Giganten. Ernst Hofacker
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Название: Giganten

Автор: Ernst Hofacker

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854453642

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СКАЧАТЬ seines Kollegen Lowell Fulson, dem Three O’Clock Blues, der erste nationale R’n’B-Hit. Und der lässt Kings eleganten Gitarrenstil schon in ausgereifter Form hören. Der 26-Jährige hat die verschiedensten Einflüsse in seinem Spiel vereint. Ein wenig vom rauen Countryblues eines Blind Lemon Jefferson, ein paar Licks von T-Bone Walker, dem wohl ersten Bluesgitarristen, der sein Single-Note-Spiel elektrisch verstärkte, ein wenig von der wendigen Eleganz des Jazzers Charlie Christian, dazu B. B.s charakteristische Bendings, mit denen er versucht, den Klang der Pedal Steel und Hawaiian Guitar zu imitieren, und nicht zuletzt sein ganz eigenes Vibrato – all das vermengt King zu einem Stil, der bis heute unter Tausenden beim ersten Ton als seiner erkennbar ist. Dazu ist schon in diesem frühen Stadium seiner Karriere eine ungeheure Ökonomie und geschickte Dramaturgie in seinen Soli zu erkennen. Last but not least: Schon jetzt beherrscht er das virtuose Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Gesangsstimme und Instrument meisterlich. Oder, wie er selbst es einmal sagte: »Wenn ich singe, spiele ich in meinem Kopf; und in dem Moment, wo ich aufhöre, mit dem Mund zu singen, singe ich mit Lucille weiter.«

      Zeit also, die Dame an B. B.s Seite einmal näher zu betrachten, schließlich ist seine Musik ohne sie nicht denkbar. Lucille ist eine semiakustische Gibson ES 355 T, die stereo ausgelegte Weiterentwicklung des Ursprungsmodells ES 335. Die Gitarre ist aufgrund ihres Ahorn-Korpus mit massivem Sustainblock recht schwer, und hat, ungewöhnlich für eine Halbakustische, keine F-Löcher. Das Griffbrett ist aus Ebenholz, die Hardware vergoldet. Dazu gibt’s je zwei Tone- und Volume-Regler sowie den Varitone-Schalter, mit dem sich der Klang von fett und satt bis dünn und kristallklar variieren lässt. Das Finish ist schwarz, bespannt ist sie mit einem Saiten-Satz der Stärke 010–054. Seit 1982 baut Gibson eine Nachbildung von Lucille als B. B. King Signature Model.

      Mit dem Three O’Clock Blues und weiteren Hits wie You Know I Love You, Woke Up This Morning (das sich mit der Scheidung von Martha im Jahr 1952 beschäftigt), Please Love Me oder Every Day I Have The Blues beginnt B. B. King sein Territorium über Memphis auszudehnen. 1952 startet er seine erste nationale Tour. Spätestens jetzt ist die Straße sein Zuhause, allein im Jahr 1956 absolviert er stolze 342 Konzerte. Kreuz und quer durch die USA beackert er mit seiner fünfzehnköpfigen Band nun den so genannten Chitlin Circuit, das Netz der Clubs, in denen schwarze Musik live gespielt wird.

      Als im Zuge der Rock’n’Roll-Welle Mitte der Fünfzigerjahre erstmalig schwarze Musiker wie Chuck Berry, Little Richard, Ray Charles und Bo Diddley der Sprung in den weißen Mainstream gelingt, bleibt B. B. King allerdings außen vor. Zum Teil, weil seine Plattenfirma Crown nicht, wie etwa Chess in Chicago, in der Lage ist, sich den Gepflogenheiten des weißen Marktes anzupassen. Auch ABC Paramount, wohin King 1962 wechselt, schafft es nicht, den Bluesstar auf dem weißen Markt zu etablieren. Zum anderen aber gilt der elegant arrangierte Big Band Blues, den B. B. spielt, nach wie vor als Race Music. Ein intellektuelles weißes Publikum akzeptiert den Blues allenfalls als romantisierten Akustik-Folk mit Authentizitätsstempel vom Baumwollfeld. Weiße Kids interessiert das Thema noch gar nicht.

      Erst Mitte der Sechzigerjahre beginnt sich die Situation zu ändern. Eine Generation von jungen weißen Musikern entdeckt den Blues für sich und übernimmt das Kommando im Mainstream. Britische Bands wie Beatles, Rolling Stones, Yardbirds und Animals bringen den Blues und den in Amerika schon wieder vergessenen Rock’n’Roll zurück in ihr Ursprungsland. Dort wiederum treten junge Gitarristen wie Mike Bloomfield (Butterfield Blues Band), Steve Katz (Blues Project), Henry Vestine (Canned Heat) und Jim Gurley (Big Brother & The Holding Company) auf den Plan, die sich ausdrücklich auf den schwarzen Blues, wie er federführend von Muddy Waters, John Lee Hooker, Howlin’ Wolf und anderen entwickelt worden war, berufen. Sie begeistern ein weißes Mittelstandspublikum, das sich nun seinerseits aufmacht, die Originale zu entdecken. 1968 tritt B. B. King beim renommierten Newport Folk Festival auf, es folgt ein erster Gig in Bill Grahams berühmtem Rocktempel Fillmore West in San Francisco. Ein Jahr später tritt King gar im Vorprogramm der legendären Altamont-Tournee der Rolling Stones auf.

