Es ist kompliziert. Rachel Held Evans
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Название: Es ist kompliziert

Автор: Rachel Held Evans

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783865069146

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СКАЧАТЬ öffneten“ (1. Mose 7,11). Der Gott, der am Anfang die Wasser geteilt hatte, wollte neu anfangen, also spülte Gott die Welt weg.

      Für Menschen, deren Überleben von den unergründlichen Launen des Tigris, Euphrats und Nils abhing, stellte Wasser sowohl Leben als auch Tod dar. In Ozeanen wimmelte es nur so von Monstern, renitenten Geistern und riesigen Fischen, die einen Mann am Stück verschlucken konnten. Die Flüsse waren randvoll mit wankelmütigen Möglichkeiten – sie konnten reiche Ernte bringen, den Handel vorantreiben oder austrocknen. In diese Welt hinein sprach Gott die Sprache des Wassers, verwandelte die Flüsse der Feinde in Blut, rief Quellen aus Felsen in der Wüste hervor, spielte Kuppler an Brunnen und verhieß eine Zukunft, in der das Recht strömen soll wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Und die Menschen erwiderten sein Reden, indem sie nach Geburt, Geschlechtsverkehr, Menstruation, Opfern, Konflikten und Fehltritten die Reinheit von Körper und Geist in rituellen Bädern suchten. „Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein“, schreibt der König-Dichter David, „wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee“ (Psalm 51,9).

      Es ist naiv, anzunehmen, all diese uralten Visionen müssten wörtlich verstanden werden, um wahr zu sein. Wir wissen, wie unsere Vorfahren auch, um die Gefahr und die Notwendigkeit des Wassers. Wasser lässt uns im Mutterleib gedeihen, wo unser geistähnliches Gewebe das Fruchtwasser in sich aufnimmt und wieder ausscheidet, das unsere Lungen und Knochen und Gehirne wachsen lässt. Wasser strömt durch unseren Körper und macht unseren Planeten blau. Wasser wirbelt bei einem Tsunami Autos herum wie Blätter, Wasser, das in einem Augenblick ein Schiff verschlucken und über Äonen hinweg einen Canyon aushöhlen kann, Wasser, nach dem wir mit milliardenschwerem Gerät auf dem Mars suchen wie Affen nach Läusen, Wasser, das wir im Namen Gottes auf kahle Babyköpfe träufeln, Wasser, mit dem wir foltern und weinen, Wasser, das die unsichtbaren Krankheiten verbreitet, an denen auch heute wieder viertausend Kinder sterben werden, Wasser, das, wenn es nur ein paar Grad wärmer wird, die Erde überfluten und uns alle wegwaschen wird.

      Aber so wie Wasser Moses auf dem Nil seinem Schicksal entgegentrug, so trug das Wasser auch ein anderes Baby aus dem Körper seiner Mutter heraus in eine erwartungsvolle Welt. Jetzt in Fleisch gekleidet, wurde der Gott, der einst über den Wassern schwebte, von den Händen eines unbändigen Predigers aus der Wildnis in ebenjene Wasser untergetaucht. Als Gott wieder auftauchte, sprach er von lebendigem Wasser, das den Durst für immer stillt, und davon, wiedergeboren zu werden. Er ging fischen und wusch die Füße seiner Freunde. Er berührte die, die kultisch unrein waren. Er spuckte in den Staub, schickte Dämonen in den Ozean und spazierte über ein aufgewühltes Meer. Er hatte Durst, und er weinte.

      Nachdem die Regierung sich ihn von den Händen gewaschen hatte, hing Gott am Kreuz, wo Blut und Wasser aus seiner Seite flossen. Wie Jona wurde er für drei Tage verschluckt.

      Dann besiegte Gott den Tod. Gott stieg aus den Tiefen empor und atmete wieder. Als er seine Freunde am Ufer traf, sagte er ihnen, sie sollten sich nicht fürchten, sondern hinausgehen und alle Welt taufen.

      Der Geist, der einst über den Wassern schwebte, hat sie bewohnt. Jetzt ist jeder Tropfen heilig.

      ZWEI

      Glaubenstaufe

       Alles Wasser hat ein perfektes Gedächtnis und versucht

       immer wieder dorthin zurückzukehren, wo es war.

      Toni Morrison

      Ich wurde von meinem Vater getauft. Seine Gegenwart neben mir in dem hüfthohen Wasser des Taufbeckens war nur einer von vielen Vorteilen, die es mit sich brachte, wenn man einen Vater hat, der zwar ordiniert ist, aber kein Pastor und der so an meinem geistlichen Leben teilhaben kann, ohne es zu ruinieren. Die Erwartungen an die Tochter eines Bibelschullehrers sind viel geringer als an eine Pastorentochter, das kann ich euch sagen. Meistens ging es darum, dass mir in der Sonntagsschule freundlich angedeutet wurde, ich könnte doch ein paar meiner vielen Fragen an die eine Person in meinem Leben richten, die Althebräisch spricht und mir beim Frühstück bestimmt genau erklären könne, wie Gott es fertiggebracht hat, das Licht vor der Sonne zu erschaffen.

