Название: Es ist kompliziert
Автор: Rachel Held Evans
Издательство: Автор
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783865069146
isbn:
Ich wollte meine Geschichte nicht gedruckt sehen, weil ich ehrlich gesagt den Schluss immer noch nicht kenne. Ich bin immer noch in den Entwicklungsjahren meines Glaubens. Da sind zugeknallte Türen und verdrehte Augen und trotzige Ansagen von wegen „Ich hasse dich!“, die ich jeder Person oder Organisation vor den Latz geknallt habe, die die institutionelle Kirche repräsentiert. Ich bin wütend und launisch, hoffnungsvoll und naiv. Ich versuche, meinen eigenen Weg zu gehen, aber ich habe noch nicht herausgefunden, wie das geht, ohne den alten zu verdammen, ohne ihn in Grund und Boden zu brüllen, meine Unabhängigkeit zu erklären und dann so schnell ich kann in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Bücher über Kirchen und Gemeinden werden von Leuten mit einem Plan mit zehn Schritten und so geschrieben, nicht von Christen, die sich mit den Fingernägeln an der Kante über dem Abgrund festhalten.
Und dennoch schreibe ich. Ich schreibe, weil ich den Verdacht habe, dass ich, der ungelenke Teenager auf dem Bild im Jahrbuch, trotzdem etwas über die Welt zu sagen habe und eine Art Hoffnung bieten kann, und wenn es nichts anderes ist als ein paar hundert Seiten „geht mir genauso“. Ich schreibe, weil wir manchmal in unserer Verletzlichkeit näher an der Wahrheit sind als in unseren sicheren Sicherheiten und weil ich trotz all meiner Zweifel und Unsicherheit, trotz meines beständigen Drangs, am Sonntagmorgen einfach auszuschlafen, die ersten flüchtigen Lichtbänder der Dämmerung gesehen habe, die durch mein Schlafzimmerfenster gedrungen sind, und weil da so ein schwaches, hoffnungsvolles Leuchten am Horizont ist. Selbst wenn ich nicht an die Kirche glauben kann, glaube ich doch an die Auferstehung. Ich glaube an die Hoffnung des Sonntagmorgens.
Es schien passend, das Buch um die Sakramente zu gliedern, weil es die Sakramente waren, die mich wieder in die Kirche zurückgeholt haben, nachdem ich längst aufgegeben hatte. Als mein Glaube zu wenig mehr als einer abstrakten Größe zusammengeschrumpft war, zu einer Reihe Behauptungen, die man bestätigen oder ablehnen kann, lud mich der greifbare, spürbare Charakter der Sakramente dazu ein, Gott wieder in den alltäglichen Dingen zu berühren, zu riechen, zu schmecken, zu hören und zu sehen. Diese haben Gott aus meinem Kopf geholt und in meine Hände gelegt. Sie haben mich daran erinnert, dass der christliche Glaube eben nicht nur geglaubt werden will; er will auch gelebt, geteilt, gegessen, ausgesprochen und ausgeübt werden, und zwar in der Gegenwart anderer Menschen. Die Sakramente haben mich daran erinnert, dass ich nicht für mich alleine Christ sein kann, und wenn ich es noch so sehr versuche. Ich brauche eine Gemeinschaft. Ich brauche die Kirche.
Um es mit Barbara Brown Taylor zu sagen: „In Zeiten des Informationsüberflusses … ist das Letzte, das wir brauchen, mehr Information über Gott. Wir brauchen die Praxis der Auferstehung, durch die Gott die Leben derer rettet, die durch ihre intellektuelle Zustimmung staubtrocken geworden sind, deren Vorrat an Brot des Lebens erschreckend klein ist. Sie wollen um jeden Preis mehr Gott erfahren. Nicht mehr über Gott. Mehr Gott.“5
Deshalb erzähle ich euch meine Geschichte in sieben Abschnitten, durch die Bildsprache der Taufe, der Beichte, des Sakraments der Weihe, des Abendmahls, der Konfirmation, der Krankensalbung und der Ehe. Das sind die sieben Sakramente, die die römisch-katholische Kirche und die orthodoxe Kirche kennen, aber man braucht sie nicht als die einzigen Sakramente der Kirche zu betrachten. Ich könnte auch leicht über das Sakrament des Pilgerns, das Sakrament der Fußwaschung, das Sakrament des Wortes, das Sakrament des Hähnchenauflaufs oder über eine beliebig lange Liste weiterer äußerlicher Zeichen für innere Gnade schreiben. Wenn ich diese sieben Sakramente nutze, geht es mir nicht um ein theologisches oder ekklesiologisches Ziel, sondern um ein sehr literarisches. Sie sind die Heringe, die mein kleines Zelt, mein kleines Heiligtum von einer Geschichte am Boden halten. Ich habe sie ausgesucht, weil sie eine gewisse Allgemeingültigkeit beinhalten, denn selbst in Gemeinden, die nicht ausdrücklich sakramental sind, wird doch die Auffassung, was den Wahrheitsgehalt der Sakramente im Allgemeinen angeht, geteilt.
