1984. George Orwell
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Читать онлайн книгу 1984 - George Orwell страница 13

Название: 1984

Автор: George Orwell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159618609

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СКАЧАТЬ Winston gleichgültig. »Ich werde es wohl im Kino sehen, denke ich.«

      »Ein ziemlich ungenügender Ersatz«, sagte Syme.

      Sein spöttischer Blick glitt über Winstons Gesicht. »Ich weiß, wer du bist«, schienen diese Augen ihm zu sagen, »ich durchschaue dich. Ich weiß genau, warum du dir nicht angesehen hast, wie die Gefangenen gehängt wurden.« Auf intellektuelle Weise war Syme boshaft linientreu. Mit unerträglich genießerischer Befriedigung konnte er von Hubschrauberangriffen auf feindliche Siedlungen, von Prozessen und Geständnissen von Gedankenverbrechern, von den Hinrichtungen in den Kellergewölben des Ministeriums für Liebe erzählen. Wenn man sich mit Syme auf ein Gespräch einlassen wollte, musste man ihn von solchen Themen abbringen und ihn, falls möglich, in die technischen Aspekte des Neusprech verwickeln, da er auf diesem Gebiet ein großes Wissen besaß und Interessantes wusste. Winston drehte den Kopf ein wenig zur Seite, um dem forschenden Blick dieser großen, dunklen Augen zu entgehen.

      »War gar nicht schlecht, das Hängen«, sagte Syme und schwelgte in Erinnerungen. »Ich finde, es verdirbt die Sache, wenn sie ihnen die Füße zusammenbinden. Ich mag es, wenn sie zappeln. Und vor allem am Ende, wenn die Zunge rausguckt, blau – so richtig leuchtendblau. Das gefällt mir immer ganz besonders.«

      »Nächster, bitte!«, rief die Prole mit der weißen Schürze und der Schöpfkelle.

      Winston und Syme schoben ihre Tabletts unter dem Gitter durch. Auf jedes wurde schnell die vorgeschriebene Mahlzeit ausgegeben – eine metallene Schale mit einem rötlich-grauen Eintopf, dazu ein Kanten Brot, ein gewürfeltes Stück Käse, ein Becher mit Victory-Kaffee ohne Milch und eine Tablette Süßstoff.

      »Dort drüben ist ein Tisch frei, unter diesem Telemonitor«, sagte Syme. »Nehmen wir auf dem Weg noch einen Gin mit.«

      Der Gin wurde in henkellosen Porzellanbechern ausgegeben. Sie bahnten sich einen Weg durch den vollen Saal und stellten Geschirr und Besteck auf die metallene Tischplatte, auf der jemand an einer Ecke einen Klecks Eintopf hinterlassen hatte, eine klebrige Flüssigkeit, die auf den ersten Blick wie Erbrochenes aussah. Winston nahm seinen Becher Gin, hielt einen Moment inne, um sich zu sammeln und kippte das ölig schmeckende Zeug runter. Als er die Tränen fortgeblinzelt hatte, spürte er mit einem Mal, dass er hungrig war. Löffelweise schlang er den Eintopf hinunter, in dessen Brei Würfel aus schwammartigem, rötlichem Zeug trieben, die vermutlich aus Formfleisch bestanden. Keiner der beiden sagte etwas, bis sie ihre Schalen geleert hatten. Am Tisch linker Hand von Winston, ein Stück weit hinter seinem Rücken, redete jemand schnell und ununterbrochen, ein hastiges Geplapper, fast wie das Quaken einer Ente, das den allgemeinen Lärm im Saal durchdrang.

      »Wie geht es mit dem Wörterbuch voran?«, fragte Winston, der die Stimme ein wenig erhob, um gegen den Lärm anzukommen.

      »Nur langsam«, sagte Syme. »Ich bin gerade bei den Adjektiven. Das ist faszinierend.«

      Seine Miene hatte sich sogleich aufgehellt, als vom Neusprech die Rede war. Er schob seine Schale beiseite, nahm sein Stück Brot in die eine und den Käse in die andere zierliche Hand und beugte sich über den Tisch, um normal sprechen zu können, ohne schreien zu müssen.

      »Die elfte Auflage wird die endgültige Ausgabe sein«, sagte er. »Wir bringen die Sprache in ihre letztgültige Form – die Form, die sie beibehalten wird, wenn keiner mehr irgendetwas anderes spricht. Wenn wir damit fertig sind, werden Leute wie du sie ganz von vorn lernen müssen. Ich schätze, du denkst, dass unsere Hauptaufgabe darin besteht, neue Wörter zu erfinden. Weit gefehlt! Wir vernichten Wörter – massenhaft, zu Hunderten, jeden Tag. Wir stutzen die Sprache auf ein Mindestmaß zurecht. Die elfte Auflage wird kein einziges Wort enthalten, das vor dem Jahr 2050 obsolet sein wird.«

      Er biss hungrig in sein Brot und schluckte einige Male, ehe er weitersprach, mit der Leidenschaft eines Pedanten. Sein schmales, eher dunkles Gesicht war lebhaft geworden, seine Augen hatten den spöttischen Ausdruck verloren, sein Blick war nun beinahe verträumt.

