Der Heidekönig. Max Geißler
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Название: Der Heidekönig

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467657

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СКАЧАТЬ die Menschen Flossy Maris mitten entzweigerissen.

      Flossy ward scheu und mied sie. Das ruhsame Gemüt des Matheis geriet zu Zeiten in Sturm. Die Menschen zertraten das Glück und den Frieden des kleinen Hauses. — Es ist keine Rettung vor ihnen, auch nicht für den, der zwischen sie und seine Zäune eine halbe Meile Weg legt.

      Zuerst — wenn sich einer an Matheis selbst herandrängte mit seinen Ansichten — gedachte der ihn zu überzeugen. Aber das ging nicht. Es war da wie bei Nele Greefs: ihre Welt war mit Brettern verschlagen an einer gewissen Stelle, über die sie hinweg mussten. Also: es ging nicht. Dann kam der Trotz über ihn, und er verbat sich jede Einmischung in Dinge, die sie nichts angingen und für die sie zu dumm wären. Da war die Feindschaft fertig. Die Revolution der Seele des Matheis Maris begann. Er wollte nichts von den Menschen: kein Almosen, keinen Rat, keine Freundschaft, keinen Handel. Es war niemand so still, friedsam und abseitig wie er. Nichts als diese Stille, Friedsamkeit und Abseitigkeit sollte man ihm lassen. Man weigerte es ihm. — Darüber wuchs eine Feindschaft zwischen dem Haus auf der Heide und draussen — eine Feindschaft, nicht zu sagen!

      Als alle Bande zerrissen waren und Flossy Maris — wenn sie einmal einkaufen gehen musste — mit bitterem Munde und scheuen Augen unter die Menschen trat, sagten sie: „Himmel, was ist aus dieser Frau geworden! Das hat der Matheis getan. Bewahr uns Gott vor einem Kind wie diesem.“

      Daher kam es, dass Flossy Maris die Einkäufe nicht mehr in jenem Dorfe besorgte und in ihrem Hause erzeugte, was irgend möglich war.

      In dem Sommer, der nun heraufkam, verkaufte Matheis die Kulturen. Aber das kleine Haus behielt Flossy Maris für sich. Der neue Besitzer baute sich ein anderes. Und die Witwe trat gegen Tagelohn für Gelegenheitsarbeiten in seine Dienste. Die Leute im Dorfe schrien, weil die alternde Frau nun frönen müsse. Der Matheis Maris aber sässe die langen Tage draussen im Heidemoor und liesse sich die Sonne auf das falschgehende Hirn scheinen.

      Er hatte sich ein ganzes Regal mit Büchern über Malerei angeschafft. Lief mit dem Malkasten hinaus in die Heide. Und wenn es kam, dass einer draussen an seiner eifernden Einsamkeit vorüberging, klebte der sich gleich an ihn fest. „Na, Matheis Maris, wie steht das?“ Matheis schaute nicht auf. „Du hast es gut. Das lässt man sich gefallen. So etwas möcht’ unsereiner auch können. Aber wir sind dazu nun einmal zu dumm.“ — „Das wohl.“ — „Holla!“ — „Nun?“ — „Nein, Matheis Maris — so ist es: wir haben es nicht gelernt wie du, dem Herrgott die Tage zu stehlen. Wir sind zu gescheit dazu, und wir haben auch ein Gewissen!“ — „Auch recht,“ sagte Matheis, trat mit dem Holzschuh ein Loch in den Grund und schalt auf die Schnaken. So deutlich war er, dass der Nachbar ihn ohne Gruss stehen liess. — Zuvor aber spützte er durch den Mundwinkel ... zsch.

      Dass Matheis keinen Heller in das kleine Haus trug, aber für Farben, Bücher, Pinsel, Öl ein beträchtliches Stück Geld hinaus — nun, es braucht einer nicht einmal ein Kleinhäuslersohn von der Moorheide zu sein, um bitter davor zu werden. „Es sind die Lehrjahre, Mutter.“ So oft hatte er sie getröstet, und doch änderte das nichts an der harten Wirklichkeit: Flossy Maris musste sich um drei Jungen sorgen. Um den ältesten waren die Sorgen am schwersten. Der Matheis werkte an jedem Morgen mit Harke und Forke in Hof und Stall. In die junge Sonne lief er mit der blanken Sense über der Schulter. Und manchmal, wenn sich das zwiegeschliffene Schwert ihm durch die Seele schlug, dass er sich keinen Rat wusste und keinen Weg mehr sah, weil ein Bild nicht dem ähnlich werden wollte, das er strahlend im Geiste trug — ach ja, manchmal legte er Palette und Pinsel daheim in den Winkel, ging zu dem neuen Besitzer und sagte: „Da bin ich, nimm mich in deinen Dienst, Pieter Bosboom; denn zum Malen bin ich zu dumm.“

      „Zu dumm, Matheis Maris? Ich weiss das nicht. Aber das weiss ich: du müsstest einmal zu einem Meister wandern, in Amsterdam etwa, oder in Antwerpen. Es ist da einer mit Namen Alma Tadema, weisst du. Dem müsstest du erzählen, wer du bist und was du getrieben hast und es ihm zeigen, dass er dir sagt, ob es mit deiner Kunst etwas ist. Ob du das richtige Genie hast, weisst du.“

