Название: Es ist kompliziert
Автор: Rachel Held Evans
Издательство: Автор
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783865069146
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„Das Gute ist“, sagte Mom, deren Munterkeit sich von der nervösen Spannung deutlich abhob, „dass ich einen Fön eingepackt habe.“
Na, wenn das keine Erleichterung war.
Während mein Vater den Überblick über meine theologische Entwicklung behielt, blieb es meiner armen Mutter vorbehalten, mich durch die sozialen Nuancen des Kirchenlebens zu navigieren, eine Aufgabe, die ich ihr immens erschwerte, indem ich das Erstere sehr viel wichtiger nahm als das Letztere. Es ist eine Sache, einer Elfjährigen zu erklären, dass man nicht wissen kann, ob Anne Frank in den Himmel oder in die Hölle gekommen ist, und eine ganz andere Geschichte, ihr zu erklären, warum es vielleicht nicht so ganz angebracht war, die Frage vor lauter Gemeindefrauen bei einer Brautparty zu stellen. Aber so klang meine Art Small Talk eben. Hätte ich ein bisschen was vom Charme und der Schönheit meiner Mutter geerbt und die Tugend meiner Schwester geteilt, wäre ich vielleicht damit durchgekommen, aber stattdessen quälte ich mich durch die Fettnäpfe der religiösen Kultur der Südstaaten, wo von einem guten Christenmädchen erwartet wird, wenigstens ein Weilchen über das Wetter oder Football zu plaudern, bevor sie auf die ewige Verdammnis zu sprechen kommt. Als von Geburt an Introvertierte habe ich die Kunst des Umgarnens nie gemeistert. Obendrein widersetzte ich mich meiner Mutter ganz bewusst, indem ich mich weigerte, Lippenstift und Handtasche zu tragen oder mir Gedanken darum zu machen, was ich zum Gottesdienst anzog, weil ich ganz genau wusste, dass ihr diese Dinge wichtig waren. Ich betrachtete mich gerne als Wildfang (so wie meine Heldin Laura Ingalls Wilder), aber ohne das Interesse an Wettkampfsportarten oder Naturleben. Zum Glück hat meine Mutter eine Schwäche dafür, sich auf die Seite des Außenseiters zu stellen, und daher hatte ich nie Zweifel daran, dass sie auf meiner Seite war.
An meinen Taufgottesdienst erinnere ich mich nicht besonders gut, außer daran, dass der Kirchenraum vom Baptisterium aus so ganz anders aussah. Als ob ich ihn durch ein Weitwinkelobjektiv betrachtete. Und ich erinnere mich daran, wie tröstlich es war, durch das lauwarme Wasser zu waten und dann dort meinen Vater vorzufinden. Vertraute Arme, die mich leiteten, vertraute Hände, die meine Nase zuhielten, eine vertraute Stimme, die etwas über den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist sagte, eine vertraute Kraft, die mich niederdrückte und mich wieder heraufzog, wie sonst, wenn er mich in seinen Armen herumwirbelte. Und ich erinnere mich daran, wie froh ich war, meine Mutter zu sehen, die mit offenen Armen darauf wartete, mich in ein Handtuch zu wickeln, und wie wir zusammen dabei zusahen, wie Amanda an der Reihe war und hineinwatete. Das Wasser schien so viel tiefer, es ging ihr bis zu den Schultern. Hinterher gab es einen kleinen Empfang, und jemand hatte daran gedacht, gefüllte Eier zu machen, weil sie wussten, dass ich das liebte.
Aber am meisten erinnere ich mich daran, wie ich mich fragte, warum ich mich jetzt nicht sauberer fühlte, warum ich mich nicht heiliger fühlte oder leichter oder Gott näher, wo ich doch wiedergeboren war … schon wieder. Ich fragte mich, ob meine pfingstkirchlichen Klassenkameraden recht hatten und ich eine zweite Taufe, eine Geistestaufe, brauchte oder ob ich nicht feierlich genug bei der Sache gewesen war oder mich nicht ausreichend auf meine Taufe vorbereitet hatte, damit sie auch wirkte. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht gelernt, dass man für gewöhnlich aus den großen Momenten – der Hochzeit, dem Buchvertrag, der Reise, dem Tod, der Geburt – als ganz genau dieselbe Person herauskommt, als die man hineingegangen ist, und dass die vielleicht seltsamste Überraschung des Lebens die ist, dass es immer wieder demselben alten Du geschieht.
