Es ist kompliziert. Rachel Held Evans
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Название: Es ist kompliziert

Автор: Rachel Held Evans

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783865069146

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      Tod und Auferstehung. Das ist die Unmöglichkeit, um die herum alle anderen Unmöglichkeiten des christlichen Glaubens kreisen. Die Taufe erklärt, dass es Gottes Sache ist, Totes wieder lebendig zu machen. Wenn du also in Gottes Angelegenheiten unterwegs sein willst, stell dich besser darauf ein, Gott bis in die hinterletzten Ecken dieser Welt zu folgen, in die verkrusteten, wo die Erde verbrannt und man selbst bei der Ankunft schon tot ist – auch in die Ecken deines eigenen Herzens –, weil Gott genau dort arbeitet, weil er genau dort gärtnert. Die Taufe erinnert uns daran, dass es keine Leiter gibt, auf der man Richtung Heiligkeit klettern kann, keinen Selbstverbesserungsplan, dem man einfach nur folgen muss. Es gibt nur Tod und Auferstehung, wieder und immer wieder, Tag für Tag, während Gott in unsere tiefsten Gräber hineingreift und uns unserem Stolz, unserer Gleichgültigkeit, unserer Angst, unseren Vorurteilen, unserer Wut, unseren Verletzungen und unserer Verzweiflung abringt mit derselben Kraft, die Jesus von den Toten auferweckte. An den allermeisten Tagen weiß ich nicht, was ich schwerer glauben kann: dass Gott die Gehirnfunktionen eines Mannes, der bereits drei Tage lang tot war, reanimiert hat oder dass Gott all die schönen Dinge, die wir getötet haben, wieder ins Leben zurückholen kann. Beides scheint mir ziemlich unwahrscheinlich.

      Dieser Tage haben alle so ihre Meinung, warum Menschen die Kirche verlassen. Manche wollen das Problem lösen, indem sie das Christentum gefälliger machen – du weißt schon, den ganzen seltsamen, mystischen Kram von wegen Sünde, Dämonen und Tod und Auferstehung weglassen und durch Selbsthilfebücher, Politik, theologische Systeme oder hippe Kaffeebars ersetzen. Aber manchmal glaube ich, was die Kirche am meisten braucht, ist die Wiederentdeckung ihrer seltsamen Seiten. Es hat wenig Sinn, sie einer Typberatung zu unterziehen, wenn sie immer das seltsame, ungelenke Mädchen sein wird, das nur aufgrund einer Wette zum Abschlussball eingeladen wird.

      Beim Taufritual spielten unsere Vorfahren die bizarre Wahrheit der christlichen Identität durch: Wir sind Menschen, die ganz und gar entblößt vor dem Bösen und dem Tod stehen und diesen erklären, dass sie der Liebe gegenüber machtlos sind.

      Nichts daran ist normal.

      VIER

      Chubby Bunny

       Es muss wunderbar sein, 17 zu sein und alles zu wissen.

      – Arthur C. Clarke

      Am Tag nach dem Amoklauf auf der Columbine Highschool bin ich zur Schule gegangen, obwohl die meisten meiner Klassenkameraden zu Hause blieben.

      „Es ist die perfekte Gelegenheit, Zeugnis abzulegen“, sagte ich meiner Mutter auf dem Weg zum Bus, schon halb aus der Tür. „Alle haben Angst.“

      Die Rhea County Highschool in Dayton, Tennessee, ist genau 2121 Kilometer von der Columbine Highschool entfernt, wo tags zuvor, am 20. April 1999, Eric Harris und Dylan Klebold zwei Sturmgewehre, 99 Sprengkörper und zwei Schrotflinten unter ihren schwarzen Trenchcoats hervorzogen, um ein Dutzend ihrer Mitschüler und einen Lehrer umzubringen, bevor sie sich selbst töteten. Ich hatte in den Nachrichten gehört, manche der Opfer seien gefragt worden, ob sie an Gott glaubten. Während also das erste bläuliche Morgenlicht durchs Busfenster fiel, betete ich, Gott möge mir im Falle eines befürchteten Trittbrettfahrerszenarios, das an jenem Morgen so vielen Eltern, Schülern und Lehrern Sorgen machte, die Stärke verleihen, zu meinem Glauben zu stehen.

      Als Oberstufenschülerin und Präsidentin des Bibelclubs hielt ich es für meine Pflicht, die Erweckungsbewegung anzuführen, die von der Tragödie unter den Schülerinnen und Schülern der Highschools im ganzen Land ausgelöst werden würde, wie ich ganz sicher glaubte. Ich bereitete mich innerlich auf eine Erweckung vor, seitdem wir zwei Jahre nach meiner Taufe nach Tennessee gezogen waren. Ein Plan, der jedoch nicht unwesentlich von der Tatsache erschwert wurde, dass sich beinahe jeder in Dayton ohnehin schon als Christ bezeichnete (immerhin war die Stadt Schauplatz des berühmten Scopes-Affenprozesses, bei dem ein 1925 verabschiedetes Gesetz angewandt wurde, welches verbot, Theorien zu lehren, die der biblischen Schöpfungslehre widersprechen). Vor jedem Footballspiel wurde gebetet, auf jeder Messehalle prangten Bibelverse. McDonald’s und Hardee’s veranstalteten jeden zweiten Donnerstag ein Gospelliedersingen für die etwas reiferen Mitbürger, und später wurde auf dem Rasen des Gerichtsgebäudes eine Bronzestatue von William Jennings Bryan, einem legendären Verteidiger des Fundamentalismus, aufgestellt. Bei „See you at the Pole“, einer jährlich stattfindenden Veranstaltung am Flaggenmast der Schule, bei der wir vor Schulbeginn beteten, in der Bibel lasen und sangen, mussten wir zwei große Kreise bilden, weil so viele kamen, um sich zu Jesus zu bekennen. Die Erweckung war lange vor mir im Tennessee Valley angekommen und hatte sich dort niedergelassen wie ein Nebel.

