihn nach seinem Alter. Ohne zu zögern antwortet dieser: „18!“, wobei er sich bemüht seiner Stimme einen tiefen, männlichen Klang zu geben. „Dein Beruf?“, fragt Göth – „Blechschmied!“, sagt Leon und Göth ist zufrieden: Facharbeiter wie diesen jungen Mann wird er in Płaszów gut gebrauchen können. Leon hat nicht ganz gelogen, hat er doch im Ghetto nicht nur Lebensmittel geschmuggelt, sondern bereits im Betrieb des jüdischen Unternehmers Westreich als Blechschmied gearbeitet. Und schon dort erlebte er, zu welchen Brutalitäten die Nazis fähig waren: Sein Chef Westreich wurde von den Nazis ermordet, Leon war Zeuge dieser „Hinrichtung“ und brachte die Leiche Westreichs zum Friedhof.

      Das „Marschgepäck“ für den Transfer ins Lager ist pro Person auf 30 Kilogramm limitiert; alle Schreibutensilien sowie Papier und Bücher sind streng verboten, und wer es wagt, ein Radiogerät mitzunehmen, riskiert den Tod. Sämtliche persönlichen Dokumente wie Reisepässe und Geburtsurkunden, die geeignet sind, die Identität nachzuweisen, werden den angehenden Lagerinsassen abgenommen. In Fünferreihen wird die etwa drei Kilometer lange Strecke nach Płaszów in Angriff genommen.

      Franz-Joseph Müller beobachtet vom Eingang zum Julag I aus das Eintreffen des Zuges: „Endlos war die Marschkolonne. Mütter weinten und drückten noch zum letzten Male ihr Kind an die Brust. Manche waren halb bekleidet, andere im Schlafanzug. Den Schluss bildete ein unvergessliches Bild in mir. [sic] Erst waren es zwei Pferdefuhrwerke, große Pritschenwägen mit Gummirädern. Voll mit Leichen. Dahinter fuhren noch einige kleinere СКАЧАТЬ