Die jüdisch-christlich-islamische Kultur Europas. Wilhelm Kaltenstadler
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Название: Die jüdisch-christlich-islamische Kultur Europas

Автор: Wilhelm Kaltenstadler

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Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783957440730

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СКАЧАТЬ Deutschtümelei, deren „infantilen Extremismus“122 bereits Heinrich Heine verachtete, nahm erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, besonders nach der Gründung des Deutschen Reiches, extreme Ausmaße an und schlug immer mehr in einen rassistisch geprägten Antisemitismus um. In der Zeit zwischen dem Wiener Kongress und der Revolution von 1848 war jedoch das Zusammenleben zwischen Christen und Juden noch nicht so stark vergiftet und in manchen Gegenden Deutschlands noch durchaus erträglich. Es gab allerdings schon vor 1848 Theaterstücke wie „Die Judenschule“ und „Unser Verkehr“ wie auch ‘historische’ Abhandlungen, in denen Juden offen verhöhnt wurden. Im „Judenspiegel“ von 1819 war die Tötung eines Juden keine Sünde und kein Verbrechen, sondern nur ein „Polizeivergehen“.123 Der latente Antijudaismus konnte jedoch bei besonderen Gelegenheiten auch vor 1848 immer wieder wie eine Pest offen ausbrechen. Selbst in einer so weltoffenen und toleranten ‘englischen’ Stadt124 wie Hamburg, in der seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert Juden und Christen – Heinrich Heine bezeichnet die Hamburger Christen als „getaufte Juden“, die Hamburger Juden als „ungetaufte Juden“ – harmonisch zusammen lebten und Geschäfte betrieben, machte in der sog. Juli-Revolution von 1830 „der Pöbel in den Straßen Jagd auf Juden oder warf ihnen die Fenster ein, wenn sie am Abend Licht zu machen wagten. Viele Häuser wurden demoliert.“ Das Haus des in Hamburg höchst beliebten Kaufmanns Salomon Heine, Onkel und Finanzier von Heinrich Heine, am Jungfernstieg „entging gerade noch einem Steinhagel“.125 Solcher Antijudaismus gewann immer mehr Raum in einer Zeit, als sich Juden in allzu leichtfertigem Verzicht auf ihre Tradition allzu schnell an die deutsche Kultur assimilierten. Juden wurden damals verhöhnt, nicht weil sie ihre jüdische Tradition pflegten, sondern weil sie als „sterile[n] Mischlinge aus Deutschtum und Judentum“ (Heine) ihre Tradition vergaßen und die allen Juden gemeinsame Tora verleugneten.126 Tora bedeutet wörtlich die von Gott ausgehende „Weisung“.

      Das in manchen Regionen wie z.B. im katholischen Rheinland noch sehr harmonische Zusammenleben von Christen und Juden im sog. Vormärz äußerte sich auch im Bildungswesen. Am Düsseldorfer Lyzeum hatte z.B. Heinrich Heine (1797-1856) „viele katholische Priester, unter ihnen auch einige Jesuiten“127 als Lehrer. Hier legte Heinrich Heine den Grundstock für seine spätere Einstellung zum Katholizismus:

      „Ich habe eigentlich immer eine Vorliebe für den Katholizismus gehabt, die aus meiner Jugend herstammt und mir durch die Liebenswürdigkeit katholischer Geistlicher eingeflößt ist.“

      Das Verhältnis von Harry Heine und seiner Familie zum Katholizismus nahm in Düsseldorf sogar groteske Züge an. Die Familie von Heinrich Heine wohnte in Düsseldorf in einem Haus, dessen Bewohner nach altem Herkommen bei Prozessionen einen katholischen Altar vor dem Haus zu errichten und zu schmücken hatten. Vater Samson Heine „setzte seinen Stolz darein, diesen Altar so kostbar wie möglich zu machen; und der junge Harry wirkte freudig mit“128. Dort nahm er die „katholische Humanität“ als wichtigen Bestandteil seines Lebens in sich auf. Aus der Sicht der von ihm in Düsseldorf genossenen katholischen Erziehung waren für ihn „Freisinnigkeit und Katholizismus“129 keine Gegensätze. Sein offenes Bekenntnis zum Judentum war für den offiziell zum Protestantismus konvertierten Heine kein Hindernis, sich in der Kirche St. Sulpice in Paris mit seiner Crescentia Mathilde, geb. Mirat, katholisch trauen zu lassen.130 Sie konnte bei ihm ungehindert ihren Glauben praktizieren. Seine Liebe zur katholischen Mathilde war, wie es bei König Salomo heißt, „stark wie der Tod.“ Es gibt also nicht nur eine christliche Toleranz den Juden, sondern auch eine jüdische Toleranz Christen gegenüber. Heinrich Heine und seine Liebe zur katholischen Mathilde ist nur ein Beispiel unter vielen.

