Название: Giganten
Автор: Ernst Hofacker
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783854453642
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Sein Erfolgsgeheimnis hat dieser wohl größte aller Bluesmänner einst selbst verraten: »Ich bin eigentlich immer nur so gut wie bei meinem letzten Gig. Also glaube ich nie, ich hab’s geschafft, sage nicht: ›Hey, ich bin B. B. King!‹« Der ist er aber trotzdem. Und bereuen tut er gar nichts.
Höchstens eine Sache, wie er fröhlich dem US-Journalisten Steven Sharp erzählte, als der ihn fragte, was er anders machen würde, könnte er noch einmal ganz von vorn anfangen: »Vielleicht würde ich aufs College gehen, um mehr über Musik zu lernen. Auf jeden Fall aber würde ich nicht vor vierzig heiraten!« Klar, wenn man fünfzehn Kinder von fünfzehn Frauen hat.
Empfehlenswert:
Live At The Regal (1965)
Der König auf der Höhe seiner Kunst. Wohl keines von Kings Alben fängt besser die elektrisierende Performance des Meisters, das berauschende Zusammenspiel zwischen ihm und seiner präzisen Begleitband und nicht zuletzt die orgiastische Atmosphäre im Auditorium ein als dieses, aus zwei Shows im Chicagoer Regal Theater zusammengestellte Live-Dokument vom November 1964. King hatte zwei Jahrzehnte auf dem Chitlin Circuit hinter sich, stand voll im Saft und bot dem enthusiastischen Publikum einen Querschnitt seines frühen Schaffens, darunter Highlights wie How Blue Can You Get, Everyday I Have The Blues und Worry, Worry.
Reflections (2003)
Das vielleicht beste Album im ohnehin großartigen Spätwerk. Für Reflections holte King diverse Koryphäen, darunter Joe Sample, Nathan East und Clapton-Sidekick Doyle Bramhall II., zusammen, um dann mit ihnen gemeinsam unter Aufsicht des Produzenten Simon Climie das ganze weitläufige Spektrum seines Blues- und Jazz-getränkten Königreichs zu durchmessen. Üppige Arrangements mit Bläsern und Streichern, genügend Raum für inspirierte Gitarrensoli und eine für einen 77-Jährigen überraschend beseelte, kraftvolle Gesangsleistung – elegant, zeitlos, außer Konkurrenz.
Anthology
Von den vielen Karriere-Retrospektiven dieses Ausnahmemusikers die wohl umfassendste – Anthology deckt auf zwei CDs den Zeitraum von 1963 bis zur Jahrhundertwende ab und konzentriert sich dabei vor allem auf die Sechziger- und frühen Siebzigerjahre, als King zweifelsohne seine wichtigste Musik einspielte. Zu hören sind neben Klassikern wie Payin’ The Cost To Be The Boss und Don’t Answer The Door natürlich auch das legendäre The Thrill Is Gone, mit dem der damals 44-Jährige seinen ersten und einzigen Welthit landete. Die 34 Tracks liefern einen repräsentativen Querschnitt durch Kings lange Karriere. Wer sich für das Frühwerk aus den Fünfzigerjahren interessiert, dem sei die Compilation Best Of The Blues Guitar King 1951-1966 ans Herz gelegt.
REELIN’ AND ROCKIN’
Chuck Berry, Lehrmeister mit Entengang
»Wenn Du Rock’n’Roll einen anderen Namen geben willst, nenn’ ihn einfach Chuck Berry!« Kein Geringerer als John Lennon war es, der die Bedeutung unseres Helden mit diesem Ausspruch einst auf den Punkt brachte. »Deep down in Louisiana, close to New Orleans…« Dort in den Southern Swamps war’s zwar nicht, aber in Chuck Berrys Geburtsstadt St. Louis, Missouri, hätte die kleine Holzhütte aus Johnny B. Goode ebenso stehen können. In diesem Song, Berrys wohl berühmtesten, prophezeit der Sänger seinem Protagonisten: »Some day your name will be in lights.« Die Grundidee der Popmusik: Zieh los mit deiner Gitarre, schreib einen coolen Song, werde reich und berühmt!
Keiner der frühen Helden des Rockzeitalters verkörperte diese Idee so perfekt wie Chuck Berry: Er war der begabteste Songwriter von allen, weder Buddy Holly, Eddie Cochran und Bo Diddley noch Jerry Lee Lewis oder Elvis, die ohnehin kaum selbst Songs schrieben, konnten ihm da das Wasser reichen. Und als Instrumentalist war Berry stilprägend wie kein anderer der frühen Rock’n’Roller, da mögen »der Killer« Lewis und der größenwahnsinnige Mr. Penniman alias Little Richard noch so sehr auf ihre Pianos gehämmert haben – Onkel Chuck war derjenige mit der breitesten musikalischen Basis.
