Der Heidekönig. Max Geißler
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Heidekönig - Max Geißler страница 8

Название: Der Heidekönig

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467657

isbn:

СКАЧАТЬ je!

      Härter wurde der Wille des Matheis Maris. Kühner und klarer wurde der Schnitt seines Gesichts. Trotzig sein Mund. Und weil die Sommersonne sein Antlitz sengte und er gar nicht darauf achtete, sah er nun erst recht aus, als hätte der liebe Gott den Menschen des neuen Paradieses geschnitzt aus Eichenholz. Die Wandlung, die mit seinen Augen vorging, war wunderbar. Von Kindheit hatten sie sich gewöhnt, über die Heide zu schauen bis an den Reifen des Himmels. Dann hatten sie gesucht nach seiner Sehnsucht. Nun suchten sie die Gedanken Gottes. — Daher kam das grosse Leuchten in diese Augen; daher die Spiegelung der Einsamkeit; daher die Tiefe des Schauens. Und wenn es geschah, dass wochenlang nicht das Bild eines einzigen Menschen auf den schmalen Moorsteigen wandelte und nur die hellblauen Blumen des Tages oder die dunkelblauen der Nächte in der funkelnden Klarheit des Sommers um ihn standen, dann erschauerte sein Herz recht herrlich vor der Nähe Gottes, die ihn anwehte aus dem Dufte der Heide, die ihn grüsste im leise wandernden Wind. Und da die Geschichten der Männer des alten Bundes schon in der Schule ihn erfüllt hatten, ja, da sie fast das einzige gewesen waren, was von anderen Zeiten und ihren Menschen in seinen jungen Geist gelegt worden war, so schöpfte er aus ihnen nun die Zuversicht, deren er bedurfte. Denn manchmal, wenn eine Landschaft Erde blieb unter seinem Pinsel, nichts als Erde, so dachte er, es wäre wohl wieder die Zeit für einen Scheiterhaufen, auf dem er verbrennen müsste seine Bilder und seine Hoffnungen und die wilde Verstiegenheit des Bauernjungen. Danach wollte er heimkehren, ein verlorener Sohn, und sagen ... Dann aber rang er mit dem Gott in sich wie Jakob in der Nacht an der Stätte Bethel, da er sein Haupt auf den Stein gebettet: »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!« Es ist das Gebet der Sieger. — So schritt Matheis Maris hinein in die grosse Einsamkeit.

      Durch einen nebelschweren Herbsttag drängte sich Pieter Bosboom. Wie er dachte, dass er in der Nähe der Hütte von Matheis sei, machte er aus seinen Händen ein Nebelhorn und schrie hindurch. Ahoi! Da lief Matheis Maris hinaus in das wogende Meer vom Himmel gefallener Wolken; denn er dachte, es sei einer in Not. Ahoi! So kämpften sie sich zueinander, und Matheis hing sich in Pieter Bosbooms Arm. „Nun Matheis, Mensch, also so siehst du aus! Mutter Flossy meint, es sei Zeit, dich hinüberzuholen auf die Erde!“

      Maris lachte ihm ins Gesicht. „Ich habe über Sommer Torf gestochen und getrocknet für drei Jahre. In drei Jahren wollen wir wieder davon reden.“

      Sie traten in die Stube. Die Staffelei stand am Fenster. Ein Bild war darauf: aus der Heide tauchten die Nebelgeister und zogen zur Arbeit. Auch andere sah Pieter Bosboom — tiefe Erlebnisse des künstlerischen Gemüts. Das Geheimnisvolle, das Übernatürliche hatte die Seele des Matheis Maris gesucht, seit Pieter der Gärtner nicht mehr im Paradiese gewesen war. „Es ist immer viel anders geworden mit dir, wenn man dich wiedersieht. Jetzt wirst du überweltlich.“ Er hätte gerne ein Wort gehabt, mit dem er dies Geltendmachen des Geheimnisvollen erfassen konnte, das er an Maris erkannte. Und weil er zu dem Begriffe des Mystischen nicht fand, umschrieb er ihn nicht ungeschickt. Dann redeten sie von jenseits des Paradieses. Und merkten zu ihrer Belustigung, wie die Seele des Menschen Matheis aus diesem Jenseits, in dem die Menschen wohnen, allgemach hinausstarb. — Zu ferne lagen die Felder der Erde den Gefilden seiner Seligkeit.

      Nele Greefs kam nicht mehr. Den Leuten im Dorfe fiel das Bild des Matheis Maris sacht aus den Gedanken. Aber einigemal im Herbste, da ging er eine Woche lang an jedem Tage zu Mutter Flossy oder er blieb auch über Nacht — wenn er wieder auf der Flucht vor sich selber war.

      Die Welt, die ein paar Monate im Schlafe gelegen und ein paar Wochen eingefroren gewesen war, krachte vor Seligkeit in allen Fugen. Dem Matheis Maris im Paradies erging es ähnlich. Und als ihm Mutter Flossy ein Stück Osterkuchen in eine Zeitung gewickelt herausschickte, das diesmal nicht Pieter Bosboom brachte, sondern ein Heidegänger, da merkte er, dass er im Winter heisshungrig geworden war nach dem Lande der Menschen ... Man weiss, wie freundlich er sich dies Land zu malen wusste! Es gelang ihm auch damit, dass er es hineinsetzte in das Herz Gottes und solange daran herumsann, bis es ihm zu einer fast unirdischen Vollkommenheit gedieh.

