Название: Giganten
Автор: Ernst Hofacker
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783854453642
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Das Leben, in das der kleine Riley B. King am 16. September 1925 auf einer Farm bei Itta Bena, nahe Indianola, Mississippi, hineingeboren wird, ist kein leichtes. Die Zeiten der Sklaverei sind zwar längst vorüber, die Schwarzen aber gelten dort unten im Mississippi-Delta nach wie vor als Menschen zweiter Klasse. Die Rassentrennung ist hier so rigide wie eh und je, und viel mehr als einen Job auf einer Farm oder Baumwollplantage können die Männer nicht erreichen, während die Frauen im besten Fall als Hausmädchen unterkommen.
Die Startbedingungen sind hart, für Riley ganz besonders. Denn die Mutter Nora Ella verlässt Vater Albert wegen eines anderen, als der Junge gerade fünf ist. Nur vier Jahre später schon stirbt sie, gerade 27-jährig. Ein schlimmer Schock für Riley, mit neun ist er auf sich allein gestellt. Zwar kümmern sich die Großeltern um ihn, seinen Lebensunterhalt aber muss er jetzt selbst verdienen. Er schlägt sich bei verschiedenen Herren als Houseboy durch. Trotzdem geht er zur Schule, die fünf Meilen dorthin muss er jeden Tag zu Fuß bewältigen. Allerdings darf er morgens erst los, wenn die zehn Kühe gemolken sind. Wie er dem US-Magazin Blues Access 1999 erzählte: »Das Schlimmste war das frühe Aufstehen. Morgens, wenn es draußen auf den Feldern noch kalt war.« 15 Dollar verdient er im Monat – und ausgerechnet ein Brötchengeber entpuppt sich als erster musikalischer Förderer des Jungen. King: »Zwei Monate lang behielt Mister Flake Cartledge, bei dem ich damals arbeitete, die Hälfte meines Lohns ein. Und dann kaufte er mir von dem Geld, es waren dreißig Dollar, eine Gitarre.«
Zeit für die Musik hat Riley indes kaum. Er schuftet auf einer Baumwollfarm. Erntemaschinen kommen erst Ende der Vierzigerjahre auf, in den Dreißigern werden die Früchte des Baumwollstrauches noch wie seit Jahrhunderten per Hand gepflückt. Archie Fair, der Prediger in der Holiness Church des Dorfes Kilmichael, zeigt ihm die ersten Gitarrengriffe. An den Wochenenden fährt Riley mit seiner roten Stella-Gitarre nach Indianola und spielt dort an den Straßenecken. Eine entscheidende Phase, denn: »Ich sang Gospel-Songs. Aber nur die Leute, die den Blues hören wollten, gaben mir auch Geld. Also wurde ich Bluessänger.« An manchen Tagen macht er auf diese Weise mehr Dollars als in einem Monat auf dem Traktor. Erstmals denkt er daran, es mit der Musik zu versuchen: »Als ich sah, dass sie Münzen in meinen Hut warfen, hoffte ich, gut genug zu werden, dass sie es immer machen würden. Sie tun es bis heute.«
Zu Beginn der Vierzigerjahre ist der ländliche Blues längst in die Metropolen des Südens und bis rauf nach Chicago vorgedrungen. Dort aber verändert er sich, wird lauter, aggressiver und seine Themen werden andere. Riley hört genau zu. War er als Junge noch vernarrt in die Cowboysongs von Roy Rogers, so hat er nun sein Herz für die Gospelmusik der schwarzen Kirchen entdeckt. Er liebt die Sänger der großen Big Bands, Walter Brown von Jay McShanns Orchester oder Al Hibbler, der bei Duke Ellington singt. Überhaupt, die Big Bands, ihre Musik und ihr elegantes Auftreten elektrisieren ihn. Count Basie, Jimmy Lunceford, Benny Goodman, sie sind seine Helden. Später wird B.B. King in seinen Bands immer, selbst in den magersten Zeiten, auch einen Bläsersatz beschäftigen. Und er registriert, wie Charlie Christian ab 1939 im Benny Goodman Sextett das Gitarrenspiel revolutioniert, wie der belgische Jazzgitarrist Django Reinhardt seinen unverwechselbaren Stil entwickelt und Pioniere wie Lonnie Johnson oder T-Bone Walker der Bluesgitarre ihre ureigene Sprache erschließen. All das saugt der junge Riley gierig in sich auf. Als Leadsänger sammelt er erste Erfahrungen in Gospelgruppen und begleitet sich dabei auf der Gitarre. Längst zählt er zu den Besten in seiner Gegend. Nun wird es Zeit, so glaubt er, eine Platte zu machen.
