Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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Mit dem außerehelichen Beischlaf und der unehelichen Geburt von Bauer Wulfs Enkel werden Themen eingeführt, die den Großteil der völkischen Literatur vor der nationalsozialistischen Herrschaft und währenddessen bestimmen, unabhängig davon, ob sie in grauer Vorzeit oder in der Gegenwart spielen. Die typische Literatur der NS-Zeit handelt von Wikingern, Germanen und Genealogien.79 Ferner geht es um Frauenbilder, Eugenik, Rassenbewusstsein bis hin zur Fremdenfeindlichkeit, Liebe zum Landleben, Besiedlung (Osteuropas), Handwerk und einen damit einhergehenden Hass auf die Stadt und ihre Eigenschaften. Lässt man ästhetische Erwägungen beiseite (Saul Friedländer hat die ganze Melange zutreffend als »Kitsch« bezeichnet), ergibt sich ein Muster aus männlich dominierten archaischen Strukturen und anti-intellektuellen Impulsen, eine antimoderne, von verschwommenen Gefühlen regierte Welt.80
Vielfach war die NS-Literatur von biopolitischen, organologischen Obsessionen beherrscht. In der germanozentrischen Welt dieser Autoren galt die Mutter, wie im Beispiel von Magdlene Wulf, als Quell alles lebenswerten Lebens. In der NS-Ideologie wie in der entsprechenden Literatur war Mutterschaft die Hauptaufgabe der Frau. Danach kam ihre Rolle als Gehilfin des Mannes, als eugenische und erotische Partnerin. Schilderungen verehrungswürdiger Mütter finden sich in vielen NS-Romanen, besonders in Walter Bauers Das Herz der Erde (1933), in dem der Autor allein das Klischee pflegt.81 Bauer schilderte die Mutter in den höchsten Tönen einer alles Erlaubte überschreitenden Gefühligkeit. In einer quasi-masturbatorischen Szene entkleidet sich die schwangere Alma und, von »Nachtluft umweht«, spürt sie »die Kraft ihres Leibes«. Einige Seiten später heißt es: »Ich habe dich erkannt, Mutter. Sollten ihre Brüste nicht mehr seinem Durste dienen? Sie war seine Mutter.« Dann wieder sieht Alma sich in einem Ladenfenster und findet sich »stark, braun, mütterlich gesund«.82 Auch andere Romane huldigten dem Mutterkult, ja, der Fruchtbarkeit an sich. Jansen hat dafür die Isländer vorgesehen, Steguweit den Weltkrieg, als Deutschland selbst die Mutter war, Otto Paust zeichnet die Freikorps als mütterlich, während Karl Benno von Mechow, Hans Carossa und Ernst Wiechert dafür das Land wählen.83 Der SA-Barde Heinrich Anacker fasste das Thema für die Nationalisten in einem Gedicht zusammen, in dem eine Mutter drei Söhne geboren hatte, damit sie für Deutschland sterben konnten, und Hans-Jürgen Nierentz empfahl, ebenfalls in einem Gedicht, zimperlichen Frauen, ruhig auf die Geburt ihres Kindes zu warten.84
In gewissen Szenarien, in denen das Mädchen, die Mutter (für völkische Eugenikanhänger nur ein Gebärgefäß) als erotisches Lustobjekt hätte fungieren können, wichen die Autoren häufig der Versuchung aus, um nicht, wie die Naturalisten oder Expressionisten – Hauptmann und Halbe, Schnitzler und Wedekind – der Pornographie bezichtigt zu werden.85 Vielmehr wurden Freundinnen und sogar Ehefrauen als »Kameraden«, pragmatische Gehilfinnen des Mannes, dargestellt.86 Oder es gab die Möglichkeit, sie zu infantilisieren und dadurch zu marginalisieren, damit sie die organische Hierarchie mit der Vorherrschaft des Mannes nicht gefährden konnten.87
