Название: Die jüdisch-christlich-islamische Kultur Europas
Автор: Wilhelm Kaltenstadler
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783957440730
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Zu dieser einseitigen Interpretation der politischen Realität kommt noch hinzu, dass die attische Demokratie nur einem relativ kleinen Teil der Bevölkerung, welche Steuern zahlten, vorbehalten war. Ausgeschlossen waren alle Frauen, die meist nicht griechischen Periöken, Freigelassene und Sklaven. Ich erinnere weiterhin auch an die leichte Verführbarkeit der Athener durch Demagogen aller Art, z.B. in den sog. Scherbengerichten (ostrakismoí) und beim sizilianischen Abenteuer des Alkibiades. Auch Martin Freksa kommt in seinem Buch „Genesis Europas“ an mehreren Stellen zu der Erkenntnis, dass selbst „zu der Zeit, als Perikles auf der Höhe seiner Macht stand, Attika nur dem Namen nach eine Demokratie war.“243 Sie war eine „bloße Fassade“.244 Das Bürgerrechtsgesetz von 451 v. Chr., auch als „Bastardgesetz“ betitelt, wurde „im Zusammenhang mit einer wirklichen oder angeblichen Überfremdung Attikas“245 beschlossen. Bestimmungen dieses Gesetzes, dass z.B. „Kinder, deren Mutter nicht aus Attika stammt, als Ausländer gelten“246, sind weder ein Ausdruck von Toleranz gegenüber ‘Fremden’ noch ein Argument für die angeblich so hochentwickelte attische Demokratie.
Wie wenig die Athener demokratische Prinzipien auch anderen Städten und Staaten gegenüber anwandten, zeigt ja nicht nur der Überfall auf Syrakus, sondern auch die von jeglicher demokratischen Ethik losgelöste Behandlung der peloponnesischen Melier, wie diese Thukydides in seinem berühmten Melierdialog problematisiert hat. Den attischen Demokraten galt bei der Behandlung der Melier Macht vor Recht. Demokratie hatte in der attischen Außenpolitik keinen Platz. Daraus wird aber auch ersichtlich, dass die heute immer wieder als Vorbild gepriesene attische Demokratie völlig losgelöst war von rechtsstaatlichen Prinzipien sowohl nach innen als auch nach außen. Nach modernem Demokratieverständnis ist jedoch Demokratie ohne Rechtsstaatlichkeit undenkbar.
Die hier geschilderten Fälle mahnen zu einem kritischeren Umgang mit den literarischen Quellen und den affirmativen Historikern, die uns diese vorsetzen. Sie lassen es aber auch durchaus realistisch erscheinen, dass Dichter wie Aristophanes historische Sachverhalte und Ereignisse objektiver darstellen als die politisch gesinnten Autoren, falls nicht die einen wie die anderen in der frühen Neuzeit frei erfunden sein sollten.
Es ist ein großes Verdienst von Morosov, auch Sachquellen in seine kritischen Betrachtungen der griechischen Antike einbezogen zu haben. Er verweist dabei auf Abbildungen, die bis heute von der althistorischen Geschichtsforschung als antik eingestuft werden. Die von ihm ausgewählten Bilder (Anhang II) zeigen in erstaunlicher Weise typisch christliche Symbole, wie sie im Mittelalter und in der Neuzeit immer wieder vorkommen. Aus der Fülle der von ihm gebrachten Beispiele möchte ich nur auf den angeblich mesopotamischen assyro–babylonischen König Ashur– Nazareh–Khabal, der angeblich gegen 930 vor u. Z. gelebt haben soll, verweisen. Doch dieser vermeintlich in der Antike lebende König hat ein christliches Kreuz auf seiner Brust und schaut unverkennbar wie ein orthodoxer Eparch des Mittelalters aus.
Aus der Tatsache dieser äußerst problematischen und vielfach dubiosen Überlieferung der klassischen Autoren und Sachquellen der Antike und ihrer vielfach zweifelhaften Zuordnung kann man den Schluss ziehen, dass das uns überlieferte Bild der Antike weitgehend nicht der bisher herrschenden Lehre entspricht. Das Bild, das wir heute von der Antike, vor allem der griechischen Klassik, haben, ist unvollkommen, unvollständig und verfälscht, da ja viele antike Autoren verloren gegangen, die erhaltenen durch permanentes Abschreiben fehlerhaft sind und manche Autoren auch erfunden sein können.
Auch bei unverfälscht und korrekt überlieferten Quellen der Antike gab es die Möglichkeit, geschichtliche Ereignisse und Sachverhalte tendenziell darzustellen und ideologisch zu verzerren. In diesem Sinne regte sich in der späten römischen Kaiserzeit ab dem 4. Jahrhundert der „Geist der Lüge“ in der „offiziellen Schriftstellerei“, auch bei den christlichen Autoren. Dieser beherrschte in besonderem Maße die Kirche im 5. und 6. Jahrhundert. Der bekannte deutsche evangelische Theologe Adolf von Harnack charakterisiert diese Entwicklung mit dem lapidaren Satz:
„In diesen Jahrhunderten hat keiner mehr irgendeiner schriftlichen Urkunde, einem Aktenstück oder Protokoll getraut.“247
Um ein komplettes Bild der Antike zu erhalten, ist es daher unbedingt erforderlich, das gesamte Quellenmaterial, das uns aus der Antike geblieben ist, heranzuziehen und im Sinne der von Herbert Hunger getätigten kritischen Analyse neu auszuwerten und zu bewerten. Auch die lange Zeit verfemten Forschungen von Wilhelm Kammeier248 wären es wert, von der konventionellen Forschung ernster als bisher genommen und kritischer analysiert zu werden.
Die reiche archäologische Hinterlassenschaft großer antiker Städte wie Alexandria, Ephesus, Konstantinopel bleibt bei vielen Antike-Kritikern völlig ausgeklammert. Auch die lateinischen Inschriften, vor allem die 16 Bände des ab 1863 herausgegebenen Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL)249 wie auch die Supplemente zum CIL, die Zwölftafelgesetze und die sich daraus ergebende Rechtsentwicklung, die großen Rechtseditionen des Codex Theodosianus250 und des Corpus Iuris251 wie auch die reichen Papyruseditionen, z.B. von Petrie, und nicht zuletzt die etruskischen Relikte252 müssten im Sinne der Thesen von Davidson, Landau und anderen, in Verbindung mit der konventionellen Geschichtsmethodik, systematisch ausgewertet werden. Das ist eine Arbeit, welche die Kräfte eines einzelnen Forschers bei weitem übersteigt, aber nach wie vor ein Desideratum einer kritischen historischen Forschung sein sollte. Eine solche umfassende Forschung könnte sicher auch neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Juden- und Christentums auf Europa bringen. Zumindest könnte eine systematische zielorientierte Quellenanalyse aller antiken Quellen mehr Licht in den römischen-katholischen Kulturtransfer und dessen Auswirkungen auf Europa bringen.
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