Wenn Martin Luther wieder eine seiner dunkleren Phasen durchmachte (was häufig geschah, der Kerl war ganz eindeutig bipolar veranlagt), soll er sich getröstet haben, indem er sich sagte: „Martin, bleib ruhig, du bist getauft.“ Ich vermute, sein Trost kam nicht daher, dass er sich den eigentlichen Moment der Taufe ins Gedächtnis rief oder sich auf die Taufe als eine Art zauberhaften Glücksbringer verließ, sondern daher, dass er sich daran erinnerte, wofür seine Taufe stand: für seine Identität als ein geliebtes Kind Gottes nämlich. Denn letzten Endes ist die Taufe eine Namensgebung. Als Jesus aus den Wassern des Jordans emporkam, erklärte eine Stimme vom Himmel herab: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ Es fing nicht erst mit der Taufe an, dass Jesus geliebt wurde, noch wurde er mehr geliebt, als die Taufe zu einer Erinnerung geworden war. Die Taufe benannte ganz einfach die Wirklichkeit seiner Existenz und die Tatsache, dass er unendlich geliebt war. Meine Freundin Nadia formuliert es so: „Identität. Das ist immer Gottes erster Schritt.“9
Und so ist es auch bei uns. In der Taufe werden wir als geliebte Kinder Gottes identifiziert, und unsere Adoption in diese ausufernde, schöne, dysfunktionale Familie, die die Gemeinde Gottes ist, wird von denen gefeiert, die mit Fön und gefüllten Eiern am Ufer stehen. Daher steht das Taufbecken in aller Regel in der Nähe der Kirchentür. Der Mittelgang symbolisiert die Lebensreise des Christenmenschen zu Gott hin, eine Reise, die mit der Taufe beginnt.
Die gute Nachricht ist: Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Die schlechte ist: Du kannst dir deine Geschwister nicht aussuchen. Nadia ist eine lutherische Pastorin, die in der fundamentalistischen Tradition der Gemeinde Christi aufgewachsen ist, die es, wie meine auch, Frauen verbietet, Pastorinnen zu werden. Als sie zur evangelisch-lutherischen Kirche übertrat, bat sie ihren lutherischen Mentor, sie zu taufen. Ihr Mentor lehnte weise ab und erinnerte sie daran, dass eine Handlung Gottes weder rückgängig gemacht noch wiederholt werden kann. Obwohl sie die Gesellschaft und die Verhaltensweisen ihrer ersten Gemeinde abgelegt hatte, konnte sie sie nicht aus ihrem geistlichen Stammbaum löschen. Sie waren immer noch ihre Familie.
Wie Nadia habe ich mit der evangelikalen Tradition gerungen, in der ich aufgewachsen bin. Oft plump. Zuweilen habe ich versucht, die Wasser meiner ersten Taufe aus den Kleidern zu wringen, sie aus meinem Haar zu schütteln, und in einer anderen Gemeinschaft um eine Wiederholung gebeten, wo sie Frauen ordinieren, die Demokraten wählen und an die Evolution glauben. Aber Jesus hatte diese seltsame Eigenschaft, normalen, verkorksten Leuten zu erlauben, ihn vorzustellen, und deswegen waren es normale, verkorkste Leute, die mir zuerst erzählten, dass ich ein geliebtes Gotteskind bin, die mich zuerst als eine Christin bezeichneten. Ich weiß nicht, wohin mich meine Glaubensgeschichte führen wird, aber sie wird immer an diesem Punkt beginnen. Das wird sich nie ändern.
Ich wurde von meinem Vater getauft. Und von meiner Mutter. Von Pastor George, von meinen Sonntagsschullehrerinnen, von meiner Schwester, von dem Gebrauchtwagenhändler, der zu Ostern immer eine Gospelvariante von „The Old Rugged Cross“ sang, von dem Jungen, der Popel in meine Haare schmierte, von dem kleinen Mädchen im Rollstuhl, das nicht sprechen konnte. Ich wurde von Alabama getauft, von Reaganomics, von den Evangelikalen, der Parkway Christian Academy und von der Bible Chapel. Ich wurde von Martin Luther King Jr. und George Wallace und Billy Graham getauft. Ich wurde von dem Schlag Mensch getauft, der Angelgeschichten in Predigten verwandelt und Rush Limbaugh hört und mich manchmal auf die falsche Art und Weise liebte. Ich wurde durch Wasser und durch Geist getauft und durch diese seltsame Ansammlung von Atomen und Genen und Erfahrungen, die Gott zusammengesetzt, an der er sich erfreut und die er in einem Akt absurder Gnade Geliebte СКАЧАТЬ