      Dennoch war ich jeden Tag, wenn ich zur Schule ging, wildentschlossen, die Christen dort zu evangelikalen Christen zu machen und sie für Gott in Brand zu stecken. Morgens brachte ich mich mit Musik von DC Talk und Audio Adrenaline in Stimmung. Ich schrieb „Gott ist wunderbar“ mit Edding auf rotes Klebeband und klebte es wie einen Autoaufkleber auf meinen JanSport-Rucksack. Ich war immer auf der Suche nach Möglichkeiten, Gespräche über Freitagsfootballspiele in Diskussionen über den Sühnetod Christi umzulenken. Mit meinem Laborpartner debattierte ich über die Evolution. Und am Tag nach dem Amoklauf in Columbine fand ich mich im Wettstreit mit Julie Andrews und den anderen Darstellern von „Meine Lieder – meine Träume“ wieder (ich hätte wissen müssen, dass wir den ganzen Tag nur Filme schauen würden), als ich der Cheerleaderin zwei Plätze vor mir zuzischte: „Weißt du, wo du die Ewigkeit verbringen wirst, wenn du heute sterben würdest?“ Wäre ich nicht so ganz und gar aufrichtig, so wahrhaftig dem ewigen Wohlergehen meiner Mitmenschen hingegeben gewesen, ich hätte den Blick verdient gehabt, den sie mir zuwarf. Aber größtenteils waren meine Klassenkameraden geduldig mit mir, sogar freundlich. Ein paar von ihnen, vor allem Jungs, von denen ich inzwischen annehme, dass sie hauptsächlich wegen meiner „Stolpersteine“ an mir interessiert waren, taten mir den Gefallen und kreuzten zwischen den Schulstunden an meinem Spind auf, um sich mit mir über die Vorteile des Glaubens zu unterhalten – und darüber, ob ich vorhatte, zum Schulball am Samstagabend zu kommen. Es gab genau zwei bekennende Atheisten in meiner Abschlussklasse, und ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass ich einen von ihnen zum Glauben geführt habe.

      Na ja, ich habe einen von ihnen zur Jugendgruppe mitgebracht, Brian Ward hat ihn dann zum Glauben geführt. Brian Ward war Jugendpfarrer und so beliebt, dass Teenager aus dem ganzen Umkreis am Mittwochabend zu „The Planet“ in die Grace Bible Church kamen, um auf dem Boden zu sitzen und ihm zuzuhören, wie er Gitarre spielte und von Jesus erzählte. Brian reagierte allergisch auf Christinesisch, deshalb kam es ihm nie in den Sinn, von seinem „Weg mit dem Herrn“ zu sprechen oder warum er sich „berufen fühlte“, dies oder jenes zu tun, weil ihm etwas „aufs Herz gelegt“ wurde. Brian war ein Fan der Georgia Bulldogs, hatte einen schweren Atlanta-Akzent, trug ausgeblichene Baseballmützen und T-Shirts, sang wie Eddie Vedder, und hin und wieder rutschte ihm ein Schimpfwort heraus. Wir nahmen an, dass er häufig mit unseren Eltern aneinandergeriet, was seine geheimnisvolle Ausstrahlung nur verstärkte. Wenn wir Brian wegen seines lichter werdenden Haares neckten, erinnerte er uns an die merkwürdige Geschichte in der Bibel, in der Gott zwei Bärinnen schickte, um 42 Kinder zu zerreißen, die den Propheten Elisa wegen seiner Kahlköpfigkeit verspottet hatten. „Zwei Bärinnen“, sagte er. „Steht in der Bibel. Schaut ruhig nach.“

      Es war Brians Idee, unsere Treffen am Mittwochabend „The Planet“ zu nennen und sie aus dem Gemeindegebäude in ein Ladenlokal in der Innenstadt zu verlegen, damit wir nicht das Gefühl hatten, wir würden zur Kirche gehen. Es war seine Idee, die Schüler in die Leitung, in die Band und in wichtige Entscheidungen, die die Zukunft der Gruppe betrafen, miteinzubeziehen. Er sah die gleichen Fernsehsendungen wie wir und lachte an den gleichen Stellen. Seine Frau, Carrie, war hübsch, süß und vernünftig, und ich kannte ihr kleines Haus am Fluss so gut wie das СКАЧАТЬ