Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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In seinen Büchern polemisierte Grimm auch gegen Briten und Franzosen, in denen er hauptsächlich skrupellose Händler und rücksichtslose Kolonisatoren sah. Ähnlich, wenn auch weniger auf die Kolonien bezogen, verfuhr Karl Aloys Schenzinger im Roman Anilin (1937), in dem deutsche Wissenschaftler als Erfinder gegen unfaire englische Konkurrenten kämpfen.98 Wenn es in Romanen gegen Briten und Franzosen ging, drehte es sich hinsichtlich der Ersteren meist um Handelsprobleme, in Bezug auf die Letzteren um Intellekt und Moral: Das von den Franzosen mit der Aufklärung ausgerufene Zeitalter der Vernunft werde durch die in Paris zu beobachtenden Orgien und Perversionen korrumpiert.99
Durch diese ganze Literatur zieht sich ein dünner Faden an Anti-Intellektualität, der mit der Irrationalität der NS-Ideologie selbst korrespondiert. »Denken« sei »ein Strudel«, sagt der Graf zu Kapitän von Orla in Wiecherts Das einfache Leben, nachdem Orla versucht hatte, »die Wunder des Universums« ausfindig zu machen.100 Von Mechow bezweifelte eine »gelehrte Schulphilosophie vom Schreibtisch«, und in Tüdel Wellers Roman Rabauken (1938) wird jedes Gespräch über Freud und Psychoanalyse von Juden geführt.101 In Will Vespers Geschichten von Liebe, Traum und Tod (1937) ist »tüchtiges, ehrliches Wissen« mehr wert als eine akademische Karriere.102
Der Intellektuelle war in der Großstadt zu Hause, darum brachten die Schriftsteller im Dritten Reich dem Urbanen ganz besondere Verachtung entgegen, während sie das Landleben verherrlichten. Für diese Neoromantiker war die Stadt ein Prisma, das in Verdichtung alles Schlechte zeigte, dem ihre Ablehnung galt. Die Häuser der Stadt waren laut Wiechert wie »Gräber in einem toten Land«.103 Er verwarf, wie ein ihm Gleichgesinnter richtig bemerkte, alles, was nicht Natur war, während alles, was von ihr stammte, vollkommen war.104 Für Autoren wie Will Vesper, Fritz Stelzner und Kuni Tremel-Eggert war die Stadt anonym und seelenlos.105 Bordelle und verbotener Sex seien kein Umfeld für das Gebären und Aufziehen von Kindern. Die Stadt sei voll von Juden und den eitlen Vergnügungen, die Korruption und Raub boten. Dort konnten aus ihrer Sicht nur Kommunisten leben.106
Was aber blühte auf dem Lande im Gegensatz zur anonymen Industriestadt? Natürlich das Bauerntum, darüber hinaus aber die alten Handelsgeschäfte und Handwerke, all das, was Frauen und Männer mit ihren Händen verrichteten. Viele Romane und auch Gedichte feierten die Tugenden des Handwerkers und Kunsthandwerkers; dem zugrunde lag Hitlers Maxime, »Arbeiter der Stirn und der Faust« seien einander gleichwertig. In Ernst Wiecherts ostpreußischer Abgeschiedenheit sieht Kapitän von Orla seinen Lebensinhalt darin, fischen zu gehen, im Wald zu roden und Zimmermannsarbeit zu verrichten.107 Ähnlich heben andere Schriftsteller Arbeiten wie Sattlerei, Maurerei und Blechschmiederei hervor.108 Heinz Steguweit jubelte dichterisch: »Der Schreiner sprach zum Dichter stolz:/Wir sind von gleichen Sorten;/ich schaff mit Säge, Hobel, Holz,/mit Hammer, Nagel oder Bolz –/Du schreinerst fein mit Worten.«109
Die Glorifizierung der Handarbeit entsprach der Verherrlichung von Ländlichkeit, Dörflichkeit und heimatlicher Scholle durch NS-Schriftsteller. Das Ländlichkeitsideal war nicht den Vorstellungen Hitlers entsprungen, sondern einem frühen Gefolgsmann, dem Agrarpolitiker Richard Walther Darré; allerdings benutzten Hitler und Goebbels dieses Ideal, um die Massen in den ländlichen Gebieten anzusprechen.110 Auch literarisch ging die Idolisierung des Landlebens bereits auf vorindustrielle Zeiten zurück, wobei alle anschließend durch die industrielle Revolution verursachten Veränderungen standhaft geleugnet wurden. Schon im späten 19. Jahrhundert hatten sich der Bayer Ludwig Thoma und der Steiermärker Peter Rosegger als die unbestrittenen Vorkämpfer des Ländlichen hervorgetan. Thoma gehörte zu Goebbels’ Lieblingsschriftstellern.111
