Der Heidekönig. Max Geißler
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Название: Der Heidekönig

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467657

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СКАЧАТЬ hatte. Und Neles Augen flogen ein paarmal um die Scheibe der Welt.

      „Matheis Maris, es ist von hier bis an den Himmel keine zwei Stunden ...“

      „Ja,“ unterbrach er sie, „aber bis in den Himmel ist es keine zwei Minuten.“

      Da merkte er — zum wievielten Male in der kurzen Zeit, in der sie bei ihm war? — da merkte er, dass sie ihn nicht verstand.

      „... keine zwei Stunden,“ sagte sie und färbte ihre Stimme mit Enttäuschung, „und es ist kein Dorf, kein Haus, keine Hütte, es ist überhaupt nichts Lebendiges da als ein paar dumme Kiebitze und eine Handvoll Schmetterlinge. Das ist fad.“

      „Nein, es ist merkwürdig; denn es liegen Häuser zwischen hier und dem Ringe des Himmels, sogar drei Dörfer. Aber es kuscht sich alles entweder hinter einen Eichwald oder — wie euer Haus, Nele Greefs — hinter eine Kussel Föhren.“

      „Unheimlich und fad,“ sagte sie und machte ein Gesicht wie eine, die den Weg nicht mehr weiss.

      Da setzte sich Matheis Maris in Bewegung, als hätte er ganz vergessen, dass sie da wäre. Er sah sich nicht einmal um, ob sie mitkäme. Es war ihm auch ganz gleichgültig. — Nach Menschen hatte sie Ausschau gehalten in dieser heiligen Stille, durch deren Tiefe man den lieben Gott gehen sehen konnte, so man die richtigen Augen hatte! ... Darüber schloss sich ihm der Mund nun doch wieder auf.

      Drei Schritte hinter ihm ging sie den Sandhang hernieder. Es war ihr zu heiss auf der Bank vor der Tür. Da trat sie ins Haus und setzte sich auf seinen Stuhl. Er aber sagte: „Warum suchst du nach Menschen? Weisst du nicht, dass sie dem lieben Gotte die Welt verhunzen?“ Sie lachte ihn aus — nicht etwa weil sie seine Worte rasch und bis auf die Neige durchdacht hatte, sondern weil sie darin eine grosse und bittere Auflehnung verspürte.

      Matheis Maris aber hatte seine Entdeckung gemacht: die Freundlichkeit oder Farblosigkeit seiner Gedanken über die Menschen verlor sich in ihrer Gegenwart ... Nun ja, wie vorhin die Nele Greefs so gegen die Torfkuhle heranblühte, da hatte er auf seinem Jungmannsherzen eine Fahne hochgezogen. Aber die flatterte nun nicht mehr; denn sagte Nele Greefs etwas, so war das dürr wie vorjähriges Ried. Und sagte Matheis Maris etwas, so verstand sie ihn nicht oder sie bekam davor müde Augen oder sie suchte nach Menschen.

      Die Revolution seiner Seele sprang in Matheis Maris auf in einer jähen Flamme — nur zwei Minuten brauchte er mit einem Menschen zusammen zu sein. „Ich will dir sagen, wie das ist, Nele Greefs: ich habe an euch genau soviel auszusetzen wie ihr an mir. Wir schelten uns gegenseitig Narren. Wenn wir uns aber nicht begegnen, so brauchen wir nicht zu entscheiden, auf wen dies Narrentum zutrifft. — Der Himmel, Nele Greefs, ist aus blauer Seide ...“

      „Hurrjeh!“

      „Ich wollte, er wäre aus blauem Stahl; da könnte von draussen niemand herein zu mir. Und wenn ich nicht gerade auf den Sandsack steige, den mir der Heidewind hinter das Haus gelegt hat, so kann ich des vergnügten Wahnes sein, die gesamte daseinverhunzende Menschheit hat der liebe Gott aus seinem Himmel ausgesperrt.“

      Diese Gedanken bewegten sich in einer Welt, zu der Menschen gemeinhin keinen Zutritt haben. Deshalb kam auch das Lachen in Nele Greefs und sie pickte die blaue Seide, den blauen Stahl, sogar den plumpen Sandsack gleich heraus aus seiner Rede, wie ein Huhn die Körner von der Tenne. Es war ihr über die Massen, dass solch ein Bauernjunge von der blauen Seide des Himmels redete als von einer platten Selbstverständlichkeit, die einem nur so im Munde liegt. Überhaupt — nie zuvor hatte er so an ihr vorbeigedacht und über sie hinweggeredet wie heute.

