Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ Ricarda Huch ging richtig davon aus, dass ihr Protest den sofortigen Bruch mit der Akademie zur Folge haben würde. Sie zog sich ins Privatleben zurück.42

      Wenden wir uns nun den einzelnen Kunstgattungen zu. Allein die deutschen Bühnen – ohne Berücksichtigung der Filmindustrie – verloren in den ersten Monaten der NS-Herrschaft zehn Prozent ihres Vorkriegspersonals und ein Drittel der Intendanten, von denen viele Juden waren. In München wurde der umtriebige Intendant Otto Falckenberg, der Stücke von Brecht und anderen modernen Autoren aufgeführt hatte, von der Geheimpolizei inhaftiert, nach kurzer Zeit aber wieder freigelassen.43 Falckenberg hatte gerade jene Genres in den Mittelpunkt gerückt, die jetzt tabu waren: den Naturalismus der Jahrhundertwende und anschließend den Expressionismus, der noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs seinen Anfang genommen hatte. Die naturalistischen und expressionistischen Dramen setzten sich mit der Psychologie von Individuen in ihren zwischenmenschlichen, oftmals konfliktreichen Beziehungen auseinander, während die Nationalsozialisten eine in »rassisch« bestimmten Gemeinschaften positiv-dynamisch verlaufende Handlung bevorzugten. Zu den naturalistischen Autoren, deren Werke während der Weimarer Republik fast die Hälfte des Repertoires ausgemacht hatten und jetzt offiziell verbannt wurden, gehörten Hermann Sudermann, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind, Walter Hasenclever, Ernst Toller und Carl Zuckmayer.44 Georg Kaiser, der produktivste expressionistische Dramatiker der zwanziger Jahre, brachte sein neuestes Stück Der Silbersee, ein quasi-sozialistisches Lehrstück, Ende Februar 1933 gleichzeitig an drei Theatern – in Magdeburg, Leipzig und Erfurt – zur Premiere. Die Musik stammte von Kurt Weill. In Magdeburg spielte der Kommunist Ernst Busch die Hauptrolle. Der Stahlhelm und NSDAP-Funktionäre erklärten die Aufführung für verboten und erwirkten die vorzeitige Absetzung des Stücks. Ähnliches geschah in Erfurt und in Leipzig, wo der jüdische Komponist Gustav Brecher die Aufführung musikalisch leitete. Brecher musste später fliehen und nahm sich 1940 im belgischen Ostende das Leben.45

      Viele deutsche Bühnenschauspieler waren auch im Film tätig, wo ebenso Verbote ausgesprochen wurden. Wer in einschlägigen Filmen der Weimarer Zeit gespielt hatte, verlor seine Stellung, so wie die vormals beliebte Hertha Thiele, die in dem linken, expressionistischen Klassiker Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt? von 1932 mitgewirkt hatte. Mitautor des Drehbuches war Bertolt Brecht, die männliche Hauptrolle spielte Ernst Busch. Nachdem Thiele es abgelehnt hatte, in einem Film Erna Jänicke zu verkörpern, die Freundin des 1930 von Mitgliedern des Rotfrontkämpferbunds umgebrachten SA-Manns und NS-Helden Horst Wessel, erhielt sie Berufsverbot und ging in die Schweiz. Nicht nur Kuhle Wampe, auch viele weitere in der Republik produzierte Filme wurden verboten; entweder galten Thema oder Stil als inakzeptabel oder führende Beteiligte als Juden. Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse (1933) wurde beispielsweise abgelehnt, weil es den Zensoren zu expressionistisch war, ganz abgesehen davon, dass Langs »Ahnenreihe« nicht überzeugte. Nach dem Januar 1933 wurden diverse Sondergesetze zur Ermöglichung von Verboten erlassen. Das wichtigste war das Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934, das eine allumfassende Filmzensur vorsah.46

      In einem kulturellen Milieu, das auf einer Skala von eins bis zehn Richard Wagner auf die Zehn und Jazz sowie atonale Musik auf die Eins setzte, standen die Überlebenschancen für traditionelle Musik gut, für die meisten Werke der Moderne dagegen schlecht. Das galt insbesondere für konsequent atonale Kompositionen wie die von Schönberg und dessen Schüler Alban Berg. Die Nationalsozialisten begingen allerdings den Fehler, die Atonalität mit jeglicher Form von »Katzenmusik« in einen Topf zu werfen, worunter sie nicht nur Jazz, sondern auch moderne, wenngleich nicht zwölftönig komponierte Stücke wie die von Paul Hindemith oder Hermann Reutter verstanden. Noch im Januar 1938 sprach sich Goebbels wegen dessen vermeintlich atonaler Kompositionen gegen Reutters Anstellung im Frankfurter Konservatorium aus, die Bernhard Rust, Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, ins Auge gefasst hatte. (Der Konflikt zwischen zwei Ministern war typisch für die heterogenen Regierungsstrukturen im sogenannten Dritten Reich. Im Kulturbereich war zumeist Goebbels der Sieger; auf diese ungewöhnliche Kompetenzenkonstellation in Hitlers Regierungsmodell werden wir in Kapitel 2 näher eingehen.)47 Was Berg betraf, so stießen sich die Nazis nicht nur an der Atonalität seiner Oper Wozzeck, sondern auch an deren gesellschaftlicher Botschaft, in der sich humanitäre Impulse der Nachkriegszeit widerspiegelten. Ablehnung erfuhr auch Bergs andere Oper, Lulu, die Geschichte einer sexuell freizügigen Frau. Aufgrund einer Berliner Aufführung von Orchester-Auszügen musste Erich Kleiber, ursprünglich kein Gegner der Nationalsozialisten, Deutschland verlassen. Auch andere Musiker wichen gezwungenermaßen ins Ausland aus, während weitere, nachdem sie ihre Anstellung bei einem Opernhaus oder einem Orchester verloren hatten, sich irgendwie durchzuschlagen suchten. Zu Ersteren gehörten Paul Hindemith und Vladimir Vogel, ein moderner, aber nicht atonaler Komponist, der jedoch als solcher gebrandmarkt wurde. Alban Berg starb am Weihnachtsabend 1935 in seiner Heimatstadt Wien an einer durch einen Bienenstich ausgelösten Infektion.48