      »Das ist wundervoll, die Vernichtung von Wörtern. Den meisten Schwund gibt es natürlich bei den Verben und Adjektiven, aber es gibt Hunderte von Substantiven, die man auch gleich mit entsorgen kann. Es geht mir nicht nur um die Synonyme; da wären auch die Antonyme. Denn welche Berechtigung hat schließlich ein Wort, das einfach nur das Gegenteil eines anderen Wortes ist? Ein Wort beinhaltet ja sein Gegenteil. Nehmen wir zum Beispiel ›gut‹. Wenn man ein Wort wie ›gut‹ hat, braucht man dann noch ein Wort wie ›schlecht‹? ›Ungut‹ tut es genauso gut – besser sogar, weil es das genaue Gegenteil ist, was man vom anderen nicht sagen kann. Oder ein anderes Beispiel: Möchte man eine kraftvollere Version von ›gut‹, was bringt es dann, eine ganze Reihe vager, nutzloser Wörter zu haben wie ›ausgezeichnet‹ und ›glänzend‹ und so weiter? ›Plusgut‹ deckt das Bedeutungsspektrum ab; oder ›doppelplusgut‹, sofern man etwas noch Kraftvolleres haben möchte. Natürlich benutzen wir diese Formen längst, aber in der letztgültigen Version von Neusprech wird es nichts anderes mehr geben. Letzten Endes wird die gesamte Begrifflichkeit von Gut und Schlecht von nur sechs Wörtern abgedeckt sein – in Wirklichkeit von nur einem Wort. Siehst du nicht, wie herrlich das ist, Winston? Ursprünglich war es die Idee des G. B.«, fügte er nachträglich hinzu.

      Eine Art schale Begeisterung stahl sich über Winstons Züge bei der Erwähnung des Großen Bruders. Trotzdem entdeckte Syme sofort einen gewissen Mangel an Enthusiasmus.

      »Du kannst dich einfach nicht richtig für Neusprech begeistern, Winston«, sagte er fast traurig. »Selbst wenn du es schreibst, denkst du noch in den Kategorien des Altsprech. Ich habe ein paar dieser Beiträge gelesen, die du gelegentlich für die Times schreibst. Die sind nicht schlecht, aber es sind bloß Übertragungen. In deinem Herzen hältst du dich lieber ans Altsprech, mit all seiner Ungenauigkeit und seinen nutzlosen Bedeutungsnuancen. Du erfasst einfach nicht die Schönheit, die in der Vernichtung von Wörtern liegt. Wusstest du, dass Neusprech die einzige Sprache auf der Welt ist, deren Wortschatz jedes Jahr kleiner wird?«

      Das wusste Winston natürlich. Er lächelte, mitfühlend, wie er hoffte, und traute sich nicht, selbst das Wort zu ergreifen. Syme biss ein weiteres Stück von dem dunklen Brot ab, kaute kurz, und fuhr fort:

      »Siehst du denn nicht, dass Neusprech kein anderes Ziel verfolgt, als die Reichweite des Denkens einzuschränken? Am Ende machen wir Gedankenverbrechen faktisch unmöglich, da es keine Wörter mehr geben wird, mit denen man Verbrechen ausdrücken könnte. Jeder Begriff, den man überhaupt noch bräuchte, wird von genau einem Wort ausgedrückt werden, und die Bedeutung wird klar festgelegt sein, all die Unterbedeutungen werden ausgelöscht und vergessen sein. In der elften Auflage sind wir schon nicht mehr weit von diesem Punkt entfernt. Aber der Prozess wird immer weitergehen, lange nachdem wir beide gestorben sind. Jedes Jahr weniger und weniger Wörter, und die Bandbreite des Bewusstseins wird immer ein wenig kleiner. Natürlich gibt es schon jetzt keinen Grund oder keine Entschuldigung, Gedankenverbrechen zu begehen. Es ist einfach eine Frage der Selbstdisziplin, der Wirklichkeitskontrolle. Aber schlussendlich wird es selbst dafür keinen Bedarf mehr geben. Die Revolution wird abgeschlossen sein, sobald die Sprache perfektioniert ist. Neusprech ist Engsoz, und Engsoz ist Neusprech«, fügte er mit einer gewissen mystischen Befriedigung hinzu. »Ist dir je in den Sinn gekommen, Winston, dass im Jahr 2050, allerspätestens, kein Mensch mehr leben wird, der eine Unterhaltung, wie wir sie gerade führen, verstehen könnte?«

      »Außer –«, setzte Winston zweifelnd an, ehe er abbrach.

      Es hatte ihm auf der Zunge gelegen, zu sagen »Außer die Proles«, aber er hielt sich zurück, da er nicht sicher sein konnte, ob diese Bemerkung nicht in irgendeiner Weise unorthodox war. Doch Syme hatte erahnt, was Winston hatte sagen wollen.

      »Die Proles sind keine Menschen«, sagte er abfällig. »2050 oder schon früher wird СКАЧАТЬ