Die Kirche sagt uns, dass wir geliebt sind (Taufe).
Die Kirche sagt uns, dass wir fehlerhaft sind (Beichte).
Die Kirche sagt uns, dass wir berufen sind (Weihe).
Die Kirche gibt uns zu essen (Abendmahl).
Die Kirche heißt uns willkommen (Konfirmation).
Die Kirche salbt uns (Krankensalbung).
Die Kirche vereinigt uns (Ehe).
Natürlich kann die Kirche auch lügen, verletzen, beschädigen und ausschließen. Dieses Buch betrachtet die dunklen Ecken der Kirche ebenso wie ihre Pracht im Licht der Buntglasfenster. Aber dieser Generation, die sich schwer damit tut, herauszufinden, wofür Kirche eigentlich gut ist, wünsche ich, dass diese sieben Mysterien uns daran erinnern, zu „schmecken und (zu) sehen, dass der Herr gut ist“ (Psalm 34,8) – und vielleicht nicht aufzugeben. Ich hoffe, sie erinnern uns daran, wie sehr wir einander brauchen.
Ich habe auf diesen Seiten Geschichten von Kirchengemeinden aus unterschiedlichen Traditionen versammelt – Baptisten, Mennoniten, Anglikaner, Katholiken, Pfingstler, Konfessionslose –, und ich habe mich großzügig an Texten von Christen bedient, von Alexander Schmemann (orthodox) über Nadia Bolz-Weber (evangelisch-lutherisch) und Will Willimon (methodistisch) bis zu Sara Miles (episkopal). Ich habe Geschichten von Laien und Pastoren, Freunden und Bloglesern, Kirchgängern und Kirchenfernen gesammelt. Das hier ist meine Geschichte, aber sie ist auch die vieler anderer.
Das Buch heißt auf Englisch „Searching for Sunday“, auf der Suche nach dem Sonntag. Aber es geht weniger darum, nach einer Sonntagskirche zu suchen, als darum, nach der Auferstehung am Sonntagmorgen zu suchen. Es geht um all die seltsamen Wege, durch die Gott Totes zurück ins Leben holt. Es geht darum, aufzugeben und neu anzufangen. Es geht darum, warum ich – selbst an Tagen, an denen ich befürchte, dass all das Reden über Jesus und Auferstehung und ewiges Leben ein Haufen Stuss ist, der uns nur irgendwie durch eine im Grunde bedeutungslose Existenz helfen soll –, warum ich also selbst an solchen Tagen gerne mit den Füßen zur aufgehenden Sonne hin begraben werden möchte.
Für alle Fälle.
TEIL I
EINS
Wasser
… es [gab] einst einen Himmel […] und eine Erde,
die durch das Wort Gottes aus Wasser entstand und
durch das Wasser Bestand hatte.
– 2. Petrus 3,5
Am Anfang schwebte der Geist Gottes über dem Wasser.
Das Wasser war finster und tief und überall, so sagen uns die Vorväter, ein endloses Urmeer.
Dann teilte Gott die Wasser, schob einen Teil davon hinunter, um Ozeane, Flüsse, Tautropfen und Quellen zu schaffen, und schleuderte die restlichen reißenden Ströme nach oben, wo sie hinter einem gläsernen Firmament eingeschlossen wurden, komplett ausgestattet mit Türen, die sich für den Mond öffnen, und Fenstern, durch die der Regen auf die Erde fallen kann. In der Kosmologie des antiken Nahen Ostens hing alles Leben zwischen diesen Wassern, verletzlich wie ein ungeborenes Kind im Mutterleib. Mit einem Seufzen des Geistes konnten die Wasser in und über die Erde hereinbrechen und ihre Bewohner in СКАЧАТЬ