Sein Background war durchaus bürgerlich, er war kein armer Baumwollpflücker wie Muddy Waters und John Lee Hooker. Charles Edward Berry, geboren am 18. Oktober 1926, war ein gebildetes und kultiviertes Mittelstandskind. Seine Mutter war immerhin Lehrerin, und die große Familie wohnte im besten Viertel, das in der damals noch strikt der Rassentrennung verhafteten Südstaaten-Metropole St. Louis für Schwarze zugelassen war. Chucks musikalischer Horizont reichte schon in Kindertagen von der Blues-Lady Billie Holiday und dem Jazz-Intellektuellen Duke Ellington über George Gershwins Kompositionen bis hin zu frühen Hillbilly-Stars wie Jimmie Rodgers und Roy Acuff. Er wusste sehr genau, was er da tat, und war wohl der Erste, der die mitunter tumbe weiße Countrymusik und ihre starre Form in Hirn und Hose eines smarten Schwarzen tauchte, also gleichsam mit Rhythm’n’Blues durchlauferhitzte. Womit er die für kommende Jahrzehnte gültige Formel für Rockmusik schuf.
Auch seine Qualitäten als Entertainer standen denen des frühen Elvis, denen des wilden Lewis oder denen des überdrehten Little Richard nicht nach. Das Bild des verschmitzt grinsenden Mannes mit der roten Gitarre, der die Bühne im Duckwalk quert und dabei listig die Augen rollt, dürften selbst Menschen kennen, die sich nie sonderlich für Musik interessiert haben. Und seine Songs sowieso, die gehören zur grundlegenden Popbibliothek wie Dierkes Weltatlas in den Erdkundeunterricht. Maybellene, Sweet Little Sixteen, Roll Over Beethoven oder Rock’n’Roll Music, um nur die bekanntesten zu nennen, definieren bis heute nicht nur musikalisch das, was wir unter Rock’n’Roll verstehen, sie zeichnen auch ein präzises Bild der Lebens- und Gefühlswirklichkeit von Teenagern in den Fünfzigerjahren – einer der Hauptgründe für seinen immensen Erfolg auf dem weißen Mainstream-Markt. Im Popbereich war er in dieser Hinsicht der erste Afroamerikaner, der mit originär schwarzer Musik die Portemonnaies weißer Plattenkäufer leerte.
Wo andere aus Blues, Hillbilly und Rockabilly im besten Fall ihren persönlichen Stil destillieren, kreiert Berry nicht nur diesen, sondern intuitiv dazu noch weitere wichtige Zutaten, auf die Pop seitdem zurückgreift: Neben den musikalischen Duftmarken ist das vor allem seine damals auf dem Popmarkt kaum gepflegte, geradezu journalistische Storyteller-Perspektive. Bruce Springsteen erklärte das Jahre später so: »Er hatte einen tollen Blick fürs Detail. Nimm den Song Nadine, darin singt er von einem ›kaffeefarbenen Cadillac‹. Ich hatte so einen Wagen noch nie gesehen, als ich den Song zum ersten Mal hörte, aber ich konnte ihn mir in diesem Moment genau vorstellen. Diese Dinge haben auch mein Songwriting immens beeinflusst.«
In Chucks Elternhaus gehörten Literatur, Theater und Bibelzitate zur geistigen Grundnahrung. Kein Wunder also, dass sich seine Poptexte von den damals üblichen, willkürlich aneinander gereihten Romantikklischees deutlich unterschieden. Seine Songs spielten in der Wirklichkeit, beinhalteten also auch soziale Kommentare – im Pop der Fünfzigerjahre ein absolutes Novum. Seine bildhafte Poesie hatte mehr von einer TV-Reportage in Reimform. Mit seinen so hintergründigen wie sprachverliebten Texten machte er zudem auch umgangssprachliche Wortspielereien im Pop salonfähig – was sich wenige Jahre später nachhaltig auf die Arbeiten von Bob Dylan, John Lennon und Mick Jagger auswirken sollte. Ebenso übrigens auch Berrys konkurrenzlos sicherer Sinn für Form und Ökonomie beim Schreiben und Spielen.
Und dann ist da noch etwas, das Berry im Unterschied zur zeitgenössischen Konkurrenz СКАЧАТЬ