Название: Nirvana
Автор: Michael Azerrad
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
Серия: Rockbiographien
isbn: 9783854454281
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Für die Cling-Ons waren die Proben der Melvins die einzige Unterhaltung, die es gab. „In Aberdeen konnte man nichts tun außer Bier trinken, Gras rauchen und den Teufel anbeten“, kicherte Crover. „Es gibt dort einfach nichts. Außer viel Fernsehen.“
Der Probenraum selbst war vollgepflastert mit Postern von Kiss, Mötley Crue und Ted Nugent, herausgerissenen Seiten aus der Zeitschrift Circus und Bildern von nackten Frauen, denen sie andere Köpfe aufgeklebt hatten (ein Motiv, das später auch auf einem Nirvana-T-Shirt auftauchen sollte). Besucher mussten das Haus durch den Hintereingang betreten, dann ging es durch ein winziges Zimmer in den Probenraum. Bei den Proben selbst wollte Buzz nicht viel Publikum, die Cling-Ons begnügten sich daher damit, im Hinterhaus herumzuhängen. Die Melvins probten drei oder mehr Stunden am Tag, aber sie machten ungefähr alle 20 Minuten eine Pause, weil ein Bandmitglied mit einem der Cling-Ons Geschäfte machen musste.
Kurt spielte einmal bei den Melvins vor, aber das war ein Reinfall. „Ich habe es total verpatzt“, sagte Kurt. „Ich war so nervös, dass ich alle Songs vergaß. Ich konnte buchstäblich keine einzige Note spielen. Ich stand nur da mit meiner Gitarre und hatte einen hochroten Kopf.“
Das war jedoch nicht weiter schlimm, denn Kurt schrieb schon seine eigenen Songs und nahm sie auch auf. Matt Lukin erinnerte sich an ein Tonband mit Kurts Eigenkompositionen – nur Gitarre und Gesang. „Sie waren wirklich recht gut, erzählte Lukin. „vor allem für einen in Aberdeen in seinem Alter – die meisten anderen wollten nur Judas Priest spielen. Wir fanden es auf jeden Fall ungewöhnlich, dass da einer seine eigenen Songs schrieb und diese lieber spielte als Mötley Crue.“
Buzz Osborne brachte dann Kurt Cobain endgültig zum Punkrock. Er stellte ein paar Bänder zusammen, hauptsächlich mit Bands aus Südkalifornien wie Black Flag, Flipper und MDC. Das erste Lied auf dem ersten Band war „Damaged 11“ von Black Flag, eine einzige Attacke von schreienden Gitarren und schepperndem, mörderischem Schlagzeug. Die Nummer quoll über vor Hass. „Damaged by you, damaged by me/ I’m confused, I’m confused/ Don’t want to be confused“, brüllte der Sänger Henry Rollins.
Kurt war elektrisiert. „Es war, als hätte ich Musik von einem anderen Planeten gehört. Ich brauchte ein paar Tage, um damit fertigzuwerden.“ Am Ende dieser Woche war er ein überzeugter und selbsternannter Punkrocker. „Ich spürte, dass diese Sachen klarer und wirklichkeitsnaher waren als die durchschnittlichen Rock’n’Roll-Texte.“
Kurze Zeit später, im August 1984, fuhren Kurt, Lukin, Osborne und noch ein paar andere nach Seattle, um sich im Mountaineer Club ein Black-Flag-Konzert im Rahmen der Slip It/w-Tour anzuschauen. Um genug Geld für ein Ticket aufzutreiben, verscherbelte Kurt seine Plattensammlung – sie bestand damals aus Platten von Joumey, Foreigner oder Pat Benatar – um zwölf Dollar. „Es war wirklich toll“, sagte Kurt über die Show. „Ich war auf der Stelle bekehrt.“
„Es war gut für mein schwach ausgebildetes Selbstbewusstsein, dass ich ein Punkrocker wurde, denn es half mir, von der Zielvorstellung des Rockstars wegzukommen. Ich wollte gar kein Rockstar mehr werden“, erzählte Kurt. „Es war ein ewiger Balanceakt zwischen Wollen und Nicht-Können auf der einen und gleichzeitiger Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Dennoch wollte ich mich beweisen. Ziemlich verwirrend. Ich bin sehr froh, dass ich mich damals dem Punkrock verpflichtet habe, das gab mir einfach die paar Jahre, die ich benötigte, um mein Weltbild in Ordnung zu bringen. Dass ich Punk entdeckt habe, das war wirklich ein Gottesgeschenk.“
Osborne zeigte ihm auch einen Weg, wie er mit seiner Umwelt fertigwerden konnte. „Er hatte eine Art, mit den Rednecks umzugehen, die mir unheimlich imponierte“, sagte Kurt. „Seine Einstellung inspirierte mich sehr, sie lautete ungefähr: Geh ihnen auf die Nerven, so viel du nur kannst. Wir gingen auf die Parties der Sportstypen, hängten uns dort an die Fersen der großen Muskelmänner und spuckten ihnen auf den Rücken. Wir schrieben dreckige Sprüche auf die Wände, nahmen die Eier aus dem Kühlschrank und legten sie ins Bett des Gastgebers. Wir versuchten, so viel Schaden wie möglich anzurichten.“
Dann lernte Kurt Jesse Reed kennen. Er bezeichnete ihn als „den einzigen netten Freund, den ich in Aberdeen finden konnte“, außer einem weiteren sympathischen Jungen namens Myer Loftin.