Die Ländlichkeit wird in den Büchern deutscher Schriftsteller zwischen 1933 und 1939 sehr holzschnittartig gezeichnet: Zumeist geht es um das Alltagsleben des Bauern, um seinen Acker und dessen Früchte, um die Arbeitstiere (Traktoren fehlen), Vieh, das versorgt oder verkauft werden muss. Die (erweiterte) Familie, die ihn unterstützt und die zu ernähren er die Verantwortung trägt, besteht aus seiner Ehefrau, den Kindern (vorzugsweise Söhnen als Erben), manchmal auch Schwägern und Enkeln und, mangels Maschinerie, dem mit auf dem Hof lebenden Knecht. Die Menschen sind archaisiert dargestellt und sprechen den lokalen Dialekt, lesen kaum und ernähren sich von einfacher Kost. Sie gehen im Sonntagsstaat in die Kirche, treffen sich, um in gemeinsamer Runde Bier oder Wein zu trinken oder wichtige Familienfeste zu feiern. Die Ehefrauen leben zumeist unterm Joch, die Töchter erst recht; häufig werden sie gegen ihren Willen verheiratet; Bekannt- und Freundschaften gibt es wenige, dafür sind sie umso enger. Wie im Mittelalter lasten uralte Flüche, böse Vorahnungen schwelen, vor allem, wenn Untaten verübt worden sind. Die Vorsehung spielt ihre Rolle – eine Macht, auf die Hitler sich gerne berief. Naturkatastrophen werden tapfer bewältigt, wobei das Überleben nicht immer gesichert ist. Aber der Bauer und die Seinen halten auf der von ihnen bewahrten Scholle stand, wenn die patriarchale Daseinsweise ernsthaft und bisweilen unwiderruflich bedroht wird – vor allem durch Einflüsse einer nahe gelegenen Stadt. Aber alles in allem sind diese ländlichen Szenerien in ihrem So-Sein festgeschrieben, gegen die Dynamik der Stadt, der Modernität.112
In seinem Gedicht »Flieg, deutsche Fahne, flieg!« fing Hans-Jürgen Nierentz die Fetischisierung von »Blut und Boden« ein, als dieses Konzept zum literarischen Inventar avancierte. Das Gedicht zog die Verbindung zwischen der bäuerlichen Liebe zur Scholle und dem Blut, das er möglicherweise vergießen müsse, wenn er sich aufmachte zur Eroberung von »Lebensraum im Osten«. Das Gedicht sprach vom Führer, der bereit sei, Bauern mit ihren Hacken und Spaten durch deutsche Lande zu leiten, die vor Soldaten bereits nur so strotzten.113 Das Gedicht wies mit offener Militanz schon 1936 auf den Angriff hin, der drei Jahre später auf den Osten erfolgen sollte. 1938 veröffentlichte Hans Friedrich Blunck seinen Roman über den Deutschordensritter Walter von Plettenberg, der den russischen Großfürsten Iwan III. in der Schlacht besiegte114 – ein Jahr, bevor Hitler in Polen einmarschierte, und drei Jahre vor dem Überfall auf die Sowjetunion.
Presse und Rundfunk
Praktisch keine Zeitung oder Zeitschrift konnte nach der Machtergreifung irgendetwas ungeprüft veröffentlichen, mochte der Inhalt auch noch so trivial sein. Einige Autoren arbeiteten für die Presse, manche sogar als fest Angestellte. Zu diesen gehörte Friedrich Sieburg, der, geboren 1893, schon als 26-Jähriger im Ersten Weltkrieg sich als Flieger betätigt und dann in Berlin seine schriftstellerische Karriere begonnen hatte. Mitte der zwanziger Jahre arbeitete er für die liberal-konservative Frankfurter Zeitung und zu Beginn der NS-Herrschaft war er ihr Korrespondent in Paris. Er selbst tendierte zur politischen Rechten und verteidigte den Nationalsozialismus gegenüber ausländischen Kritikern so überzeugend, dass Berlin ihn 1939 in den Auswärtigen Dienst berief.115 Seinem Konservatismus hatte Sieburg nicht nur in Artikeln für die Frankfurter Zeitung, sondern auch in einigen Büchern Ausdruck verliehen. So erklärte er, Humanismus und Liberalismus seien mit der französischen Aufklärung verbunden und für das »neue Deutschland« nicht geeignet.116 Oder er pries den portugiesischen Diktator Salazar als Führerpersönlichkeit ersten Ranges. Er zog Parallelen zu Hitler, indem er den früheren Professor für Wirtschaftswissenschaften als anspruchslosen, bescheidenen Menschen beschrieb, der nicht aus persönlichem Ehrgeiz, sondern aus Notwendigkeit zum autokratischen Herrscher seines Landes geworden sei. Seinen Kampf gegen den Kommunismus rechnete Sieburg ihm hoch an; Salazar müsse allerdings auf dem Weg in eine vielversprechende Zukunft noch eine Lösung für das »Rassenproblem« finden. Denn der portugiesische Eroberer Alfonso de Albuquerque habe zu Beginn des 16. Jahrhunderts den schweren Fehler begangen, die Heirat von Seeleuten und Siedlern mit farbigen Eingeborenen in den neu erworbenen Kolonien zu fördern. Die Ergebnisse könne man, so Sieburg, heute noch auf den Straßen portugiesischer Städte sehen.117
Sieburg und seine Kollegen in den deutschen Zeitungen ließen sich vom im Oktober 1933 verabschiedeten Schriftleitergesetz ebenso leiten wie von den regelmäßigen Direktiven aus dem Propagandaministerium. Eine neue Institution, das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB), sorgte des Weiteren für die politisch genehme Steuerung СКАЧАТЬ