Название: Davidstern und Lederball
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895338809
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Auch der Fußball blieb von antisemitischen Vorfällen nicht verschont; vereinzelt wurden solche Geschehnisse auch in Bensemanns Sportzeitung erwähnt. Der Wiener Sportjournalist Willy Meisl (ein Bruder des österreichischen Verbandskapitäns Hugo Meisl) zitiert im »Kicker« ein Beispiel aus dem österreichischen »Volksblatt«. Darin wird behauptet, der Fußball werde »von jüdischem Gelde erhalten…, um die Leidenschaften der Massen aufzupeitschen und die rohen Instinkte der Menschen zu wecken«. Meisl, der selber jüdischer Herkunft war, kommentierte: »No also, bitte! Ist er nicht an allem Schuld? – Wer? – Blöde Frag’: der Jud!«30
Entsprechenden Konflikten im deutschen Sport wich Bensemann in seinen »Glossen« eher aus. Zwar veröffentlichte er zuweilen Leserbriefe oder Presseberichte, die antisemitische Stimmungen in der Turnerschaft kritisierten, doch kommentierte er sie zurückhaltend mit den Worten: »Zu einer Diskussion (dieser Berichte) kann ich nicht schreiten, da der ›Kicker‹ sich mit der Turnerei in keiner Beziehung abgibt. Ich habe genug damit zu tun, die Politik vom Sport fernzuhalten.«31
Und als die linke Zeitschrift »Arbeitersportler« behauptete, »das bürgerliche Sportpublikum (stelle) die Kerntruppen für Naziversammlungen«, während »der ›Kicker‹ krampfhaft die Augen davor zudrückt«, antwortete Bensemann mit einem Hinweis auf die parteipolitische Neutralität der Sportbewegung: »Wir haben uns niemals die Mühe gegeben, die politischen Anschauungen unserer Zuschauer zu erforschen; selbst unseren Mitgliedern steht ihre Parteizugehörigkeit völlig frei.«32
Auch ein eklatanter antisemitischer Vorfall in Bensemanns direktem Umfeld blieb von ihm unkommentiert: Im August 1932 verließ der langjährige ungarische Trainer des 1. FC Nürnberg, Jenö Konrad, über Nacht Deutschland und übersiedelte nach Österreich. Anlass waren Attacken des in Nürnberg erschienen Hetzblattes »Der Stürmer« gegen den Trainer, über den es u.a. hieß: »Ein Jude ist ja auch als wahrer Sportsmann nicht denkbar. Er ist nicht dazu gebaut mit seiner abnormen und missratenen Gestalt.«33 Obwohl Bensemann mit Konrad gut bekannt war und ihn im »Kicker« sowohl vor wie auch nach diesem Vorfall als hervorragenden Trainer lobte, schwieg er zu dem Eklat. Möglicherweise schien es ihm gerade als Juden unpassend, Angriffe auf jüdische Bürger zu thematisieren.
Verständlicher wird diese Haltung, wenn man berücksichtigt, dass Bensemann selbst mit (unausgesprochenen) antisemitischen Klischees gegen seine Person konfrontiert war. Dies galt vor allem für seinen langjährigen Streit mit dem Westdeutschen Spielverband (WSV) bzw. dessen Zentralorgan, dem »Fußball und Leichtathletik« (»FuL«). Diese Fehde war in Schwung gekommen, nachdem der »FuL« im Frühjahr 1924 ein Traktat veröffentlicht hatte, dessen Inhalt durch die Überschrift im Grunde hinreichend wiedergegeben wird: »Die drei scharfen T des WSV«, nämlich »Teutsch, Treu, Tüchtig«. Verfasser war Josef Klein, Vorsitzender des WSV-Jugendausschusses und späterer Reichstagsabgeordneter der NSDAP.34 Klein ging es um ethische Grundsätze, die für Sport und Nation gleichermaßen eine prägende Kraft entwickeln sollten. Ziel der sportlichen wie der gesellschaftlichen Erziehung waren für Klein »in und für Deutschland brauchbare Menschen«, die die »Lebenskräfte des deutschen Volkstums« retten sollten. Seine rigorose Ablehnung galt dem »schwachsinnigen Traum von sportlicher Weltverbrüderung«.
Für das erste Spiel zweier Spitzenmannschaften der verfeindeten Nachbarn Ungarn und Tschechoslowakei setzte der »Kicker« nach dem Ersten Weltkrieg einen »Friedenspokal« aus.