      „Hm,“ sagte Matheis Maris, „das muss wohl einmal kommen. Im nächsten Sommer etwa, Pieter Bosboom; denn ich meine, man muss da einen Rückensack voll Bilder mitbringen. An der Nase sieht man einem das Genie nicht an, Pieter Bosboom.“

      Darauf wühlte Matheis Maris eine Woche in der Erde und wühlte sich wieder die Sehnsucht in die Seele nach den Bildern, die der Herrgott weitum in der Moorheide aufgehängt hatte. „Hurrjeh, es braucht sie einer nur so wegzunehmen, Pieter Bosboom.“ Pieter lachte ihm sein befreiendes herzliches Lachen ins Herz. „Du darfst nicht zag sein, Matheis Maris; über dies eine Jahr werden wir dich schon hinwegbringen, weisst du. Dann erfahren wir, wie es um dich steht. Ich aber sage dir: wenn einer das kann, so aus sich heraus, dann hat er Genie! Und damit basta.“

      Ringsum hatte der liebe Gott Bilder aufgehängt — Bilder, so schön, so himmeleinsam, so erdenbunt und falterfröhlich ... es war, als habe er — ein richtiger lieber Gott — gleich den Garten mit erschaffen, in dem die Wunderblume dieses Genies zur vollen Entfaltung gelangen sollte. Heimlich träumende Wässer in schmalen Armen zwischen Busch und Wiesen. An den Ufern flüsterndes Schilf. Dazwischen die treibenden Schifflein der Wasservögel mit den bunten Wimpeln ihrer Stirnenspiegel. Manchmal wechselte ein Reh vom Eichenbruch durchs betaute Gras. Der Silberreiher stand im Ried in sinnender Betrachtung. Im Blauen rüttelte der Falk, schlug der Häher flugfroh seine Bahn, und über der Heide in der flämmernden Luft wogte das Gewimmel der Schmetterlinge.

      Wenn Matheis Maris einmal recht gottfroh und voll Vertrauen zu sich selber war, dann dachte er, all die bunten Sommervögel habe der Schöpfer ersonnen, damit er — der Jan van Moor — nach diesem Rezepte seine Farben mische.

      Er hatte daheim einen trockenen Eichenast von wunderlich knorrigem Wachstum zu diesem Zweck mit Schmetterlingen besteckt, denen er die Schwingen sorgsam ausgespannt, Von jeder Art hatte er ein schönes Stück gesammelt, beim kleinen Bläuling angefangen, der die Perlenreihen um seine Flügel trägt; die Flügel aber sind aus Himmel gewoben. Ja, vom kleinen Bläuling angefangen bis zum stolzen Admiral und Ritter Schwalbenschwanz im goldenen Rüstzeug.

      Unter den Kusselföhren tummelten sich die wilden Kaninchen. Enten schnitten im Dreieckflug pfeifend darüber hin. Im hohen Grase wiegte sich der Wind und sang. Und ferne, vor das Blau des Himmels, waren Eichen gestellt, ein machtvoll rätselreiches Tor: wer in den Himmel wollte, musste da hindurch ...

      Matheis Maris hatte sich die Geschichte von dem Garten mit den ersten Menschen in seine Heideheimat herübergedichtet. Durch diesen Garten wandelte er. Und in diesem Garten hörte er an jedem Tage die Stimme Gottes: „Matheis Maris, wo bist du?“

      Einsam macht das Gottgeschenk des Genies.

      Matheis Maris erfuhr das schon in den Tagen der Jugend, in denen er anfing, die Natur abzubilden. Über der Hingabe an sein Werk ging er der menschlichen Gemeinsamkeit verloren. Alle Steige der Jugend verrasten zwischen ihm und den Mitmenschen. „Was ist das mit Matheis Maris?“ fragten die Leute. Und als sie die Sache prüften, da hatten sie kein anderes Mass als jenes, das ihnen ihre Durchschnittsart in die Hände gab. Darüber gelangten sie zu ihrer falschen Rechnung. Was für sie Wert hatte, taugte dem Matheis nicht. Und was für Matheis das Leben war, erachteten sie als ein müssig Spiel. Es war — wie im Gleichnis — kein Weg aus der Welt des einen in die Welt der anderen, Von Anfang an. — Die Geschichte mit Nele Greefs führte zu einem Verzicht, der in Matheis das Glück an seinem Talente nur noch erhöhte. Aber an dem Gebaren der anderen wurde ihm zum ersten Mal die Seele wund. Es war das in jener Zeit, von der gesagt worden ist: in ihr gehe das Licht an, nach dem der Mensch wandert sein Leben lang.

      „Hör mal zu, Pieter Bosboom!“ sagte Matheis Maris eines Tages. Das klang herzfroh. Pieter Bosboom hatte den versonnenen Jungen nie so aufgeschlossen gesehen.

      „Nun, СКАЧАТЬ