      Pieter Bosboom hatte wohl ungeheuer viel Arbeit — sonst wäre er selbst gekommen. Nun ja, die Erde zeigte in diesen Tagen, dass sie das Wundertun nicht verlernt hatte. Und der liebe Gott sass irgendwo auf einem Sonnenhügel, streckte die Hand aus und sagte: »Es werde Licht! Es fülle sich die Erde mit Blumen und Kräutern!« Und wie er gebot, so stand es da.

      Darüber hinaus dachte Matheis Maris: ob es nicht angezeigt wäre, die grossen Zibeben aus Mutter Flossys Osterkuchen gleich herauszupicken ... Auf einmal, da sprang ihm aus dem zerknitterten Zeitungsblatt ein Name mitten ins Auge: Alma Tadema! Er sei im Haag eingetroffen, einen Auftrag des Königs für seine Sammlungen auszuführen.

      Kein Lebendiger ist imstande zu ahnen, wie die wohlgeordnete Inneneinrichtung des Matheis Maris über dieser Zeitungsnachricht durcheinanderstürzte. Nur das eine blieb stehen, dass er unverzüglich reisen müsse. Der Plan, Alma Tadema in Antwerpen aufzusuchen, hatte in seiner Grösse etwas Entmutigendes für den Menschen, der die Welt von einem Ende des Himmels bis zum anderen von seinem Sandhügel aus übersehen konnte. Aber nach dem Haag?

      Sogar den für einen Bauernsohn unerhört frevlen Gedanken erwog er, ob er nicht, um im Geheimen reisen zu können — die Stalltüren öffnen und seinen Tieren, die ihn über Winter so treu versorgt hatten, die Freiheit geben sollte. Doch hätte er sie auf diese Weise dem Raubzeug ausgeliefert. Die Falken würden die Hühner unter sich teilen, dachte er; das gierige Frettchen werde sich an dem warmen Blute der Kaninchen berauschen, und der Fuchs, der seine Burg keine drei Steinwürfe weit hinter dem Sandhügel erbaut hatte, der Rotfuchs werde der weissen Ziege ein paar Tage hintereinander das Leben stückweis aus dem Leibe reissen. Matheis Maris war bei der Fuchsenfamilie zwar manch heimliche Sonnenstunde zu Besuch gewesen. Aber bis zur mitleidlosen Auslieferung der weissen Ziege ging die Freundschaft nun doch nicht.

      So stellte sich heraus, dass sein Plan, ganz insgeheim zu dem Meister zu reisen, der über sein Schicksal entscheiden sollte, unausführbar sei, jetzt und künftig. Da aber doch etwas geschehen musste, nahm er die Bildertafeln von den Wänden und verpackte sie in seinem Rucksack. Dann lockte er die Hühner in den Stall und warf ihnen Körner zu für einen Tag. Er versorgte die Kaninchen mit Heu. Er zog seinen Sonntagsanzug an, setzte die schwarze Schirmmütze auf, schloss Tür und Laden. Zuletzt nahm er die weisse Ziege an die Hand und trieb sich aus dem Paradiese. Noch keine zwanzig Schritte war er von der Hütte entfernt, da rief es hinter ihm. „Matheis Maris!“ So deutlich, dass er erschrak. — Aber es war niemand da.

      Pieter Bosboom, der in den Kulturen war, als er ihn mit der Ziege des Weges kommen sah — Pieter Bosboom putzte sich die Augen. „Mensch, was ist das mit dir? Es sind ja alle Lichter an dir ausgegangen! ...“

      „Wohl, wohl,“ sagte Matheis Maris, „es ist ja auch ein grosser Sturm im Land.“ Dann erklärte er ihm, wie er das meinte. Pieter Bosboom tat einen schweren Pfiff und zog sich die schwarze Schirmmütze fester auf die Ohren. „Wenn das ist!“

      Danach kam Matheis zu Mutter Flossy und übergab ihr den Schlüssel zu seiner Hütte und sagte ihr, wie es um das Vieh stünde und was zu geschehen habe, wenn er bis morgen abend nicht zurück sei. — Pieter Bosboom kam auch noch einmal herzu; denn es war Matheis wohl anzumerken: er hatte sich nicht so fest in den Händen wie sonst. „Du musst dir das nun nicht leid sein lassen, Matheis Maris! Wenn du den Kampf mit der Einsamkeit bestanden hast, warum fürchtest du dich vor dem Manne ... na, wie heisst er doch?“

      „Matheis Maris!“ antwortete er gefasst, wandte sich ab und ging seinen Weg. Aber zuerst fuhr er nach Utrecht, wo er seinen Bruder Jakob traf. Es sah fast aus, als wollte er dem Wagen seines Schicksals noch einmal in die Räder fallen. Doch hatte er sich nun wieder gut zusammen und sagte: „So, und nun will ich auch noch zu Willem nach Amsterdam — es geht in einem hin.“

      Er war schon sechs Tage unterwegs, da hatte er noch nicht ein Viertel des Geldes verbraucht, das er zu dieser Reise gespart hatte; denn СКАЧАТЬ