Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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In den ersten Monaten nach der Machtergreifung versuchte Goebbels, den in der Krise steckenden deutschen Film organisatorisch und finanziell in den Griff zu bekommen, von den seiner Auffassung nach vorhandenen ästhetischen und ideologischen Mängeln gar nicht zu reden. Ökonomisch war die Filmindustrie infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise und dem zum Ende der Weimarer Republik hin erlittenen Qualitätsverlust im Januar 1933 so gut wie bankrott. Goebbels nahm institutionelle Veränderungen vor, die im Herbst 1933 in der Schaffung einer Reichsfilmkammer innerhalb der RKK gipfelten. Begleitet wurde die Zentralisierung von einer finanziellen Stabilisierung, wozu auch die Erhöhung der Eintrittspreise von bisher 10 auf 60 Pfennig, dann einer Mark gehörte, sodass Kinobesitzer wieder die Gewinnzone erreichten. Immerhin konnte die Filmindustrie von 1932 bis 1936 einen Gewinn von 90 Millionen Mark realisieren; fast 28 Millionen davon erhielten die Verleiher.154 Ferner wuchs die Zahl der Kinobesucher zwischen 1933 und 1939 von 245 auf 624 Millionen und entsprechend die Zahl der Kinos von etwa 5000 auf 7000.155
Weil etwas Revolutionäres so schnell nicht zu haben war, folgte der Film in der Anfangszeit der NS-Diktatur in Form und Inhalt Mustern, die sich bereits in der Weimarer Republik bewährt hatten; harmlose Filme aus dieser Zeit, die nach der Machtergreifung fertiggestellt worden waren, durften gezeigt werden, während die problematischen verboten wurden. Die bewährten Genres jedoch – große Kostümfilme, historische Filme, Operetten, Melodramen und Komödien – wurden weiterhin von der 1917 gegründeten Ufa produziert, die seit 1927 dem Medienkonzern Alfred Hugenbergs angehörte. Sie besaß ein Quasi-Monopol, bis unter der Schirmherrschaft von Goebbels neuere oder kleinere Firmen Fuß gefasst hatten: Tobis, Berlin-Film, Wien-Film, Bavaria und Terra. 1933 produzierte die Ufa den Film Viktor und Viktoria, eine Komödie mit Renate Müller in der weiblichen Titelrolle. Sie wurde Hitlers Lieblingsschauspielerin, starb jedoch schon 1937, angeblich durch Suizid, weil die Gestapo Behauptungen zufolge sie und ihren jüdischen Liebhaber verfolgt hatte. Eine weitere Produktion war Ein Lied für Dich (1933), ein Operettenfilm mit dem (»halb-jüdischen«) Tenor Jan Kiepura in der Hauptrolle. Regie führte Joe May, ein Jude, der danach Deutschland verließ und nach Hollywood ging, wo seine Karriere jedoch im Misserfolg endete. 1934 kam Maskerade in die Kinos, ein reich ausgestatteter österreichischer Kostümfilm unter der Regie von Willi Forst. Die weibliche Hauptrolle spielte Olga Tschechowa, und die Kostüme entwarf Oskar Strnad (ebenfalls Jude).156 Die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler, die zwischen 1933 und 1939 in deutschen Filmen auftraten, hatten ihre Karriere in der Weimarer Republik begonnen, und nur wenige von ihnen bekannten sich zum Nationalsozialismus.157 Zu diesen gehörte Jenny Jugo, die Hauptdarstellerin in Ein Lied für Dich; sie war häufig zu Gast bei Familie Goebbels und auch bei Hitler, ebenso wie Olga Tschechowa, eine Nichte Anton Tschechows. Zu denen, die schon vor der Machtergreifung Nationalsozialisten gewesen waren, gehörten der junge Schauspieler Veit Harlan und höchstwahrscheinlich Luise Ullrich, Mathias Wieman und Paul Hartmann.