      Eine letzte Opernaufführung à la Weimar gab es am 12. Februar in der Berliner Staatsoper. Monatelange Proben waren ihr vorausgegangen, und ihre Schöpfer gehörten sämtlich der Avantgarde an: Regisseur war Jürgen Fehling, das Dirigat hatte Otto Klemperer, das Bühnenbild stammte von Oskar Strnad. Gegeben wurde Wagners Tannhäuser, dessen in Teilen surreale Interpretation sich gegen Bayreuth und den von Wagners farblosem Sohn Siegfried dort gepflegten, von den Nationalsozialisten geschätzten Stil richtete. Aber Klemperer und Strnad waren Juden und beide verließen das Land. Klemperer ging in die USA und Strnad in seine Heimat Österreich, wo er 1935 starb. Fehling dagegen blieb in Berlin und arrangierte sich mit dem Regime.49

      Musik wurde dem Publikum nach wie vor häufig über den Rundfunk zu Gehör gebracht. Dessen Struktur und Inhalt wurden nun gravierenden Änderungen unterworfen. Bis zu ihrer Machtergreifung hatten die Nationalsozialisten den Wert des Radios als Propagandainstrument noch nicht in vollem Umfang realisiert, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen hatte Hitler nach seiner Haft in Landsberg 1924 nur begrenzte Möglichkeiten zur öffentlichen Ansprache, weil die Genehmigung seiner Auftritte den Zensurbehörden der jeweiligen deutschen Länder oblag. Einer Präsenz im Radio war das nicht förderlich. Zum anderen war der Rundfunk eine Schöpfung der Weimarer Republik und in Funktion und Idee daher aufs Engste mit ihr verbunden, weshalb Propagandaexperten der NSDAP wie Goebbels ihm mit Misstrauen begegneten.50

      Das änderte sich mit der Machtergreifung. In einer am 18. August 1933 gehaltenen Rede versicherte Goebbels seinen Gefolgsleuten, das Radio sei ein ausgezeichnetes Instrument zu politischer Kontrolle und müsse daher in den Dienst des »Führerprinzips« gestellt werden. Doch zuvor seien die Missbräuchlichkeiten des alten Personals – Korruption, Pfründenwirtschaft, aufgeblähte Gehälter – zu beseitigen, von inhaltlichen Änderungen gar nicht zu reden.51 Die nun einsetzenden Säuberungen zielten vor allem auf das Führungspersonal, darunter die Intendanten fast aller lokalen Sender der früheren deutschlandweiten Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG). Einige von ihnen wie der Begründer des deutschen Rundfunks Hans Bredow wurden nach der Entlassung vor Gericht gestellt; andere wählten den Freitod.52 Ernst Hardt, der den Westdeutschen Rundfunk in Köln leitete, hatte schon als Intendant des Nationaltheaters in Weimar Erfahrungen mit Angriffen von rechts gesammelt. Wie viele seiner Kollegen war er ein aufrechter Sozialdemokrat. Obwohl seine Gefängnishaft in Köln nur ein paar Tage währte, stand er danach mittellos da und suchte Zuflucht bei seiner verheirateten Tochter in Berlin.53

      Goebbels, der seit seiner Ernennung zum Minister für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 durch Hitler offiziell für alle Aspekte des Rundfunks Verantwortung trug, sorgte neben den personellen Säuberungen auch im Programm für Veränderungen. Zunächst nahm er sich die moderne Musik vor: »Niggerjazz« erhielt Sendeverbot. Darunter fielen Stücke von jüdischen oder – in NS-Diktion – halb-jüdischen Komponisten ebenso wie einige ausländische Kompositionen. Stattdessen sollte die Musik »deutscher Komponisten« in den Vordergrund rücken. Insbesondere die Werke Beethovens galten als starkes Gegengift »zum Dissonanzensport, zur Unzucht der Harmonie und zum Chaos der Form«.54

      Mit einer Mischung aus paramilitärischen Gewaltmaßnahmen und gesetzlichen Regelungen wurde außerdem die Presse in die Knie gezwungen. СКАЧАТЬ