Fettnäpfchenführer Japan. Kerstin und Andreas Fels
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Название: Fettnäpfchenführer Japan

Автор: Kerstin und Andreas Fels

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

Серия: Fettnäpfchenführer

isbn: 9783958892279

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СКАЧАТЬ bleiben, anstatt in die Übergangswohnungen zu ziehen, wo sie wieder selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssten.

      Die Dekontaminierung geht derweil nur langsam voran. Die dick vermummten Arbeiter müssen Erde abtragen, Moos abkratzen sowie Dächer und Wände abwaschen. Und dann muss der verstrahlte Müll noch irgendwo gelagert werden. Tôkyô hat sich bereit erklärt, 500.000 Tonnen verstrahlte Erde zu lagern. Frau Watanabe ist aus Solidarität zu den Menschen aus den betroffenen Regionen dafür, eine Nachbarin jedoch strikt dagegen. Wer weiß, wie stark der Schutt tatsächlich verstrahlt sei, meint sie. Inzwischen gibt es in der Bevölkerung sogar vermehrt die Bereitschaft, wieder Waren aus der Region Fukushima zu kaufen. Um die Bevölkerung zu unterstützen. Ganz so weit ist Familie Watanabe noch nicht, aber sie führen bereits wieder so gut wie möglich ein normales Leben. Sicher, sie waschen Gemüse weiterhin besonders gründlich ab, achten beim Einkauf auf die Herkunft der Lebensmittel und behalten die veröffentlichten Messwerte im Auge, das schon. Aber die Auswirkungen des Tôhoku-Bebens bestimmen nicht mehr ihren Alltag. Ebenso wenig wie die Angst vor dem unvermeidlichen nächsten Erdbeben.

      Herr Hoffmann hat zum Glück nur ein leichtes Beben mitbekommen. Aber – was hat er denn nun überhaupt falsch gemacht? Nun, in Anbetracht der Umstände wird es ihm mit Sicherheit niemand ernsthaft übel nehmen, aber das Trinkgeld für seinen Drink hätte er sich getrost sparen können.

       WARUM GERADE JAPAN?

      Tief unter der Erde lebt der riesige Katzenfisch Namazu. Sobald sich die Menschen falsch verhalten, straft er sie, indem er seinen Körper wild hin und her schlägt. Ein Erdbeben entsteht. Nur der Gott Kashima kann den zappelnden Fisch bändigen, indem er ihn mit einem magischen Felsblock zu Boden drückt.

      Die wissenschaftliche Erklärung für die Erdbebenhäufigkeit in Japan ist ein wenig nüchterner. Die Inselgruppe hat das Pech, an einer tektonisch besonders aktiven Zone zu liegen. Die positive Folge sind die heißen Quellen. Die negativen Folgen: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis. Nur, was passiert da genau im Untergrund?

      Nach der Theorie der Plattentektonik ist die Erdkruste keine homogene Schale, sondern in circa 20 Platten unterbrochen. Diese Platten schwimmen sozusagen auf einem heißen See aus Magma. Strömungen in diesem teilweise geschmolzenen Gestein bewegen die Erdplatten auf der Oberfläche mit. Die Bewegung beträgt zwar nur wenige Zentimeter im Jahr, hat aber gewaltige Auswirkungen. Auf diese Weise ist Indien durch die Plattenbewegung mit Asien zusammengestoßen. Bei der Kollision faltete sich der Himalaya als eine Art Knautschzone auf. Am erdbebengefährdeten San Andreas Graben in Kalifornien schieben sich die pazifische und die nordamerikanische Platte gegeneinander.

      In Japan treffen gleich mehrere Platten aufeinander. Durch die Strömung aus der Tiefe schiebt sich direkt unter Japan die eurasische über die pazifische Platte. Dabei kommt es zu Verkeilungen der Plattenränder, die sich ab und zu ruckartig lösen und damit kleinere und größere Erdbeben erzeugen. Beim Abtauchen der einen Platte unter die andere bilden sich außerdem Blasen aus Magma, die in der nicht abtauchenden Platte nach oben dringen. Vulkane entstehen. Diese Aktivitäten im Untergrund bescheren Japan rund 40 aktive Vulkane sowie etwa 1.500 Erdbeben pro Jahr.

      Das verheerende Tôhoku-Erdbeben im März 2011 entsteht am Meeresgrund – etwa 130 Kilometer von der Küstenstadt Sendai entfernt (bis zur Metropolregion Tôkyô sind es sogar 370 Kilometer). Mit einer Stärke von 9,0 ist es das stärkste jemals in Japan gemessene Beben. Durch die Wucht des Bebens verschiebt sich Japans Hauptinsel um drei Meter. Auf einer Fläche von 100 mal 500 Kilometern wird der Meeresboden angehoben. Dieses ruckartige Anheben führt zur Bildung einer riesigen Welle – eines Tsunamis. Die Welle trifft die Küste zum Teil mit einer Höhe von über 15 Metern. Die Wassermassen überfluten weite Teile der Nordostküste, reißen Autos, Häuser, Menschen mit – fast 20.000 sterben in den Fluten.