Die Gesetze der Eugenik mussten beachtet werden, sonst waren die natürlichen Folgen solcher Vernachlässigung unabwendbar. Idealerweise sollten Männer wie Frauen für die Volksgemeinschaft ein Vorbild an genetischer Gesundheit sein und den (auch außer-)ehelichen Geschlechtsverkehr meiden, wenn erbliche Belastungen vorlagen. In Betina Ewerbecks Roman Angela Koldewey (1939) ist dies das Schicksal des Malers Martin, den die Medizinstudentin Angela nicht heiraten kann, weil es in seiner Familie eine Erbkrankheit gibt.88 (Ewerbeck war die Ehefrau des führenden SS-Arztes Kurt Blome, der später im Nürnberger Ärzteprozess zu den Angeklagten gehörte.) Edwin Erich Dwinger ließ einen seiner Freikorpsanführer predigen: »Mit der Verhätschelung der Armen beginnt das Ungesunde, mit der Bevorzugung der Kranken der Selbstmord!«89 Mit getragenem Ernst schilderte Friedrich Griese in seinem Roman Die Weißköpfe (1939) den Umgang mit einem behindert geborenen Kind in den alten Zeiten: »Das Kind sei hinausgetragen und an einer verschwiegenen Stelle im Wald niedergelegt worden, zuweilen habe man es ertränkt oder lebendig begraben, um einen schnelleren Tod herbeizuführen.«90 Das Veröffentlichungsjahr der Bücher von Ewerbeck und Griese fällt mit dem Beginn der NS-Euthanasiekampagne zusammen, die behinderte Kinder als »lebensunwertes Leben« zum Tode verdammte.91
Auch Rassereinheit war ein Thema für die eugenischen Eiferer. In der erstickenden Atmosphäre der Xenophobie gerieten die Juden, als potenzielle »Rassenschänder«, als Erste zur Zielscheibe, vor allem die nach dem Ersten Weltkrieg vermehrt eingewanderten Ostjuden, obwohl die Assimilierten weiterhin die überwiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung bildeten. Danach kamen die Schwarzen und schließlich die Sinti und Roma (»Zigeuner«).92 Hitlers zeitweiliger Mentor Dietrich Eckart wurde gefeiert, weil er, so glaubte man, die »jüdische Frage« in den Mittelpunkt der nationalen Aufmerksamkeit gerückt habe. In Romanen wurde Juden häufig angelastet, sie hätten das deutsche Volk und insbesondere das Heer nach dem November 1918 betrogen. Die Folge, so wurde insinuiert, seien die Verstrickung der Juden in alle möglichen Korruptionsnetzwerke und, damit einhergehend, sexuelle Übergriffe auf »arische« Frauen.93 Auch die Jazzbegeisterung der zwanziger Jahre war völkischen Autoren zufolge das Ergebnis jüdischer Manipulation der von »Negern« erfundenen Jazzmusik.94
Die Angst der Nationalisten vor Menschen dunkler Hautfarbe hielt sich vor und nach 1933 zwar in Grenzen, weil es nur wenige davon – als Zeugnis von Deutschlands kolonialer Vergangenheit – im Lande gab. Dennoch fehlten sie nicht im Katalog der völkischen Phobien und waren dergestalt Gegenstand eugenischer Besorgnisse. Vor allem der Schriftsteller Hans Grimm, einst Korrespondent in (Deutsch-)Südwestafrika, fachte den Hass auf Schwarze an, als er in seinen Büchern vor »Rassenvermischung« warnte. Das begann mit Volk ohne Raum, zuerst veröffentlicht 1926 und mit über 300 000 verkauften Exemplaren ein Bestseller im sogenannten Dritten Reich. Es folgten Geschichten wie in Lüderitzland (1936), in denen er die Deutschen in Südwestafrika (dem heutigen Namibia) verherrlichte, die Hereros, die Opfer des ersten deutschen Genozids (1903/04), dagegen verunglimpfte. »Kaffern« röchen schlecht, meinte Grimm, und die Mädchen, sexuell zügellos, seien fortwährend darauf aus, weiße Männer zu verführen. Auch Hanns Johst warnte vor »schwarz-weißen Mesalliancen« wie in Marseille, wo 1936 »achtzehntausend Mischlinge … zur Schule angemeldet« worden seien.95
Lektüre über angeblich feindselige Nachbarländer, allen voran über den geheimnisvollen Riesen Sowjetunion, nicht zuletzt, weil dort, so hieß es, Juden lauerten, die im Hintergrund die Strippen zögen, wurde zum beliebten Zeitvertreib. Angeblich konspirierten die Juden dort mit den herrschenden Kommunisten, um deutsche Minderheiten zu unterdrücken – anständige Bauern, die sich unter Katharina der Großen oder später auf der Krim und im Kaukasus niedergelassen hatten. Deutsche, nicht Russen oder ukrainische Kulaken waren in diesen Darstellungen die Opfer der vom Kreml inszenierten Hungersnöte, an denen Millionen starben. Zudem würden die Deutschen dort von wilden Bergvölkern gejagt. Waren die Russen keine Juden, dann eben hässliche und grässliche Tataren ohne Sitte und Anstand, dem Wodka verfallen.96 Als sich 1938 die Sudetenkrise entwickelte, kamen außerdem Romane über die deutschen Minderheiten in der СКАЧАТЬ