Название: Nirvana
Автор: Michael Azerrad
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
Серия: Rockbiographien
isbn: 9783854454281
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Bei den Melvins spielte noch ihr ursprünglicher Schlagzeuger Mike Dillard, der später durch Dale Crover ersetzt wurde. In ihrer ersten Punk-Phase spielten sie Hardcore mit Überlichtgeschwindigkeit. Später, als das jeder machte, spielten sie, so langsam es nur ging. Und um sich endgültig unmöglich zu machen, gaben sie noch einen Schuss Heavy Metal in die Mischung. Mit ihrem richtungweisenden Album Gluey Porch Treatments von 1987 legten die Melvins den Grundstein für das, was dann unter dem Namen „Grunge“ bekannt werden sollte – eine neue Mutation von Punkrock, in der sowohl Heavy Metal als auch der Proletarier-Hardrock der Siebziger von Bands wie Kiss und Aerosmith steckte. Dieser Sound revolutionierte die Musikszene von Seattle, die bis dahin von Art-Rock-Bands dominiert worden war.
Die Melvins hatten ihr erstes Konzert in Seattle schon hinter sich, als Kurt sie das erste Mal sah, und sie waren zusammen mit den U-Men, Soundgarden, Green River, Malfunkshun und Skin Yard auf der wild gemischten Deep Six Collection vertreten. Mit Ausnahme der Art-Rock-Band U-Men vermengten sie alle unterschiedliche Anteile von Punk, Siebziger-Hardrock und Heavy Metal zu einem ziemlich rohen, aber sehr wirkungsvollen Sound.
Manchmal half Kurt den Melvins, ihre Anlage zu einem Gig nach Seattle zu befördern. Aberdeen selbst hatte keine große musikalische Geschichte, obwohl die halbe Besetzung von Metal Church, der platingekrönten Speed-Metal-Band, aus der Stadt stammte. Eine Band, die in Seattle auftrat, war schon eine Menge wert.
Kurt war sehr unglücklich, weil er im Verwandtenkreis herumgeschubst wurde. Im Mai 1984 heiratete Wendy den Hafenarbeiter Pat O’Connor. Pat trank Unmengen, und Wendy hatte damit alle Hände voll zu tun – sie fühlte sich nicht in der Lage, es auch noch mit Kurt aufzunehmen, aber am Ende brachte er sie doch dazu, ihn zu sich zurückzunehmen. „Ich rief sie monatelang jeden Abend an und versuchte sie zu überreden, mich bei ihr wohnen zu lassen.“
Eines Abends ging Pat allein aus und kam erst um sieben Uhr morgens zurück, besoffen und, wie Wendy sagte: „Er stank nach einem Mädchen.“ Sie war vor Zorn außer sich, ging aber trotzdem zur Arbeit ins Kaufhaus. Dort machten sich einige Leute aus der Stadt lustig: „Hey, wo war Pat letzte Nacht?“, kicherten sie. Wendy wurde daraufhin so zornig, dass sie sich mit einer Freundin betrank, heimging und Pat eine Riesenszene machte. Beide Kinder sahen zu, als sie eine der Pistolen aus dem Schrank nahm und damit drohte, ihn zu erschießen – aber sie wusste nicht, wie man die Pistole lud. Dann nahm sie alle vorhandenen Schußwaffen und schleppte sie zusammen mit Kurts Schwester Kirn, die eine Tasche voller Munition zerrte, zum Wishkah River, wo sie alles versenkte.
Kurt beobachtete die Szene von seinem Schlafzimmerfenster aus. Noch am selben Tag heuerte ein paar Kinder an, damit sie so viel Waffen wie möglich aus dem Fluß holten, und verkaufte sie dann. Von dem Geld kaufte Kurt seinen ersten Verstärker. Dann fuhr er den Kerl, der ihm den Verstärker verkauft hatte, zu einem Pot-Dealer, wo dieser wiederum das ganze Geld für Pot ausgab.
Kurt drehte die Gitarre voll auf. Die Nachbarn beschwerten sich, und Wendy hinterließ auf der Decke einige Spuren mit dem Besenstiel. Das Schönste für Kurt war, wenn die Familie zum Einkäufen ging, denn das hieß, dass er loslegen konnte. „Wenn wir heimkamen, hofften wir immer, dass noch ein paar Fenster ganz waren“, sagte Wendy. Kurt versuchte seine Freunde dazu zu bringen, mit ihm zu spielen, aber keiner hatte auch nur im entferntesten musikalische Begabung. Er kehrte den Chef heraus und war sehr direkt in seiner Kritik. Er wusste genau, was er wollte.