      Das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi übersteht das Beben und wird automatisch abgeschaltet. Die Brennelemente müssen jedoch weiter gekühlt werden. Als das Stromnetz zusammenbricht, springt planmäßig die Notstromversorgung an. Kurz darauf trifft der Tsunami die Anlage mit voller Wucht. Die Notstromversorgung wird zerstört, das Kühlwasser kann nicht weiter zirkulieren und verdampft. Nach und nach kommt es durch den Überdruck an vier Reaktoren zu Explosionen, Radioaktivität tritt aus. Rund 30.000 Quadratkilometer Land werden kontaminiert, 100.000 Menschen müssen aus dem Gebiet evakuiert werden.

      Die Hauptstadt ist dagegen vergleichsweise glimpflich davongekommen. Aber das nächste große Erdbeben in Tôkyô könnte nun eher eintreffen als bisher gedacht. Das letzte große Beben war bereits 1923 – und das nächste ist längst überfällig. Dass Tôkyô ein weiteres starkes Erdbeben bevorsteht, ist völlig unstrittig. Die Frage ist nur: wann? Das kann leider niemand genau beantworten, denn der exakte Zeitpunkt eines Bebens lässt sich nicht vorhersagen. Laut Seismologen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Hauptstadt innerhalb der nächsten 30 Jahre von einem Beben der Stärke 7 auf der Richterskala getroffen wird, bei 70 Prozent. Seit dem großen Tôhoku-Beben allerdings befürchten einige Experten, dass Tôkyô schon innerhalb der nächsten Jahre von einem starken Beben getroffen wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.

      Und so bereiten sich die Hauptstädter auf das nächste Beben vor. In Schulen und Arbeitsstätten werden mehrmals jährlich Notfallund Evakuierungsübungen abgehalten, und es wird empfohlen, stets Trinkwasser für mindestens zwei Wochen im Haus sowie einen Notfall-Rucksack gepackt zu haben. Darin sollten sich haltbare Lebensmittel, Trinkwasser, Erste-Hilfe-Utensilien, Bargeld in kleinen Scheinen und ein Radio befinden, um stets die neuesten Katastrophenmeldungen zu empfangen. Zudem sind in den meisten Straßen Tôkyôs Feuerlöscher angebracht, die bei Bedarf von jedem genutzt werden können. Auch Privatpersonen sind dazu angehalten, mindestens einen Feuerlöscher in der Wohnung zu haben. Exakt geplante, extrabreite Straßen sollen zusätzlich als Feuerbarriere dienen. Neben den Feuerlöschern ist das Gewirr von überirdisch angebrachten Kabeln auffällig, das sich über die Straßen Tôkyôs spannt. Das sieht zwar nicht besonders hübsch aus, hat aber den Vorteil, dass wichtige Versorgungsleitungen nach einer Katastrophe schnell wieder instand gesetzt werden können.

      Nicht zu vergessen die Gebäude. Die traditionelle japanische Bauweise – flache Holzbauten, die bei Schwingungen relativ flexibel sind, und Wände aus Papier – war eigentlich recht gut an Erdbeben angepasst. Für die gigantischen Wolkenkratzer mussten sich die Architekten da schon was anderes einfallen lassen. Mithilfe ausgeklügelter Bauweisen, bei denen die Gebäude tief im Boden verankert werden, und Stahlkonstruktionen, die bei Erschütterungen auf elastisch gelagerten Fundamenten mitschwingen können, sollen die Gebäude bei einem Beben geschützt sein. Das Material ist so gewählt, dass es bei einem Beben zwar mitschwingt, aber nicht zerreißt. Dieses Schwingen kann man teilweise auch ohne Erdbeben in den oberen Stockwerken von hohen Gebäuden spüren.

      Ist Tôkyô also auf das nächste Beben vorbereitet? Nun ja. Das Atomkraftwerk Fukushima galt als erdbebensicher – bis zu einem Beben der Stärke 8,3. Und sogar mit einem Tsunami haben die Erbauer gerechnet. Eine fünf Meter hohe Welle hätte die Anlage verkraften können – gegen eine 15 Meter hohe Wassersäule waren sämtliche Schutzvorkehrungen machtlos. Sicher ist nur: Im Großraum Tôkyô leben in einem Radius von 50 Kilometern insgesamt 30 Millionen Menschen. Ein Viertel aller Japaner drängt sich hier auf gerade mal 3,6 Prozent der Landfläche. Wenn also ein Erdbeben irgendwo Schaden anrichten kann, dann dort ...

       Was können Sie besser machen?

      Sie haben es sicher schon erraten: Trinkgeld hat in Japan keine Tradition und kann sogar als Beleidigung aufgefasst werden. Also, sparen Sie sich getrost die zusätzliche Ausgabe – das gilt auch im Taxi, beim Friseur oder falls Ihnen das Gepäck aufs Zimmer getragen wird.

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