Название: Giganten
Автор: Ernst Hofacker
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783854453642
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Die verschollenen Rock’n’Roll-Tapes hat Phil Spector inzwischen zurückgeschickt und John noch ein paar weitere Oldies eingespielt. Rock’n’Roll, das im Februar 1975 erscheint, wird in der damaligen Szene jedoch mit Enttäuschung registriert. Heute aber, mit dem Abstand der Jahre, zählt das Album zu den Höhepunkten in Lennons Schaffen. Mit sicherer Hand hat der alte Kiezrocker hier ein paar Goodies aus den Fünfzigern durch die Zeitmaschine gejagt, ohne ihnen den rauen, ursprünglichen Charme zu nehmen. Die Arrangements von Klassikern wie Stand By Me, Be-Bop-A-Lula oder Peggy Sue sind originell, wirken frisch und atmen doch den Geist der klassischen Jukebox-Ära. Perfektes Handwerk, das Mr. Winston O’Boogie als immer noch kraftstrotzenden und leidenschaftlichen Rock’n’Roller ausweist.
Johns Odyssee zu sich selbst ist mit der Rückkehr zu Yoko nach 16 Monaten beendet. Er ist nun geläutert, bereit für die Wirklichkeit und ein Leben ohne die Insignien und Maskeraden des Rockstars. Zur Krönung dieses Jahres, in dem sich so viele Kreise für ihn schließen, wird der 9. Oktober. Pünktlich zum 35. Geburtstag schenkt ihm Yoko seinen Sohn Sean. Noch während sie schwanger ist, hat John einen folgenschweren Entschluss gefasst: Er will seinen Job als Musiker an den Nagel hängen, sobald der Kleine auf der Welt ist. Keine neuen Alben, keine Konzerte, keine neuen Songs. Im Februar 1976 läuft sein Plattenvertrag aus. Er wird ihn nicht verlängern. Lieber kümmert er sich um den Haushalt und den kleinen Jungen, wäscht Windeln, oder besser: lässt sie waschen, und lernt, wie ausgiebig kolportiert wird, Brot zu backen. Sein alter Freund Klaus Voormann, ebenfalls 1975 Vater geworden, besucht kurze Zeit später mit seiner Familie die Lennons im Dakota Building. Was er vorfindet, ist ein perfektes Familienidyll, nur eben mit vertauschten Rollen: Yoko mehrt das Vermögen und John, in Business-Dingen eine Niete, kümmert sich um die »home front«. Wie Voormann in seiner Biografie berichtet, plaudern die Rocklegenden an jenem Tag über wunde Babyhintern, Ringelblumensalbe und die Geheimnisse des Reiskochens.
Am 27. Juni 1976 geschieht dann endlich, worauf die Familie so lange gewartet hat: John erhält eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und die begehrte Green Card. Endlich kann er unbeschwert reisen. Die Lennons machen ausgiebig Gebrauch von der neuen Freiheit und besuchen unter anderem Hongkong, Südafrika, Singapur und Japan, wo sie den Sommer 1977 verbringen. Das Leben als Privatier scheint John Spaß zu machen, indes: Der Künstler, der Musiker, der Poet in ihm, sie alle schlummern nur. Eines Tages würden sie erwachen. Und Yoko ahnt das – auch wenn das Paar am 27. Mai 1979 den nicht totzukriegenden Gerüchten um ein Comeback mit einer ungewöhnlichen Aktion begegnet: In der New York Times und Zeitungen in Rom und Tokio schaltet es eine ganzseitige Anzeige, mit der es sich an jene wendet, »die uns nach dem Was, Wann und Warum fragen«. Der wortreiche »Liebesbrief von John und Yoko« sagt: Uns geht’s gut, und die Familie ist uns das Wichtigste.
Dass den 39-jährigen Lennon im Sommer des folgenden Jahres plötzlich doch wieder der Hafer sticht, liegt an der New-Wave-Truppe B-52’s. Auf den Bermudas hat John in einem Club deren Song Rock Lobster gehört. Sofort fühlt er sich an Yokos Musik erinnert und beginnt wieder zu schreiben. Yoko in New York tut desgleichen, und Anfang September hat das Paar 25 neue Songs fertig. Der nächste Schritt führt in die New Yorker Hit Factory Studios.
Die Single (Just Like) Starting Over erscheint am 23. Oktober, das Album Double Fantasy drei Wochen später. Sofort wetzt die Kritik die Messer. Enttäuscht moniert man die süßlich-gelackte Produktion, die ewig gleiche Leier vom Liebesglück zwischen John und Yoko, die offenbar völlige Ignoranz moderner Strömungen wie New Wave und Punk und, natürlich, den Umstand, dass Yoko die Hälfte der Songs beigesteuert hat. Hätten die Schreiber genauer hingehört, sie hätten registriert, dass Double Fantasy konsequent Johns alter Maxime folgt, die er schon zu Beginn seiner Solojahre erklärt hat: »Für die Beatles war jeder Song, jede Platte, jeder Film wie ein Tagebuch. Nur war uns das nicht bewusst. Bei der Arbeit mit Yoko wurde mir das erst klar.« So auch jetzt. Immer schon hat John, mehr als jeder andere Songwriter, seine Alben als persönliche Bekenntnisse angelegt. Und hier, 20 Jahre nach den Anfängen in Hamburg, zehn Jahre nach den Beatles und fünf Jahre nach seinem Ausstieg, gibt er den Blick frei auf sein Leben als Vierzigjähriger. Er bekennt: Ich liebe, ich bin glücklich, ich bin mit mir im Reinen. Es ist der Dezember 1980. Was sollte jetzt noch schiefgehen?