      Deshalb glaubte ich meinem Vater meistenteils, wenn er mir versicherte, ich würde nicht in die Hölle kommen, wenn ich mit meiner Taufe wartete, bis ich beinahe 13 war. Meistenteils. Ich wusste, dass ich die Grenzen des „zurechnungsfähigen Alters“ strapazierte, also den Punkt, an dem Kinder nicht mehr gratis bei O’Charley’s essen dürfen oder in Abhängigkeit von der Rechtschaffenheit ihrer Eltern in den Himmel kommen, und ich wusste, dass manche Christen glauben, man müsse getauft sein, um errettet zu werden. Ein Klassenkamerad in der fünften Klasse hatte mir eine rasante Einführung in die Welt der unterschiedlichen Denominationen beschert. Man hatte mich darüber informiert, dass ich, obwohl ich Jesus schon im Kindergarten in mein Herz eingeladen hatte, trotzdem den Deal besiegeln und mich zügig taufen lassen müsste, bevor ein Autounfall oder ein Absturz von der großen Rutsche mich geradewegs zum Teufel befördern könnte.

      „Mein Pastor sagt, man muss erst mit Wasser getauft werden, bevor man vom Heiligen Geist getauft werden kann“, erklärte mir der Junge wie ein Allgemeinmediziner, der einen zum Spezialisten verweist. Ein Allgemeinmediziner, der gerade am Klettergerüst hangelte, wohlgemerkt. „Du solltest dich wohl besser darum kümmern.“

      „Na und? Mein Papa war auf dem theologischen Seminar, und er sagt, man muss nicht getauft sein, um in den Himmel zu kommen“, feuerte ich zurück.

      (Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich eine christliche Grundschule besuchte, wo Sprüche wie „Die Hermeneutik von meinem Papa ist viel toller als wie die von deinem Papa“ anerkannter Schulhofschnack waren.)

      Viele Kinder auf der Parkway Christian Academy gingen in die Pfingstgemeinde auf der anderen Straßenseite. Wenn nach Gebetsanliegen gefragt wurde, erzählten sie himmlische Geschichten von Dämonen, die sich nachts in ihre Kinderzimmer schlichen und das Licht anknipsten oder die Klospülung betätigten. Sie nahmen geistliche Kampfführung außerordentlich ernst und betrachteten meine Familie als sehr liberal, weil wir am Feiertag Satans Süßes oder Saures sammeln gingen. Mein Vater sagte, Dämonen seien in der Versuchungsbranche unterwegs und nicht in der Klospülliga. Aber seine Versicherungen hielten mich nicht davon ab, an manchen Abenden zitternd unter meiner Bettdecke zu liegen, wo ich mich nicht traute, die Augen zu öffnen und mich der zähen Präsenz zu stellen, die ich spüren konnte und von der ich wusste: Das muss einfach ein gefallener Engel sein, der nur darauf wartet, sich eines kleinen Mädchens zu bemächtigen, das an Halloween nach Süßigkeiten gefragt und sich nicht rechtzeitig um seine Taufe gekümmert hat. Als ich langsam in das zurechnungsfähige Alter kam, hatte ich ausreichend unterschiedliche Lehrmeinungen innerhalb der Kirche mitbekommen, sodass ich auf Nummer sicher gehen wollte. Deshalb arbeitete ich immer mehr Fragen in unsere theologischen Debatten am Abendbrottisch ein, in der Hoffnung, meine Eltern mochten einen Termin mit dem Pastor vereinbaren. Als ich erfuhr, dass manche Kinder getauft werden, bevor sie ihren ersten Zahn bekommen, war ich unglaublich neidisch.

      Unsere Gemeinde glaubte an die Bibel, also praktizierten wir die Taufe durch Untertauchen. Glaubenstaufe nannten wir das. Hätten wir im 16. Jahrhundert in der Schweiz gelebt, wären wir für diese Überzeugung umgebracht, symbolisch ertränkt oder vielleicht auch verbrannt worden von anderen Protestanten, die die „Wiedertaufe“ der radikalen Reformer als Ketzerei betrachteten (Fun Fact: In den auf die Reformation folgenden Jahrzehnten wurden mehr Christen von anderen Christen in den Märtyrertod geschickt als im Römischen Reich6). Wäre ich in eine orthodoxe Familie hineingeboren worden, hätte man mich als Kleinkind dreimal nacheinander untergetaucht – erst im Namen des Vaters, dann im Namen des Sohnes und dann noch einmal im Namen des Heiligen Geistes –, bevor man mich, verwirrt und spuckend, in die Arme eines СКАЧАТЬ