Giganten. Ernst Hofacker
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Название: Giganten

Автор: Ernst Hofacker

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854453642

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СКАЧАТЬ von zehn Bundesbürgern mit seinem Namen etwas anzufangen wissen. Und nicht nur die. Wo westliche Kultur leitet, da ist John Lennon populär. Ein Bekanntheitsgrad, den allenfalls Jahrhundertgenies wie Picasso oder Chaplin erreichen. Die Probe aufs Exempel ist überflüssig, zu präsent ist Lennon auch in der Wirklichkeit von heute. Und sei es, weil die russische Stadt Jekaterinburg dem Co-Komponisten von Yellow Submarine zum 65. Geburtstag ein drei Meter langes gelbes Unterseeboot-Modell spendierte, das nun friedlich in einem See nahe der Stadt dümpelt. Aus dem Bullauge, so vermeldet die Nachrichtenagentur Agence France Press, grüßt freundlich John in Plastik. Oder weil man einen neu entdeckten Planeten nach ihm taufte und, naheliegender, der Liverpooler Flughafen seit einigen Jahren schon John Lennon Airport heißt.

      Vielleicht begann John Lennons zweites Leben, das nach den Beatles und das, um das es hier gehen soll, schon an jenem 9. November 1966, als er in der Kunstgalerie Indica am Londoner Mason Square auf eine Leiter kletterte, um an der Decke das nur mit einer Lupe zu entziffernde Wort »Yes« zu finden. Da dürfte John kaum geahnt haben, was die Bekanntschaft mit der wundersamen, für die eigenwillige Installation verantwortlichen Künstlerin ihm bringen würde. Vielleicht aber häutete sich der Noch-Beatle auch erst am 25. März 1969 entscheidend. Von da an hütete er gemeinsam mit Yoko Ono, die er fünf Tage zuvor geheiratet hatte, für eine Woche im Amsterdamer Hilton Hotel öffentlich das Bett. »Bed-In« nannten sie die Aktion, dem Frieden wollten sie damit eine Chance geben. Oder offenbarte sich der wahre, der echte, der nackte John zum ersten Mal am 11. November 1968 auf dem Cover von Unfinished Music, No.1: Two Virgins, einem Album mit kaum anzuhörenden Klangcollagen, die wohlmeinende Geister in der Nähe von John Cages Begriff der Konzeptmusik ansiedelten? Selbst sexuell befreiten Hippies war das Plattencover mit den textilfreien Künstlern, frontal und wenig schmeichelhaft abgelichtet, peinlich. Weshalb die Plattenfirma EMI die Scheußlichkeit verschämt in braunes Packpapier wickeln ließ und die US-Behörden im Januar 1969 über 50.000 Exemplare beschlagnahmten.

      Spätestens seit der Sache mit Two Virgins war klar: Bei Beatle John war mit allem zu rechnen. Verlassen konnte man sich bei ihm auf gar nichts, mit Ausnahme seiner rückhaltlosen Radikalität. Wer nur genau genug hingesehen hatte, der ahnte schon in frühen Beatles-Tagen, dass Johns Ambitionen über die eines Posterhelden hinausreichten. Außerhalb der Band hatte er bereits 1964 mit der Gedicht- und Cartoonsammlung In His Own Write sowie dem Folgeband A Spaniard In The Works irritiert. 1966 dann hatte ihn sein ruheloser Geist nach Spanien und auf einen Truppenübungsplatz im Niedersächsischen getrieben, wo er mit Richard Lester die Avantgardekomödie How I Won The War drehte. Aus purer Langeweile, zuvor hatten die Beatles die Tourneen aufgegeben. Denen hatte er übrigens bereits zu Beginn des selben Jahres mit der berüchtigten »Wir sind größer als Jesus«-Bemerkung ihre ersten unangenehmen Schlagzeilen und damit einen hässlichen Fleck auf dem Bild der allseits geliebten, fröhlichen Viererbande beschert.

      Nun aber, 1969, als seine Beatbrüder Paul, George und Ringo noch überlegen, wo’s nach dem Split der Gruppe hingehen soll, hat sich John als Enfant Terrible einer Popszene profiliert, in der es auch ohne sein Zutun von Verrückten, Spinnern und seltsamen Heiligen wimmelt. Die »War is over«-Kampagne, Scheidung von Cynthia, Toronto Rock’n’Roll Revival, Revolution No. 9, Plastic Ono Band, Autounfall in Schottland, Hochzeit in Gibraltar, Jaggers Rock’n’Roll Circus, Pressekonferenz in einem Leinensack, Fototermin auf der Abbey Road, Bed-Ins in Amsterdam und Montreal, Give Peace A Chance und Cold Turkey – in den turbulenten Jahren 68/69 scheinen Johnandyoko überall gleichzeitig zu sein. Das schillernde Paar beherrscht die Schlagzeilen weltweit und ist sich offenbar für nichts zu schade. Ach ja, den MBE-Orden, den die Queen den Pilzköpfen wegen außergewöhnlicher Verdienste um die Exportwirtschaft verliehen hatte, gibt Lennon auch zurück. Aus Protest natürlich. Neben dem britischen Engagement im Biafra-Konflikt und Uncle Sams Krieg in Vietnam passt ihm auch der Umstand nicht, dass Cold Turkey in den Charts nichts zu melden hat.