Kurt begegnete Loftin im Kunstunterricht. Sie taten sich zusammen, nachdem sie entdeckt hatten, dass sie sich für dieselbe Art Musik interessierten – alles von AC/DC über Aerosmith und Led Zeppelin bis zu Punkrock. Auf Loftin wirkte Kurt „wie ein gewöhnlicher netter Junge mit Blue Jeans und ordentlichem Haarschnitt.“ Es überraschte ihn sehr, dass Kurt Musik machte. „Er war so sanftmütig und still“, sagte Loftin. „Sehr angenehm, sehr ernsthaft.“ Sie wurden gute Freunde.
Kurt fiel zunächst nicht auf, dass Loftin homosexuell war. Loftin eröffnete es ihm sehr bald. „Er sagte: Ist schon gut, du bist noch immer mein Freund, ich liebe dich noch immer, kein Problem“, erinnerte sich Loftin. „Und wir umarmten uns.“
Loft in übernachtete manchmal bei Kurt, und Wendy, ganz die „coole Mutter“, ließ ihnen im Haus freien Lauf, solange sie bis zum nächsten Morgen nicht wegfuhren. Einmal kam Wendy heim und erwischte sie beim Haschischrauchen. In einem sinnlosen Anfall, Kurt davon abzubringen, stopfte sie sich seinen ganzen Vorrat in den Mund, schluckte ihn und wurde davon völlig stoned. Außerdem wurde ihr sterbensübel. An ruhigeren Abenden blieben sie einfach in Kurts Zimmer, und Kurt brachte Loftin Led-Zeppelin-Riffs auf der Gitarre bei.
Aber es war schwieriger, sich mit jemandem sehen zu lassen, der seine Homosexualität offen zugab, als Kurt geglaubt hatte. „Die Leute starrten mich noch seltsamer an als gewöhnlich.“ Man begann, ihn zu schikanieren. Fast immer passierte es in der Turnstunde. Wenn alle umgezogen waren, war es unausweichlich, dass irgendwer Kurt einen Schwulen nannte und ihn gegen einen Garderobekasten stieß. „Sie fühlten sich wohl bedroht, weil sie nackt waren und mich für homosexuell hielten“, sagte Kurt. „Sie hatten also zwei Möglichkeiten: ihre Schwänze zu verstecken oder mich zu prügeln. Oder beides.“
Das Leben in der Highschool wurde immer härter für Kurt. Die Sportsknaben verfolgten ihn oft am Heimweg und rannten hinter ihm her. Manchmal erwischten sie ihn. Jeden Tag nach der Schule“, sagte Kurt, „drückte mich ein bestimmter Kerl in den Schnee und setzte sich auf meinen Kopf.“ „Als Folge davon wurde ich langsam stolz darauf, homosexuell zu sein, obwohl ich es gar nicht war. Der Konflikt machte mir wirklich Spaß. Es war sehr aufregend, weil ich ganz nah an mein wirkliches Selbst herankam. Ich war ein besonderer Ausgeflippter. Ich war nicht ganz der Punkrocker, der ich sein wollte, aber ich war immerhin besser als der Durchschnitts-Freak.“
Letztlich wurde der Druck aber doch zu groß, und eines Tages kam Kurt sichtlich niedergeschlagen zu Loftin und teilte ihm mit, dass er die Freundschaft beenden müsste. Es hatte einfach zu viele Erniedrigungen verursacht, der „Freund eines Schwulen“ zu sein. Loftin verstand, und ihre Wege trennten sich.
Kurt hatte im neunten Jahrgang begonnen, Haschisch zu rauchen, und rauchte bis zum Abschlussjahr täglich. Im letzten Jahr wartete er damit immer bis zur Dunkelheit. „Ich wollte meine ohnehin vorhandene Paranoia nicht noch durch Pot verstärken“, sagte er darüber.
Er wurde in der Schule immer schlechter und begann mit dem Schwänzen einzelner Fächer. Der dauernde Schulwechsel war nur ein Teil des Problems. „Der Hauptgrund war, dass ich die Lehrer so sehr hasste. Es gab diesen religiösen Fanatiker, ein apokalyptischer Rassist. Er unterrichtete Sozialkunde und tat nichts, außer unsere Zeit damit zu verschwenden, seine Offenbarungen in die Geschichte hineinzuschmuggeln. Er war ein Verfechter des kalten Kriegs der Achtziger – die Russen kommen, so ein Verbreiter der Reagan-Mentalität. Ein Hurensohn. Ich wollte ihn andauernd nur umbringen. Ich stellte mir vor, wie ich ihn vor der versammelten Schulklasse umbringen würde. СКАЧАТЬ