Im Mai 1946 beschließt Riley, die Baumwollfelder seiner Kindheit erst einmal hinter sich zu lassen. Mit seiner Gitarre und zwei Dollar fünfzig in der Hosentasche trampt er die hundert-und-ein-paar Meilen über den Highway 49, entlang am »Ol’ Man River«, hinauf nach Memphis, Tennessee. Nicht allzu weit weg, aber eine völlig andere Welt für den Bauernjungen aus dem Delta. In den Städten des Nordens bietet das Leben für Schwarze mehr Möglichkeiten. Im Süden gibt es klare Regeln: »Du durftest nicht wohnen, wo du wolltest, du musstest weiße Frauen in Ruhe lassen. In Städten wie Chicago aber war das anders. Du durftest heiraten, wen du wolltest, und konntest dir sogar ein Auto kaufen. Außerdem konntest du dir einen feinen Anzug leisten, wir im Süden hingegen trugen tagaus, tagein diese Arbeitsoveralls…«.
Traumhafte Aussichten für den passionierten Traktorfahrer Riley. Der besucht nun in Memphis seinen Cousin, den später ebenfalls zu Ruhm gekommenen Bluesbarden Bukka White. Zehn Monate lang wird der 21-Jährige bleiben. Die wichtigste Lektion, die Bukka ihn lehrt: »Wenn du ein Bluessänger oder ein Musiker sein willst, zieh dich an, als würdest du zu einer Bank gehen, um Geld zu leihen.« Das Klischee vom Blueser mit der Zigarette im Mundwinkel und der Whiskeyflasche in Reichweite ist King schon damals zuwider. Wer ihn jemals auf der Bühne sah, hat einen gepflegten Herrn in bester Garderobe und mit vorbildlichen Manieren erlebt.
1947 kehrt King zurück nach Indianola. Ihn quält das Heimweh, und er sehnt sich nach Martha, die er zwei Jahre zuvor geheiratet hat. Im Spätherbst 1948 aber siedelt er endgültig um nach Memphis, damals das musikalische Zentrum des amerikanischen Südens. Kaum in der Stadt, macht der 23-Jährige erstmals auf sich aufmerksam, als er in der Radioshow des späteren Bluesstars Sonny Boy Williamson (bürgerlich Aleck »Rice« Miller und nicht zu verwechseln mit dem 1948 bei einem Raubüberfall in Chicago mit einer Eispicke ermordeten Harp-Pionier John Lee »Sonny Boy« Williamson) auftreten darf. Williamsons Gitarrist Robert »Junior« Lockwood, zeitweise Begleiter des legendären Robert Johnson, kennt B. B. aus gemeinsamen Tagen in Indianola. Bald bekommt King eine eigene zehnminütige Radiokolumne beim Sender WDIA, wo er unter dem Titel »King’s Spot« das Gesundheitswässerchen »Peptikon« bewirbt. Die Sendung ist so populär, dass sie zum »Sepia Swing Club« erweitert wird, Rileys eigener Show, in der er Jazz, Blues und Gospel vorstellt. Allerdings braucht der frischgebackene Radiostar einen griffigen Namen. Zunächst nennt er sich nach der legendären Straße, in der sich die wichtigsten Clubs in Memphis befinden, Beale Street Blues Boy, verkürzt das aber bald schon zu Blues Boy und dann B. B.
1949 kennt man ihn und seine musikalischen Fähigkeiten in Memphis. Er nimmt erste Tracks für Jim Bulleits Bullet Records auf, wenig später unterschreibt er einen Kontrakt bei Modern Records. Seine Platten sind zwar noch keine Hits, machen ihn aber in der Region populär und sichern ihm genügend Jobs in den Liveclubs der Stadt. Als Produzent für B. B.’s Frühwerk zeichnet in diesen Jahren oft ein rühriger junger Weißer namens Sam Phillips verantwortlich, zu dessen Kunden auch Howlin’ Wolf, Rufus Thomas und der blutjunge Roscoe Gordon zählen. Bald wird er sein eigenes Studio eröffnen und Elvis Presley, Carl Perkins, Johnny Cash und all die anderen entdecken.
B.B. steht nun bald jede Nacht auf der Bühne. Einer dieser Abende kostet ihn fast das Leben. In einem Club in Twist, Arkansas, geraten zwei Männer in Streit, in der Folge kommt es zu einem Brand im Zuschauerraum. Alle flüchten nach draußen, auch B. B. Als er aber bemerkt, dass er seine Gitarre vergessen hat, rennt er zurück in das lichterloh brennende Gebäude. Er kann seine Gitarre retten, trägt aber schwere Verbrennungen davon. Am nächsten Tag erfährt er, dass sich die Männer wegen einer Kellnerin namens Lucille geprügelt haben. Fortan nennt er seine Gitarre so – das Instrument soll ihn immer daran erinnern, niemals wieder wegen einer Frau eine solche Dummheit zu begehen.
1951 schafft B. B. King den nationalen Durchbruch. Allerdings ausschließlich bei einem schwarzen Publikum, denn in den Tagen vor Rock’n’Roll geht kein Weißer in die Konzerte eines schwarzen Bluessängers, und umgekehrt haben Schwarze bei den Konzerten weißer Künstler nichts verloren. Gleiches gilt für Schallplatten, der weiße Pop- СКАЧАТЬ