      „Weisst du, ich habe mich nun dreimal an dir geärgert, Matheis Maris.“

      „Dann wären wir uns also nichts mehr schuldig.“

      „Und das Bild, das du mir versprochen hast?“

      „Es war voreilig, Nele Greefs. Du bist für mich bloss Staffage.“

      „Ist das wieder eine Niederträchtigkeit?“

      „Nein, Nele Greefs — das ist eine schmerzliche Wahrheit.“

      „Na, denn mag es sein. Und wann wirst du mich malen?“

      „Gar nicht. Aber wenn dir daran liegt — ich will dir das Bild in Jahr und Tag schenken; die Moorkuhle mein ich, an die ich dich vorhin gesetzt habe. In Jahr und Tag, hörst du? Es ist das eine hübsche Erinnerung für dich; denn du kannst darunter schreiben: »Wie ich im Paradiese war«.“

      Geraume Zeit war vergangen, da erschien Pieter Bosboom. Er fand das Haus offen, die Welt sommerstill und den Menschen Maris bei einer Beschwörung in Einsamkeit. Diesmal war Pieter gekommen, ihm Vorwürfe zu machen: er behandele die Menschen wie Luft und seine Freunde wie Feinde. „Da du im Finstern nicht malen kannst, Matheis Maris ...“ — „Aber bei der Lampe lesen, Pieter Bosboom!“ — „ ... so könntest du dich wohl manchmal für eine Stunde hinüber finden zu uns.“

      „Ja,“ sagte Matheis, „wenn es um nichts als um diese Stunde ginge! Aber ich reisse mir damit etliche Tage ein. Wenn du eine Pflanze mit all ihren Wurzeln aus ihrem Boden nimmst, so bringst du sie in ihrer Entwicklung nicht bloss um die Stunde, in der du sie versetzest, sondern du stiehlst ihr eine Reihe von Tagen. Und wenn du sie in jeder zweiten Woche aus ihrem Grunde hebst — lieber Pieter Bosboom, muss ich dir sagen, dass du sie dann um Blüte und Frucht bestiehlst?“

      „Wenn das so ist ...“

      „Es ist so. Und das ist nicht einer jener hinkenden Vergleiche, die sich leidlich anhören, zuletzt aber doch nicht Stich halten. Nein, es ist ganz und gar so, Pieter Bosboom.“

      Dann auf dem Heimwege versuchte er sich vorzustellen, wie das mit Matheis Maris sei. Er geriet darüber in tiefe Finsternis, versäumte den Zwiesel des Moorpfades, stapfte bis gegen Mitternacht im Ried und an Tümpeln herum und sah immer das Licht aus Flossy, Maris’ Fenster. Das schlug ihm einen goldenen Steig entgegen. Aber er konnte nicht darauf wandern. Endlich stapfte er in den Hof und tastete nach Mutter Flossys Türklinke. Weil er so lange aus war, spukten nun die Sorgen der Frau als Gespenster durch das Häuschen. Er fand Flossy, zerschreckt und mit verweinten Augen. „Es ist nicht leicht für eine Mutter, immerzu Liebe zu säen und immerzu Leid zu ernten. Wie steht es um ihn?“

      „Oh, er ist blank und wohlauf wie ein Pfingstmorgen! Aber er ist undurchsichtig für uns. Undurchsichtig wie eine Nacht ohne Sterne. Nein, noch undurchsichtiger. Aus der Nacht hab ich mich wieder herausgefunden — in Matheis Maris diesmal aber gar nicht erst hinein!“

      Die Frau hatte einen Kaffee gekocht. Nun sass sie mit Pieter Bosboom am Tisch und redete lange mit ihm. Er sagte ihr auch das Bild von der Pflanze, das Matheis gebraucht hatte. — Das Gleichnis verstanden sie. Aber die Seele des Matheis Maris verstanden sie nicht.

      Und dies waren die Meinungen des Matheis Maris: die Menschen forderten Zeit von ihm, die er nicht hatte. Sie forderten Teilnahme für sich, die er nicht aufbringen konnte — oder er musste sich dabei selbst verspielen. Er dachte: Tausende pflegen die Teilnahme als ihren Beruf — Pastoren, Lehrer, Politiker, Bürgermeister ... Ja, tausende Andere treiben die Teilnahme bis zur Aufgabe ihrer Persönlichkeit — diese scheinen den Verlust nicht so hoch einzuschätzen wie den Gewinn an kleiner Münze, den sie dafür einwechseln ... Saget mir: wird einer einen Pastor aus dem Gottesdienst von der Kanzel rufen zum Skatspiel? ... Nun, Kunst ist auch Gottesdienst! Aber ein Gottesdienst, der nicht um neun Uhr angeht und um elf Uhr aus ist. Sondern ein Dienst über den ganzen Tag und die halbe Nacht. Es braucht einer dazu nicht vor der Staffelei zu stehen und mit dem Pinsel zu hantieren. Aber auf den Ruf Gottes hat er СКАЧАТЬ