      Reichlich anmaßend, ambitioniert und politisch für einen simplen Popstar. Aber als solcher versteht sich dieser John Lennon sowieso nicht mehr. Und auch ein Beatle will er nicht länger sein, spätestens seit er Ono heißt. Verständlich. Klaus Voormann, Freund und Vertrauter seit frühen Hamburger Tagen, fasst die damalige Stimmung im Beatles-Lager unsentimental zusammen: »Dieses ganze Beatles-Ding empfand John zum Ende als Mühlstein um den Hals. Und nicht nur er, auch George und Paul, sogar Ringo. Die Jungs konnten einfach nicht mehr sie selbst sein.«

      Lennon zieht die Notbremse als erster. Die anderen hat er im Herbst 1969 wissen lassen, dass seine Zeit als Beatle abgelaufen ist. Bevor er damit öffentlich rausrückt, will er allerdings noch warten, bis Allen Klein den neuen Vertrag mit EMI ausgehandelt hat. Bekanntlich ist es dann Paul McCartney, der das Ende der Band am 10. April 1970 der Presse mitteilt. Da aber sitzt John mit seiner Yoko schon längst draußen in der Grafschaft Berkshire. Westlich von London in Sunningdale, wo beide ein Jahr zuvor das Anwesen Tittenhurst Park erworben haben, beschäftigt er sich damit, den Beatle in sich zu exorzieren.

      Den kalten Heroinentzug hat er im Sommer 1970 bereits hinter sich, nun ist er dabei, mit Hilfe der Urschrei-Therapie von Professor Walter Janov die Traumata seiner Kindheit aufzuarbeiten. Als das musikalische Ergebnis dieses Jahres, Johns erstes echtes Soloalbum John Lennon/Plastic Ono Band, im November erscheint, muss die Popgemeinde erst einmal schlucken. Das hier hat rein gar nichts zu tun mit den Jungs aus Liverpool. Lennons neue Songs, Sachen wie God, Mother, Isolation oder Working Class Hero, kommen spröde daher. Karg instrumentiert, ein bisschen Gitarre, rumpelnde Drums, brachiale Piano-Akkorde. Keine leichte Kost, wirklich nicht. Und thematisch so radikal wie kein Album zuvor. Rücksichtslos zerrt John hier aus den düstersten Winkeln seiner Seele hervor, was ihm zu schaffen macht. Gefühle wie Angst, Zerrissenheit, Entfremdung und Enttäuschung. Schon die Songtitel lassen kaum Fragen offen. Der vater- und weitgehend mutterlos aufgewachsene Junge aus der Arbeiterklasse, der es zu Weltruhm gebracht hat und nun daran fast zerbrochen ist, legt die Karten auf den Tisch. Und schert sich einen Dreck darum, ob irgendwer von ihm ein neues All You Need Is Love erwartet. Help war nur die Ouvertüre gewesen, jetzt geht’s ans Eingemachte, »Mama don’t go-uaaah! Däääh-ddy come home«. Nie zuvor war ein Popmusiker so nackt vor sein Publikum getreten. Zu nackt für die meisten – Plastic Ono Band verkauft sich bescheiden, nicht nur nach den Maßstäben eines Beatle.

      Aber die bis zur Selbstaufgabe aufrichtige Platte hält ein paar unwiderstehliche Melodien bereit und, wichtiger noch, sie hilft John, seinen Weg aus den Sechzigern zu finden. Um dem Mythos Beatles den endgültigen Garaus zu machen, gibt er dem US-Magazin Rolling Stone ein ausführliches Interview. Und redet Klartext. Thema Beatles: »Das Ganze war ein Traum. Ich glaube nicht mehr an den Traum.« Oder Yoko: »Yoko ist mindestens so wichtig für mich wie Paul und Dylan zusammen.« Noch Fragen?

      Im Frühling 1971 wird durchgeatmet auf Tittenhurst. Plastic Ono Band hat einen künstlerischen Pflock eingeschlagen, der die drei experimentellen Alben davor – neben Two Virgins noch Life With The Lions: Unfinished Music No. 2 und Wedding Album (beide 1969) – vergessen macht. Und John hat eine wichtige Lektion gelernt: Will er ein Hitalbum haben, dann muss er die Sache mit dem nötigen Zuckerguss versehen. Oder wie er selbst sagt: »Bring deine politische Botschaft mit etwas Honig rüber.« Für sein nächstes Album holt er also neben bewährten Kräften wie Alan White (später Yes), Klaus Voormann und George Harrison Cracks wie Nicky Hopkins, Jim Keltner und Jim Gordon. Überdies nimmt Produzent Phil Spector die in Ascot eingespielten Tracks mit nach New York, wo er sie nach dem Vorbild des Beatles-Abgesangs Let It Be (1970) mit Bläsern und Streichern anreichert. Imagine, veröffentlicht am 9. September 1971, ist dann tatsächlich radiofreundlich und, wie sich bald schon zeigen soll, absolut hitträchtig.

      Die Themen von Imagine sind natürlich dieselben wie die des Vorjahres. Das gallige How Do You Sleep ätzt in Richtung Paul, mit dem John über heftigstem Streit ums liebe Geld und nicht zuletzt wegen des unschönen Gezerres ums Beatles-Management bis auf weiteres gebrochen hat. Hinter dem fröhlichen Barrelhouse-Pop von Crippled Inside verbergen sich ein paar unerbittliche Bemerkungen zum Thema Selbstbetrug – to whom it may concern. Jealous Guy ist das in eine süßliche Ballade gebettete Bildnis der Eifersucht, anrührend und doch schonungslos. I Don’t Wanna Be СКАЧАТЬ