Davidstern und Lederball. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Davidstern und Lederball

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783895338809

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СКАЧАТЬ zu) wurde in eine Zeit hineingeboren, in der die Emanzipation der Juden im Deutschen Reich augenscheinlich große Fortschritte machte. Mit der Reichsgründung 1871 waren nahezu alle gesetzlichen Diskriminierungen gefallen, und in der Dynamik der industriellen Revolution hatten es nicht wenige jüdische Bürger zu Wohlstand und wirtschaftlicher Macht gebracht. Gesellschaftliche Anerkennung war damit nur bedingt verbunden, obwohl ein Teil der jüdischen Gemeinschaft sich bemühte, durch eine betont säkulare Haltung und das Bekenntnis zum »Deutsch-Sein« die latente Diskriminierung zu durchbrechen. Absurderweise stieß gerade ihre moderne Adaption deutscher Kultur auf antisemitische Vorurteile; man warf ihnen vor, »dass sie ihre ›wahre‹ Natur mit einem ansehnlichen Schuss Kantischer Philosophie, mit Schillerschem Kosmopo-litentum und Beethoven-Sonaten zu tarnen versuchten«2.

      Wahrscheinlich wuchs auch Walther Bensemann in einer weltoffenen, intellektuell wie kulturell anregenden Atmosphäre auf; seine Mutter soll Musikabende im heimischen Salon organisiert haben, und die verwandt-schaftlichen Kontakte der Familie reichten bis nach Schottland. Die kosmopolitische Einstellung seiner Eltern wird schließlich durch die Tatsache unterstrichen, dass sie ihren Sohn im Alter von etwa zehn Jahren in den französischsprachigen Teil der Schweiz schickten, wo er in Montreux eine englische Schule besuchte.

      Vermutlich schon hier entwickelte sich Bensemanns Begeisterung für alles, was er für typisch Englisch hielt: das Ideal des Fair Play, die vorurteilsfreie Offenheit eines Weltenbürgers, die Selbstdisziplin und Philantro-pie des Gentleman, die Erziehung zum »sportsman«. Und er lernte den ihm bis dahin unbekannten Fußball kennen. Die Tatsache, dass die Schweizer Privatschulen seinerzeit stark von englischen Upper-class-Zöglingen frequentiert wurden, hatte das Land zum ersten kontinentalen Einfallstor des neuen Sports gemacht. 1883 sah Bensemann zum ersten Mal ein Foot-ball-Match englischer Mitschüler, die allerdings Rugby praktizierten. Später setzte sich Soccer durch, an dem sich auch der junge Deutsche versuchte. 1887, im Alter von 14 Jahren, gründete Bensemann gemeinsam mit englischen Mitschülern den Football Club Montreux und stellte sich stolz als dessen »Sekretär« vor.

      Als Walther wenig später auf ein Gymnasium in Karlsruhe wechselte, war er offensichtlich entschlossen, auch die deutschen Schüler für den neuen Sport zu gewinnen. Er begann eine etwa zehn Jahre währende Missionsarbeit, in der er sich mit Tatendrang, Sprachgewandtheit, charmanter Großspurigkeit und Streitlust den herrschenden Vorurteilen gegen die »englische Modetorheit« stellte. Man sah ihn – zunächst als Schüler, später als ruhelos umherziehenden Studenten – als Vereinsgründer und -förderer unter anderem in Straßburg, Baden-Baden, Mannheim, Freiburg, Gießen, Würzburg und Frankfurt (dort bei den Frankfurter Kickers, einem Vorläufer der heutigen Eintracht). In München war er 1897 an der Gründung der Fußballabteilung des örtlichen Männerturnvereins beteiligt – aus ihr entstand knapp drei Jahre später der FC Bayern. Prägend war sein Wirken aber vor allem in Karlsruhe, das in den Pioniertagen der deutschen Fußballbewegung zu einer Hochburg avancierte und wo der von Bensemann initiierte Karlsruher FV im Jahr 1910 die Deutsche Meisterschaft erringen sollte.

      Erste internationale Begegnungen

      Dies waren Ressentiments, mit denen die junge Fußballbewegung im gesamten Deutschen Reich zu kämpfen hatte; vor allem die deutsch-national eingestellte Turnerschaft wehrte sich gegen den vermeintlich schädlichen Einfluss des »englischen Aftersports« auf die Jugend. Angesichts der Tatsache, dass Teile der Turnerschaft zudem antisemitischen Tendenzen anhingen, wird umso verständlicher, dass sich ein kosmopolitisch sozialisierter Jugendlicher aus jüdischem Hause für den Fußballsport begeisterte. Bensemanns Ehrgeiz ging allerdings weiter. In einer für ihn typischen Mischung aus persönlichem Ehrgeiz und politischer Utopie plante er ein Auswahlteam, das auf dem europäischen Festland einen grenzüberschreitenden Sportverkehr herstellen sollte. Dem sollten zunächst die »Karlsruher Kickers« dienen, die Bensemann 1893 gründete und in denen er eine an den berühmten englischen »Corinthians« orientierte Elitemannschaft sah. Den Kader der »Kickers« rekrutierte er aus einem Netz von Kontakten und Bekanntschaften, das er inzwischen in Süddeutschland geknüpft hatte; sein bester Spieler übrigens stammte aus Straßburg und war ein gewisser Ivo Schricker, der knapp 40 Jahre später zum FIFA-Generalsekretär aufsteigen sollte.

      Der selbst erhobene Anspruch der »Kickers«, nämlich »Meistermannschaft des Kontinents« zu sein, wurde allerdings kaum eingelöst. Zwar gelang es Bensemann bereits 1893, die erste internationale Fußballbegegnung in Süddeutschland einzufädeln (gegen ein Team aus Lausanne), doch scheiterten seine Bemühungen, ein französisches Meisterteam nach Straßburg zu holen. Was Bensemann als Akt der Völkerversöhnung verstanden wissen wollte, hielt man in Paris für politische Provokation – immerhin war Straßburg im deutsch-französischen Krieg, also nur zwei Jahrzehnte zuvor, von den Preußen in einer mehrwöchigen Kanonade schwer zerstört worden und in den Augen der Franzosen seither widerrechtlich besetzt gehalten. »Wenn wir nach Straßburg kommen, werden wir mit unseren Kanonen kommen«, beschied eine Pariser Zeitung.

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      Die Karlsruher Kickers 1894. In der Mitte, mit Ball posierend, Walther Bensemann; ganz links Ivo Schricker, der spätere FIFA-Generalsekretär.

      Erst fünf Jahre später gelang es Bensemann, das Eis zu brechen. Er erreichte nach langwierigen Verhandlungen die Einladung eines deutschen Teams nach Paris – der erste bedeutsame Sportkontakt zwischen den beiden verfeindeten Nationen. Im Dezember 1898 gelangen dem »Bensemann Team« (das sich teilweise aus den mittlerweile aufgelösten »Kickers« rekrutierte) gegen den Pariser Meister White Rovers sowie einem Pariser Städteteam zwei Siege.

      Inzwischen aber gab es im deutschen Lager Querelen um Bensemanns internationales Engagement. Sie nährten sich zum einen aus persönlichen Animositäten – der ehrgeizige Bensemann betrieb seine Privatdiplomatie an den mittlerweile gegründeten Verbänden vorbei – sowie aus nationalistisch gefärbten Ressentiments. Einflussreiche Kreise unter den Fußballern plädierten dafür, der Fußball müsse sich zunächst als »deutsches Spiel« etablieren, bevor man sich mit ausländischen Gegnern messen und der Gefahr einer schmachvollen Niederlage aussetzen könne.