30 Jahre ist das nun her – und viele wissen wohl noch heute, wo sie waren und was sie gerade taten, als gemeldet wurde, was keiner glauben wollte. John Lennon starb in den Abendstunden des 8. Dezember 1980, nachdem er vor dem Portal des Dakota Building von einem psychisch kranken Fan namens Marc David Chapman mit mehreren Schüssen niedergestreckt worden war. Stunden zuvor, als er mit Yoko das Haus verließ, um in den Record Plant Studios zu arbeiten, hatte er ihm noch ein Autogramm gegeben. Dabei entstand ein Foto, das letzte des lebenden Lennon, das ihn zusammen mit seinem späteren Mörder zeigt. Als um 23.15 Uhr Ortszeit im New Yorker Roosevelt Hospital Dr. Lynne offiziell Lennons Tod bekannt gab, löste die Nachricht eine weltweite Schockwelle aus, spontan versammelten sich überall trauernde Fans, um Johns Lieder zu singen.
Wenn sich je über einen Künstler sagen ließ, dass er in seinem Werk weiterlebt, dann über diesen hier. Vielleicht, weil John Lennon bei seinem Hochseilakt im Popzirkus auf ein Netz immer verzichtet hatte. Für ihn zählte nur das: Gimme Some Truth! Kein Grund, ihn, Yoko und all das, was die beiden taten, zu idealisieren. Sie liebten, sie stritten, sie meinten es ernst und waren dabei albern – oft genug zwei nervensägende Spinner. Aber sie waren echt.
Lennons Songs stehen nicht nur für eine einzigartige Persönlichkeit, sie stehen auch für eine Ära, in der Popmusik sich anmaßte, etwas zu bedeuten. Geträumt hat eine ganze Generation von Frieden, Gerechtigkeit, Liebe und Rock’n’Roll. Gesungen hat davon ein Junge aus der englischen Arbeiterklasse. Ein Working Class Hero, die Füße auf dem Boden, den Kopf in den Wolken: »Ich war immer ein Rebell. Aber ich wollte auch geliebt und geachtet werden, nicht nur der großmäulige, verrückte Poet und Musiker sein. Aber ich kann nicht sein, was ich nicht bin.«
Empfehlenswert:
Imagine (1971)
Zusammen mit dem ein Jahr zuvor veröffentlichten John Lennon/Plastic Ono Band bildet Imagine den Kern des Lennon’schen Soloschaffens. Nicht nur ist dies das erfolgreichste Soloalbum in der Karriere des Ex-Beatles, es bietet auch die wohl bekanntesten Klassiker aus seiner Feder. Imagine natürlich, die ewige Friedenshymne, das fröhlich mit Saloon-Piano dahin rumpelnde Crippled Inside, das bittere How Do You Sleep, mit dem der enttäuschte John seinen langjährigen Partner Paul McCartney anging, und nicht zuletzt das verstört-melancholische Jealous Guy. Ein zeitloses Meisterwerk.
Working Class Hero – The Definitive Lennon
Der ganze Lennon auf zwei CDs. Eine rundum gelungene Zusammenstellung der schönsten, bekanntesten, wichtigsten und erfolgreichsten Songs aus John Solo-Jahren. Neben den Schlüssel-Tracks der großen Alben Plastic Ono Band und Imagine finden sich hier Songs aus Double Fantasy und dem posthum veröffentlichten Milk & Honey ebenso wie die Hitsingles Whatever Gets You Thru The Night und Give Peace A Chance – 38 Tracks, die keine Wünsche offen lassen. Ausgespart bleibt natürlich die Musik, die Lennon mit den Beatles gemacht hat.
John Lennon/Plastic Ono Band – Classic Albums (DVD)
Im Rahmen der zu Recht hochgelobten Classic-Albums-Reihe haben sich die britischen Macher auch John Lennons so wichtiges Solowerk von 1970 vorgenommen. Der Film leuchtet detail- und tiefenscharf aus, wie Lennon den schwierigen Schritt vom gewesenen Beatle zum eigenständigen Solokünstler vollzog und seziert die Entstehungsgeschichte der zentralen Songs des Albums, darunter Mother, Working Class Hero, God und Power To The People. Zu sehen sind neben jeder Menge Originalaufnahmen von damals auch Zeitzeugen und Beteiligte wie Yoko Ono, Ringo СКАЧАТЬ