Название: Nirvana
Автор: Michael Azerrad
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
Серия: Rockbiographien
isbn: 9783854454281
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Schließlich nahm Kurt eine Stelle als Hausarbeiter beim YMCA an, nur etwa einen Block entfernt von Shillingers Haus – vor allem, weil er sich einiges an Musikausrüstung kaufen wollte, falls er doch eine Band finden würde. Morgens spazierte er zur Arbeit, meldete sich bei seinem Boss und ging dann wieder nach Hause, um den ganzen Tag herumzusitzen, fernzusehen und zu trinken, bis die Arbeitszeit vorbei war. Manchmal musste er die Graffiti entfernen, die er selbst in der vorhergehenden Nacht angebracht hatte. Kurze Zeit später bekam Kurt den einzigen Job, den er wirklich geliebt hat: als Schwimmlehrer für Kinder im Alter zwischen drei und sieben.
Kurts erster Live-Auftritt fand zusammen mit Dale Crover am Schlagzeug und Buzz Osborne am Bass in der GESCCO Hall statt, einer schuppenartigen Auftrittsmöglichkeit in Olympia, die auf dem Gelände des Evergreen State College steht. Der Auftritt bestand im Grund darin, dass Kurt seine Texte zu improvisiertem Heavy Rock brüllte. Das Trio nannte sich eigentlich Brown Towel, aber ein Druckfehler machte daraus auf dem Plakat Brown Cow. Kurt war extrem nervös. „Ich musste mich betrinken. Ich schüttete mich mit Wein voll.“
Es gab nur wenige Zuschauer, und die Reaktionen waren matt, aber zwei Leute im Publikum waren hingerissen: Slim Moon – ein Szenemacher im Olympia – und sein Kumpel Dylan Carlson, ein selbsternannter Intellektueller und Gitarrist in den verschiedensten Bands der Gegend. Die beiden kannten Kurt als Begleiter des Melvins-Trosses, aber jetzt war er plötzlich mehr. „Unser Eindruck von Kurt änderte sich damals völlig – vom New Waver aus dem Melvins-Clan zu einem, der wirkliches Talent hatte“, meinte Slim Moon. Carlson, der jetzt die eine Hälfte des Ultra-Heavy-Gitarrenlärm-Duos Earth ist, ging nachher zu Kurt und sagte ihm, die Show wäre eine der besten gewesen, die er jemals gesehen hätte. Sie trafen einander daraufhin immer wieder bei Shows in Olympia und wurden bald enge Freunde.
In der Zwischenzeit hatte Kurt begonnen, mit einem Dealer namens Grunt herumzuhängen. „Er war so etwas wie Drogenteufel und -gott zugleich.“ Grunt war ein widerlicher Typ, aber die Leute suchten seine Gesellschaft, weil er fähig war, praktisch jede Art von Drogen zu besorgen. Damals wusste es niemand, aber er organisierte einen Großteil seiner Ware durch Apothekeneinbrüche mit seinem Liebhaber, einem homosexuellen Strichjungen. Grunt versorgte Kurt mit Percodan, einem Stück für Stück in Folie verpackten Schmerzmittel auf Opiatbasis, und verlangte von ihm nur einen Dollar pro Tag. Kurt mochte Percodan, weil es ihn „entspannte“. „Es war der schönste euphorische Zustand, in dem ich jemals war. Es war wie schlafen. Ich war so nahe am Schlaf, wie ich nur sein konnte, ohne tatsächlich schlafen zu müssen.“
Kurt war so naiv, dass er nicht wusste, dass Percodan süchtig machte, und wurde abhängig, ohne es zu bemerken. Am Ende nahm er bis zu zehn Percodan am Tag und wurde „richtig gierig“. Nach etwa zwei Monaten versiegte Grunts Quelle, und Kurt hatte einen Entzug. „Es war nicht so schlimm“, sagte er. „Ich hatte Durchfall und lag ein paar Tage schwitzend in Erics Bett.“
Eines Abends nahmen Grunt und Kurt zusammen Heroin. Grunt gab ihm die Spritze. „Es machte mir Angst“, sagte Kurt. „Aber ich hatte es immer schon tun wollen, ich wusste, dass ich es einmal tun würde.“ Er war sich nicht sicher, warum er davon so überzeugt war. „Ich weiß nicht. Ich wusste es einfach.“
Außerdem hatte er bis dahin schon so ziemlich jede Droge mit Ausnahme von PCP genommen („Ich hatte von Leuten gehört, die darauf völlig durchdrehten und von Häusern heruntersprangen“). Heroin war die endgültige Sache. Ein weiterer Grund für seine Anziehungskraft lag im dekadenten Glanz, den die Droge durch ihre Verbindung mit Rockstars wie Keith Richards und Iggy Pop erhalten hatte. „Iggy Pop war mein absolutes Idol“, sagte Kurt. „Ich wollte es einfach probieren, weil ich wusste, dass ich Opiate mochte. Und Heroin war in Aberdeen so selten am Markt, dass ich die Gelegenheit sofort ergriff.“ Kurt wusste, dass er kaum abhängig werden würde, da es in Aberdeen keine ständige Quelle gab.