Nach der Machtergreifung gehören viele zum engeren Bekanntenkreis von Goebbels und Hitler, wie etwa Anny Ondra, die Ehefrau von Max Schmeling. Die beiden wohnten neben den Goebbels auf der Halbinsel Schwanenwerder im Wannsee. Heute liegen die wahren Überzeugungen der Stars, wie sich den detaillierten Eintragungen in des Propagandaministers Tagebüchern entnehmen lässt, offen zutage, während die jeweiligen Memoiren mindestens apologetisch gefärbt sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg behaupteten sie, als Künstler das Privileg des Unpolitischen gehabt zu haben oder, wichtiger noch, als Künstler zwangsläufig neutral geblieben zu sein, um besser in die Rolle eines Heiligen oder Schurken, eines Kommunisten oder Nationalsozialisten schlüpfen zu können.158
Das war eine lahme Ausrede angesichts der Tatsache, dass viele Schauspieler sich bereits in der Weimarer Republik politisch exponiert hatten und dies auf die eine oder andere Weise auch im sogenannten Dritten Reich tun würden. Exemplarisch dafür ist Heinrich George, der im ersten wirklich bemerkenswerten Nazifilm, Hitlerjunge Quex (1933), einen kommunistischen Vater spielte, der allmählich seinen Weg zum Nationalsozialismus findet, den sein Sohn Rudi schon seit Längerem beschreitet. In der Weimarer Zeit war George überzeugter Marxist gewesen und hatte auf der schwarzen Liste der Nationalsozialisten gestanden; unter Hitler setzte er seine Karriere als in der Wolle gefärbter Nationalsozialist fort.159
Während die Partei nach der Machtergreifung ihre rituellen Botschaften über die Ätherwellen dröhnen ließ, beeilte sich die Filmindustrie, dem mit Filmen nachzueifern. Schließlich wollte man sich loyal zeigen. Nach zumindest einem misslungenen Versuch war das erste bemerkenswerte Beispiel für eine Reihe von Filmen über die NSDAP SA-Mann Brand, der am 14. Juni im Berliner Ufa-Palast Premiere hatte; Hitler war in der zweiten Vorstellung zugegen. Der Film bediente ein Muster, das bereits aus Romanen über die »Kampfzeit« der Partei bekannt war: Vor der Machtergreifung kämpften Nationalsozialisten, zumeist SA-Männer, heldenhaft in der großen Stadt gegen Rotfront-Angehörige, wobei Juden, häufig in der Uniform sowjetischer, von Moskau ausgesandter Kommissare als schurkische Drahtzieher hinter den Kulissen wirkten. Immerhin konnten einzelne Marxisten, da sie über innere Werte verfügten und nur verführt worden waren, auf die richtige – Hitlers – Seite gezogen werden, häufig im Rahmen einer Liebesgeschichte oder eines Generationenkonflikts. Letzteres war ein Motiv, das die HJ in den Vordergrund rückte. Für den Film SA-Mann Brand griff man auf Schauspieler zurück, die schon in der Weimarer Republik aktiv gewesen waren: Heinz Klingenberg hatte mit der linksgerichteten Hertha Thiele zusammengearbeitet, Otto Wernicke und Wera Liessem hatten im – mittlerweile verbotenen – Film Das Testament des Dr. Mabuse von Fritz Lang mitgewirkt. Wernicke war in der Rolle des sozialdemokratischen Vaters von Brand zu sehen, der sich, wie dessen künftige Geliebte, gespielt von Wera Liessem, den Nationalsozialisten anschließt. Wie in all diesen Filmen spielt ein Hitlerjunge eine tragende Rolle; entweder er oder der SA-Mann wird den Opfertod für die nationalsozialistische Sache sterben.160
Die literarische Vorlage für Hitlerjunge Quex war ein erfolgreicher Roman von Karl Aloys Schenzinger, der gerade rechtzeitig, 1932, erschienen war.161 Er feierte den Märtyrertod von Herbert Norkus, den Rotfrontkämpfer im Januar 1932 in Berlin umgebracht hatten. Der Film wurde im September 1933 in München in Anwesenheit des Führers uraufgeführt.162 Auch hier spielte neben dem Generationenkonflikt das Konversionsmotiv eine wichtige Rolle: Ehemalige Kommunisten konnten also im Dritten Reich, sofern sie nicht in einem KZ landeten, durchaus auf die nationalsozialistische Seite, ehemals kommunistische Jugendliche in Baldur von Schirachs HJ eine Heimat finden.163 Auch das Motiv »Land vs. Stadt« wurde hervorgehoben, außerdem, wie in SA-Mann Brand, das Thema »politische Erziehung«. Die Wirkung beider Filme wurde 1934 an einer zufällig zusammengestellten Gruppe von Jugendlichen getestet. Nicht zufällig erwiesen sich Brand und Heini Völker (»Quex« war sein Spitzname) als beispielhaft für Jungen wie für Mädchen, bei jenen, um den Kampfesmut zu stärken, bei diesen, um junge Frauen zu willigen Helferinnen des Mannes zu erziehen – ein Thema auch vieler NS-Romane. Eine 16 Jahre alte Verkäuferin reagierte mit den Worten, es sei schwierig, diese Filme zu vergessen, »weil wir bestrebt sind, den deutschen Männern das gleich zu tun«.164 An einem Sonntagmorgen in Berlin bekamen 70 000 Mitglieder der HJ, Jungen und Mädchen, den Film zu sehen.165
Der Film Hans Westmar, im Dezember 1933 in den Kinos, erwies sich als kompletter Misserfolg. Insgesamt betrachtete Goebbels die SA-Filme nicht als Musterbeispiele für weitere Nazi-Geschichten auf Zelluloid; seine Einstellung dazu war so negativ wie zu den frühen Radioprogrammen. Zwar lobte Rosenbergs Völkischer Beobachter, der Film SA-Mann Brand sei »ein gelungener Versuch«, die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen, Goebbels aber fürchtete, dass andere NS-Institutionen in solchen Produktionen eine naive und grobschlächtige Aufarbeitung der »Kampfzeit« der Bewegung ohne wirklichen Bezug zur Realität sehen würden.166 Schlimmer noch, das ganze Genre sei »Konjunkturkitsch«. Zwar forderte er auch weiterhin die filmische Darstellung politischer Botschaften, СКАЧАТЬ