Название: Der Heidekönig
Автор: Max Geißler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711467657
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Weil er seine Gaben an dem wirtschaftlichen Ertrage mass, den sie ihm lieferten, hielt sich Lukas ter Meulen zuletzt für ein genau so verpfuschtes Exemplar seiner Gattung, wie dies Matheis Maris mit sich selber tat in der Stunde der verlorenen Begegnung am Heidehügel vor Amsterdam. An den Kreuzespfahl seiner Gewohnheiten genagelt oder an den seines brüchigen Willens, verhehlte sich ter Meulen den Jammer nicht, der es zuletzt doch mit ihm war. Aber dieser Jammer wurde masslos, wurde schmerzhaft, ja er wurde tödlich, wenn ter Meulen auf die merkwürdige Idee verfallen wäre, ein anderer zu sein als der unbekümmerte, funkelnde, nachdenkliche, weisheitspendende Kunstphilosoph und Kaffeehauspoet. Darin lag das Geheimnis seines Glücks. Es war ein Jammer um ihn, und dennoch: glücklich zu sein — es mag kein Mensch je gegen das holdselig unbewusste Rätsel des Himmels, es mag kein Mensch je zu den goldenen Blumen der Sterne sinnvoll emporgeträumt haben, der glücklicher gewesen wäre, als Lukas ter Meulen.
Weder Matheis Maris noch der Bildhauer Gerbrand van Aken wusste um diesen Stand der Dinge — wie denn ausser ter Meulen selber jedem Menschen jegliche klare Erkenntnis über ihn gebrach. Allenthalben galt dieser Gekreuzigte als der wahrhaft Selige auf Erden. Dafür sorgte sein bedachtsamer Ernst, seine üppigtragende Weisheit, seine massvolle Art und die Sicherheit, das Leben zu meistern. Er lebte wie die Blumen auf dem Felde, von denen gesagt ist, dass Salomo in seiner Herrlichkeit sich nicht mit ihnen vergleichen konnte. War ein Mensch in der Welt, dem nie etwas misslang? Nun ja, Lukas ter Meulen! War ein Mensch, der alles wusste, dem seine Tage gehorchten, dem keine Laune des Schicksals einen Stein in die Suppe warf? Wer anders, als Lukas ter Meulen!
So erschien er dem Bildhauer van Aken. Und van Aken hätte augenblicklich sein ganzes bisheriges Wirken als einen verhängnisvollen Irrtum abgeschworen, wenn er — in seiner anderen Art — nicht genau so unlöslich an sein Kreuz geschlagen gewesen wäre wie ter Meulen selber.
Kärglich entlohnt, halb vergessen von der Welt, ohne Aussicht, für seine Halbkunst je eine Betätigung zu finden — so alterte er hinein in das Leben, so alterte er in seine Not. Fadenscheiniger ward sein schwarzer Gehrock, der aus einer anderen Zeit kam. Rostiger und raucher ward sein Zylinderhut, sein Gesicht blässer, sein Leib hagerer. So stelzte er durch die Gassen der Stadt. Und da sich niemand um ihn kümmerte, hielt man ihn für einen Mann von verzwickter Einmaligkeit, bei dessen Anblick es die Menschen lächerte.
Wie schlecht es ihm ging — das ahnte ausser ter Meulen niemand; denn er war zu stumm und stolz, es zu verraten.
Nun wäre kaum etwas verwunderlicher, als wenn der gescheite Herr Lukas ter Meulen seine Bergpredigt über all diese Dinge gegen die neunmal verschlossenen Türen des Gerbrand van Aken gerichtet hätte. Nein nein, derartig lächerliche Künste betrieb Lukas ter Meulen nicht. Er hatte die Gelegenheit zu seiner Gewissensrede auf dem Heidehügel wahrgenommen, von dem Bildhauer zu reden als von einem unrettbar Verlorenen, als von einem Menschen, der kein Geschick hat, auch nur leidlich glücllich zu sein — aber er zielte mit dieser Rede auf Matheis Maris. Das geschah einfach deswegen, weil er ein sinnfälligeres Lehrobjekt für den eichenhölzernen Maris nicht finden konnte.
Wie es um diesen stand, wusste ter Meulen nämlich ganz genau. Seit er den Aufsatz im »Telegraafen« gehabt, hatte er ihn — wie man so sagt — nicht mehr aus den Augen verloren, wiewohl er ihm seit Monaten nicht leibhaftig begegnet war. Just deshalb.
Von Nikolaas van der Layen hatte er erfahren: der Schützling ter Meulens zerrisse sich innerlich an den neuen Richtungen.
Anfangs hatte ihm der Althändler noch ein paar Bildertafeln abgekauft. Aber immer unfertiger, verworrener, ungelöster war geworden, was er ihm vorgelegt hatte. So zerschütterte sich der Glaube van der Layens an das Talent des Matheis Maris. Und dennoch: es war zwischen ter Meulen und dem Alten im verschossenen Seidenkäppchen die Rede von Matheis Maris, so oft sie unter der kleinen Schirmlampe des Labyrinths beieinander sassen.
Diese Zusammenkünfte fanden sehr häufig statt. Von ter Meulen rührte her die Bezeichnung Katakomben für das taglichtlose Käfterchengelass des Herrn van der Layen. Darin verschanzte sich der Dichter vor der Welt. Es wusste ausser dem Alten kein Mensch von dem geheimen Zweibund; denn ausser in dem Sonderfalle des Matheis Maris war er dort von niemandem gesehen worden.
Van der Layen aber beriet er in allem, was der vornahm — diese Behauptung muss zweimal und bedachtsam gelesen werden von dem, der die Absicht hat, mit der Geschichte des Matheis Maris des weiteren sich zu befassen.
In van der Layens Bücherregalen war das Geheimnis beschlossen des schier ungeheuerlichen Wissens, das den Kunstphilosophen und Dichter ter Meulen zu einer so rätselvollen und bewunderten Erscheinung machte. Es waren diese Studien für ihn weder Arbeit noch Mühe. Ter Meulen wurde dabei weder von Ehrgeiz getrieben, noch verfolgte er ein Ziel. Sondern: es war für ihn die einzige Möglichkeit, sich durch das Dasein zu lustieren in einer seinen Gaben angemessenen Weise — sofern dies Dasein nämlich über den Rahmen des Kaffeehauses hinauslag.
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