Die mit Heroin verbundene Illusion von Euphorie war vielleicht auch ein Punkt, jede Euphorie war in Kurts Leben eine Seltenheit. Schon in der Highschool hatte ihn seine Umwelt so aus der Fassung gebracht, dass er mit nervösen Ticks reagierte – mit den Knöcheln knacken, im Gesicht herumkratzen, die Haare wild schütteln. Seine Augen zuckten. Er hatte schon gefürchtet, schizophren zu werden.
„Es war eine Mischung aus Hass, weil die Leute meinen Erwartungen nicht gerecht wurden, und dem Überdruss, es immer mit den selben Idioten zu tun zu haben“, sagte er. „Meine Feindseligkeit gegenüber allen stand mir buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Ich hatte diese Rachegefühle, weil sie alle so machomäßig und dumm waren. Es begann mir langsam selbst aufzufallen, dass die Leute diese Ausstrahlung bemerkten.“.
Kurt war überzeugt, dass jeder von seiner Einstellung wusste, und das machte ihn nur noch mehr neurotisch. Er wurde immer paranoider, weil er überzeugt war, dass jeder wusste, dass er jeden Moment durchdrehen konnte. „Sie dachten, dass ich wohl der Einzige wäre, der es wirklich fertigbrächte, ein AK-47-Gewehr in die Schule zu bringen und alle wegzupusten“, sagte Kurt. „Ich hatte die Aura, dass ich eines Tages explodieren könnte, also blieben mir die Leute vom Leib.“
Opiate wie Percodan verschafften Kurt Linderung; wenn er Opiate nahm, hasste er die Menschheit nicht mehr so sehr. „Ich bekam ein bisschen Gefühl für sie und konnte zumindest ein Stück hinter ihre Fassaden blicken und sie als wirkliche Menschen betrachten“, sagte er. „Vielleicht hatten sie eine verpfuschte Kindheit, oder ihre Umwelt hatte sie so gemacht. Die Opiate nahmen einen Teil der Feindseligkeit weg. Das war nötig, weil ich davon müde war, andauernd nur zu hassen. Sie erlaubten mir einige Tage Seelenfrieden.“
In der Zwischenzeit hatte Kurts und Erics Freundschaft zu bröckeln begonnen, vermutlich wegen ihrer musikalischen Rivalität. Die Gegensätze bauten sich immer mehr auf, bis Kurt, Eric und Steve Shillinger eines Abends – acht Monate, nachdem Kurt eingezogen war – von drei verschiedenen Partys heimkamen – alle waren ziemlich betrunken. Steve meinte, es wäre um ein Stück Pizza gegangen, Kurt glaubte, es wäre passiert, weil er schlafen und Eric fernsehen hatte wollen – egal, aus irgendeinem Grund brach ein Kampf zwischen Kurt und Eric aus. Kurt rief zwar mittendrin eine Zigarettenpause aus, aber die Schlägerei wurde dann im Hinterhof fortgesetzt. „Es war sogar Blut an den Wänden“, sagte Steve. „Ich möchte mich nicht festlegen, wer gewonnen hat – ich weiß nur, dass es sehr blutig und schlimm war.“
Als es vorbei war, zog Kurt überstürzt aus. Schon am nächsten Tag zahlte er Steve Shillinger zehn Dollar dafür, dass er seine Sachen in Müllsäcke stopfte und sie zu Dale Crovers Haus brachte. Kurt blieb einige Tage bei Buzz Osborne und zog dann für kurze Zeit wieder zu Wendy.
Mr. Shillinger bot Kurt an zurückzu kommen, aber Kurt lehnte ab und ging wieder unter die Brücke, wo er von Zeit zu Zeit Fische fing und sie verzehrte, bis ihm eines Tages jemand erklärte, dass sie giftig wären. Manchmal schliefer auch in einer Wohnung über dem Schönheitssalon von Chris’ Mutter. Er musste dort allerdings um sieben Uhr aufstehen und verschwinden, ehe sie zur Arbeit kam.
Im Herbst 1986 brachte Kurt Wendy dazu, Geld für eine klapprige Hütte auszulegen, die nur einige hundert Meter von ihrem Haus entfernt stand. Sie war für nur hundert Dollar im Monat zu mieten, wahrscheinlich, weil vorne schon die Veranda abbröckelte. „Es war so ziemlich die unterste Kategorie von Haus“, erinnerte sich Kurt, aber es war zumindest seines. Es hatte zwei kleine Schlafzimmer und zwei kleine Wohnzimmer. Sein Mitbewohner wurde der Bassist der Melvins, Matt Lukin, ein gelernter СКАЧАТЬ