Bensemann druckte den Artikel nach und ließ ihn durch – überwiegend ablehnende – Gastbeiträge kommentieren. Ein Vorgehen, das ihm seitens des »FuL« den Vorwurf einbrachte, er habe »das ganze Heer« seiner »Spottjournalisten aufgeboten, um Herrn Dr. Klein lächerlich zu machen und seine Gedanken als die Ausgeburt eines nationalistischen Gehirns zu verdummteufeln«.35 Danach verging kaum eine Ausgabe des »Kicker« oder des »FuL« ohne wechselseitige Sticheleien, und der Streit eskalierte, als im Frühjahr 1925 Guido von Mengden Redakteur des »FuL« wurde. Auch er warf Bensemann vor, er mache »sehr viel in Sportpolitik, allerdings nicht in deutscher«, und fügte dieser Kritik bald einen unüberhörbaren antisemitischen Unterton bei. Beispielsweise rechnete er den »Kicker«-Herausgeber zu jenen Menschen, »die Krämer und Geschäftemacher mit Volksseele und Volksgemüt sind«36 und schrieb von einem »Mausefallenhändler«, der »aus den Ländern um Galizien« stamme. Letzterer Vorwurf war zwar gegen Hugo Meisl gerichtet, den (jüdischen) Verbandskapitän in Österreich, zielte aber gleichzeitig auf Bensemann, der mit Meisl eng befreundet war. Vor allem diese Formulierung veranlasste den »Kicker«-Herausgeber, den Streit zwar nicht inhaltlich zu vertiefen, aber formal eine Etage höher zu hängen: Er drohte mit dem Austritt des Süddeutschen Verbandes aus dem DFB, sofern der »FuL« seine Tonlage nicht mäßigen würde.37
Auch wenn Bensemann mit dieser Drohung seine Kompetenzen vermutlich weit überschritt, so verweist der Vorgang doch darauf, dass es sich bei dem Streit keineswegs um die Privataffäre zweier verfeindeter Zeitungsleute handelte. Der »Kicker« war seit 1924 das Zentralorgan des Süddeutschen Fußball-Verbandes, der »FuL« das des Westdeutschen, und ihre Fehde war durchaus repräsentativ für die politische Konfliktlage im DFB. Bensemann verfolgte in den wichtigsten sportpolitischen Fragen (wie Profitum, Verhältnis zum Arbeitersport, Beziehungen zum Ausland) einen Kurs des Ausgleichs, des Pragmatismus und der Verständigung. Dagegen dominierte beim »FuL« eine aggressive deutschnationalistische Ideologie. Klein und von Mengden formulierten in pointierter Form lediglich eine Position, die im DFB längst Mehrheitsmeinung war. Wie der Streit beweist, hätte der DFB in der Weimarer Zeit die Option auf eine andere politische Entwicklung gehabt, ohne dabei seine bürgerliche Grundhaltung aufgeben zu müssen. Aus freien Stücken wählte er einen Weg, der ihn 1933 schließlich in die Arme der Nationalsozialisten führen musste.
Guido von Mengden, Bensemanns Gegenspieler, sollte übrigens noch eine bemerkenswerte Karriere durchlaufen. Im Juni 1933 wurde er Pressewart des DFB, im April 1935 Pressereferent des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen, 1936 Generalreferent des Reichssportführers von Tschammer und Osten. In dieser Funktion wirkte der SA-Sturmbannführer als »Generalstabschef« des deutschen Sports (so der Sporthistoriker Hajo Bernett). Nach 1945 begann er eine zweite Karriere als Sportfunktionär, wurde 1951 Geschäftsführer der Deutschen Olympischen Gesellschaft, 1954 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Sportbundes und 1961 Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees – kurzum, die »graue Eminenz« (Bernett) des bundesdeutschen Sports.38 Eine wahrhaft deutsche Karriere.
Die Vertreibung
Wenige Monate vor der nationalsozialistischen Machtübernahme stellte sich Bensemanns Situation merkwürdig zwiespältig dar. Auf internationalem Parkett zeigte ihn der FIFA-Kongress 1932 in Stockholm auf dem Höhepunkt seines Ansehens. Unter den FIFA-Granden wandelte er inter pares, Gastgeber Johanson, der schwedische Verbandspräsident, pries den »Kicker« öffentlich als »das beste Sportblatt des Kontinents«,39 СКАЧАТЬ