      Bezeichnend für die Situation, in der sich schwarze Blueser noch Mitte der Sechzigerjahre befinden, ist eine Anekdote, die B. B. King dem Magazin Blues Access erzählte: »Damals waren die Beatles das Heißeste, wovon ich je gehört hatte. In einem Magazin las ich, wie ein Interviewer John Lennon fragte, was er am liebsten mal tun würde. Er antwortete: Gitarre spielen wie B. B. King! Ich bin fast vom Stuhl gefallen und konnte nicht glauben, was ich las … Ich war so glücklich zu wissen, dass einer der berühmtesten Leute in der Welt meinen Namen kannte, nicht meine Musik, nur meinen Namen – das tat so gut.«

      Die Akzeptanz beim weißen Publikums beschert King über den kommerziellen Erfolg hinaus auch die ersehnte Anerkennung als Musiker. Das Rockpublikum verehrt ihn nicht in erster Linie als Bluessänger und Songwriter, sondern vor allem als Virtuosen, dessen Spiel sich im Repertoire praktisch jedes Rockgitarristen wiederfindet. Was nun noch fehlt, ist ein echter Welthit, und selbst der gelingt dem inzwischen 45-Jährigen im Jahr 1970. The Thrill Is Gone vom Album Completely Well (1969) ist ein Lied mit trauriger Vorgeschichte. 1966 geht B. B.s zweite, 1958 mit der 15 Jahre jüngeren Sue geschlossene Ehe in die Brüche. Wie auch bei seiner ersten Ehe hatte sich schnell gezeigt, dass eine Beziehung B. B.s ruhelosem Leben on the road nicht standhalten konnte. Kurz nach der Scheidung erinnert er sich an diesen Song, einen 1951er-Hit von Roy Hawkins, einem Pianisten, der zu seinen Labelmates bei Modern Records gehörte und später bei einem Autounfall einen Arm verlor. King nimmt die Nummer auf und legt all seine Trauer um die gescheiterte Liebe in seinen Gesang. Den Rest besorgt Lucille. Diese fünf Minuten Musik lassen die Welt aufhorchen, endlich ist B. B. King auch den Menschen ein Begriff, die sich weder für den Blues noch für Gitarrenvirtuosen interessieren.

      Und plötzlich wird der Mann, der sich über zwei Jahrzehnte lang in den übelsten Kaschemmen der US-Südstaaten plagte, von der weißen Unterhaltungsindustrie hofiert. Engagements in Las Vegas und den Musiktempeln der westlichen Welt folgen, und die Creme der Popszene will mit ihm arbeiten. Einige Kollaborationen, etwa die mit den Schülern Peter Green (In London, 1970) oder die mit den (Jazz) Crusaders um Wilton Felder und Joe Sample (Midnight Believer, 1978), gelingen, andere aber, zum Beispiel Friends (1974), eine verunglückte Exkursion in den modischen Phillysound, können nicht überzeugen. Kings Status als Elder Statesman des Blues und Vaterfigur der Rockmusik indes bleibt auch von misslungenen Alben unberührt.

      Als B. B. seinen 60. Geburtstag feiert, hat er stolze fünfzig Alben auf dem Buckel. In einem Alter, wo andere von ihren Karrieren in der Vergangenheitsform sprechen, erlebt er eine neuerliche Renaissance und startet in den dritten Frühling. Bei einem Konzert in Dublin stehen 1987 U2 im Publikum. Nach der Show trifft man sich. Die Iren bewundern den Gitarrenpionier, und Bono erfüllt nur zu gern B. B.s Wunsch, einen Song für ihn zu schreiben. King erzählt die Story in den Liner Notes zu Lucille & Friends (1995): »Ein Jahr später rief mich Sid (Seidenberg, Kings Manager) an und sagte, dass Bono einen Song für mich geschrieben habe. Er sagte, dass sie in Fort Worth spielen, und dass ich die Show für sie eröffnen könne. Er hatte den Song für uns beide geschrieben, um ihn zusammen zu singen. Wir probten ihn, und als ich dann zum Finale in dieser Nacht zurück auf die Bühne kam und wir When Love Comes To Town sangen, standen 40.000 Leute auf. 40.000 Leute!« Mit 63 Jahren findet sich der Bluesdaddy plötzlich in den Single-Charts wieder und wird von der MTV-Generation gefeiert.

      Er nimmt’s gelassen und tut, was er immer schon tat: live spielen, möglichst viel. Immer noch gibt er bis zu 250 Konzerte im Jahr, und wenn er mal wieder an einem Studioalbum arbeitet, lassen auch Größen wie die Rolling Stones alles stehen und liegen und tanzen vollzählig an, um den alten Herrn im Studio zu unterstützen. So geschehen 1997, als die Engländer die Arbeit an ihrem Album Bridges To Babylon unterbrechen, um als Backing Band B. B.s Track Paying The Cost To Be The Boss für das Album Deuces Wild neu einzuspielen.

      Ein anderer, der schon zu Beginn seiner Karriere in den frühen Sechzigern keinen Hehl daraus machte, dass er B. B. fast alles verdankt, nimmt im Jahr 2000 gar ein ganzes Album mit dem inzwischen 75-jährigen Grandaddy auf. Riding With The King, das funkensprühende Gemeinschaftswerk mit Eric Clapton, wird prompt zum bestverkauften Album in B. B.s langer Laufbahn.

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