      Die in diesem Kapitel dargestellten positiven Beispiele christlicher und jüdischer Toleranz dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Antijudaismus und -semitismus diese positiven Ansätze einer jüdisch-christlichen Symbiose immer wieder und im 19. und 20. Jahrhundert in wachsendem Maße in den Schatten stellten.

       Christen und Moslems –Toleranz der Konfessionen?

      Das vorchristlich-archaisch-orientalische Fundament von Christentum und Islam wird allerdings sehr deutlich in der wohl keltisch geprägten Parzivalsgeschichte des Dichters Wolfram von Eschenbach gelegt. Wolfram, vor 1200 geboren, nach 1217 gestorben und in der Deutschordenspfarrkirche von Wolframs-Eschenbach begraben (durch verschiedene Umbaumaßnahmen seit dem 17. Jahrhundert soll sein Grab verloren gegangen sein), stammt aus einer leider nur bis ins 16. Jahrhundert nachweisbaren Ministerialenfamilie. Die exakten geographischen Beschreibungen französischer Orte in seinen drei Epen Willehalm (blieb ein Fragment), Titurel und Parsifal erwecken den Eindruck, als ob er in den fränkischen Landen, deren Hauptteil ja damals Frankreich ausmachte, viel herumgekommen und dabei auch persönlich mit Moslems in Kontakt gekommen ist. Vielleicht hat der 1190 in Palästina gegründete Deutsche Ritterorden, der durch die Schenkung der Kirche „mit allen Pertinenzien“ durch Graf Boppo II. von Wertheim um 1212/1220 erstmals in Eschenbach Fuß fasste, seine Epen angeregt und sein dichterisches Schaffen unterstützt.131 Natürlich ist auch eine Unterstützung des Dichters durch den Templerorden, welcher in besonderem Maße ein westfränkischer Orden war, nicht auszuschließen. Nachweise dafür haben sich weder für die Deutschordensherren noch für die Templer erhalten.

      Der fränkische Minnesänger schildert in seinem Epos „Willehalm“ auch die Auseinandersetzung zwischen den Franken und anderen Völkern, zu denen auch die iberischen Moslems gehören. Der Kampf zwischen den beiden feindlichen Brüdern Parzival und Feirefiz, der erste ein Christ, der zweite ein Moslem, steht modellhaft für die Rivalität von Christen und Muslimen im Mittelalter. Feirefiz Mutter war eine „schwarze Königin“ in Nordafrika. Parzival und Feirefiz waren die Söhne des Gahmurets von Anjou. Vorfahre von Gahmuret und Stammvater des Hauses Anjou soll ein gewisser Mazaran sein, ein semitischer Name. Noch heute ist Mazaran ein Vorort von Algier, der Hauptstadt von Algerien, Mazar eine größere Stadt in Afghanistan.

       Abb. 5: Fotografie der Altstadt von Wolframs-Eschenbach durch Hermine Kaltenstadler am 12.10.2008, im Hintergrund die Pfarrkirche

      Gahmurets beide Söhne hatten aber verschiedene Mütter und wuchsen nicht gemeinsam auf. Gahmuret stand in den Diensten des moslemischen Kalifen von Bagdad, im Kampf für seinen Freund und Kriegsherrn fand er auch von der Hand eines Sarazenen den Tod.132

      Die erste Begegnung zwischen Parzival und Feirefiz erfolgte im Kampf und war eine feindliche. Dieses Aufeinandertreffen der beiden Halbbrüder kann ebenso wenig wie der Dienst eines christlichen Ritters für einen moslemischen Kriegsherrn ein bloßes Produkt der dichterischen Phantasie sein. Auch wenn die von Wolfram geschilderten Details Ausschmückungen des Dichters sein mögen, deuten diese Episoden darauf hin, dass es auch außerhalb des moslemischen Spaniens nicht nur feindliche Kontakte zwischen Moslems und Christen gegeben hat.133 Die Ehe zwischen dem Christen Willehalm und der hochgebildeten Arabel beweist das.134 Für die Figur des Willehalm bei Wolfram v. Eschenbach hat wohl der heilige Wilhelm, ein Graf von Toulouse (+ 812), Modell gestanden. Wilhelm der Heilige „war ein Verwandter Karls des Großen und eroberte das muslimische Barcelona, das zum Hauptort der spanischen Mark des Frankenreiches wurde.“135 Wilhelm von Aquitanien, wie er offiziell hieß, zog sich 806 in ein Kloster zurück und soll im Jahre 1066 offiziell heiliggesprochen worden sein. Karl der Große wurde dagegen wie viele andere ‘Heilige’, z.B. die „Heiligen Dreikönige“, nie heilig gesprochen.136

      Der Wolfram’sche Willehalm, der „christliche Protagonist“, lernte Arabel als Kriegsgefangener in dem Lande „Arabi“ kennen, wo sie bereits mit dem heidnischen König Tybalt (der Name klingt eher germanisch) verheiratet war. Über die Liebe zu Willehalm findet sie den Weg zum Christentum und nimmt in der Taufe den Namen „Gyburc“ an:

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