Niemand bekam mit, dass er oben in seinem Zimmer auch sang. „Eines Tages“, sagt Wendy,„hörten wir ihn. Er sang sehr leise. Er wollte nicht, dass wir ihn hörten. Pat und ich hielten unsere Ohren an die Tür, schauten uns an, rümpften die Nase und sagten: „Es ist besser, wenn er bei der Gitarre bleibt.“
Kurt kurz vor seinem zweiten Geburtstag
Don Cobain.
Nirvana im Crocodile (© Charles Peterson)
Kapitel zwei
Uns interessierte nur das Herumgammeln.
Um diese Zeit herum nahm Kurt in der Schule erstmals Notiz von Chris Novoselic. „Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen“, erzählte Kurt. „Aber wir kamen nie zusammen.“ Sie hatten keine gemeinsamen Schulstunden – Kurt sah Chris nur manchmal bei Versammlungen, wo Chris bei kleinen Satiren mitspielte – meist nur zu dem Zweck, sie zu sabotieren, etwa wenn er plötzlich „Star-Spangled Banner“ zu singen begann.
„Er war ein lustiger Typ mit einem ganz eigenen Humor“, sagte Kurt. Jedermann lachte über ihn, aber ich lachte mit ihm, weil er einfach alle zum Narren hielt. Er war ein wirklich cleveres und lustiges Großmaul. Er war größer als alle anderen in der Schule. Er war riesig. Leider war ich nie mit ihm unterwegs, ich hätte in der Highschool-Zeit wirklich einen Freund gebraucht.“
Kurt kam sich vor wie ein Ausgestoßener, aber auch Ausgestoßene können andere Ausgestoßene finden und sich mit ihnen anfreunden. Außer natürlich in Aberdeen. „Ich wollte irgendwo dazugehören, aber nicht zum Durchschnitt, nicht zu den üblichen Schulkindern. Ich wollte zu den Ausgeflippten gehören, aber die Ausgeflippten in Aberdeen waren bloß Narren. Sie waren nicht wirklich auf meinem Trip – sie hörten zum Beispiel keine Musik von Devo. Sie waren einfach ganz normal geschädigt.“
Kurt erzählte, dass es ganze zwei Typen in der Schule gegeben hatte, mit denen er sich eine Freundschaft auch nur vorstellen hätte können. Die beiden waren zumindest so cool, dass sie sich für Oingo Boingo, die verrückte New Wave Band aus Los Angeles, interessierten. „Aber sonst waren sie totale Idioten“, sagte Kurt. „Typen, die sich beim Footballspielen das Gesicht anschmierten,“
Die Highschool war für Kurt eine einzige Einöde, die aus drei Klassen bestand: den Angepassten, den Mathematiktrotteln und den Kiffern. Kurt war den Mädchen in der Aberdeen High wegen seiner neckischen Grübchen und blauen Augen aufgefallen, sie hielten ihn für süß. „Irgendwie mochten sie mich“, sagte Kurt, „aber ich mochte keine Einzige – sie waren einfach dumm.“ Und weil die Mädels Kurt mochten, versuchten sich auch noch deren sportliche Freunde bei ihm beliebt zu machen, aber Kurt ließ auch sie abblitzen.
Blieben nur mehr die Kiffer. „Ich hasste sie zwar, aber zumindest interessierten sie sich für Rock’n’Roll.“ Also zog sich Kurt ihre typische Uniform an – die Jeansjacke mit Vliesfutter, die sich unter den jungen Drogenfreaks auch heute noch großer Beliebtheit erfreut – und begann sich beim örtlichen Raucher-Treffpunkt in einem Schuppen herumzutreiben. Er sprach kaum mit jemandem; er war so verschlossen, dass man ihn manchmal sogar für einen Drogenfahnder hielt.
Nachdem er wieder nach Aberdeen gezogen war, hatte Kurt den Kontakt zu den Melvins verloren. Aber im Raucherschuppen lernte er einen Musikfan namens Dale Crover kennen. Auch Chris kannte Crover, von dessen Jam Sessions mit Robert, seinem jüngeren Bruder. Als die Melvins einen Schlagzeuger benötigten, schlug Chris Crover vor, und er wurde es auch. Und weil Kurt Crover kannte, kam er wieder in den Kreis rund um die Melvins.
Die Melvins hatten ihr Probenquartier in einem Extrazimmer im Haus von Crovers Eltern. Wie jeder Standort zuvor wurde auch dieser Anziehungspunkt für eine Runde von Kiffern aus Aberdeen, die „Cling-Ons“ (Wortspiel: to СКАЧАТЬ