Fluch der verlorenen Seelen. Darina D.S.
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Название: Fluch der verlorenen Seelen

Автор: Darina D.S.

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Fluch der verlorenen Seelen

isbn: 9783969536155

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СКАЧАТЬ Schlitz. Sie wusste nicht warum, aber in ihrer Kehle braute sich ein Lachen zusammen, das unvermittelt aus ihr herausbrach. Eilig schnellte sie herum und befreite so ihren Arm aus dem festen Griff des Jungen. Dann hielt Amalia kurz die Luft an und stieß sie beherzt wieder aus, wiederholte das Prozedere noch zwei Mal, um sich zu beruhigen. Gerade als sie sich gefangen hatte, bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen kleinen blonden Jungen, der genüsslich auf dem Kopf einer Barbiepuppe herumkaute – nur die weißblonden Haare ragten aus seinem Mund. Sichtlich verstört marschierte Amalia weiter auf die Essensausgabe zu und starrte dabei stur auf den Boden. Dennoch spürte sie die Blicke der anderen und die der beaufsichtigenden Pflegekräfte, die sich überall in der Kantine aufhielten und glaubten, dabei unauffällig zu sein.

      Jeder Schritt verstärkte ihre Anspannung und schnürte den Knoten in ihrem Magen immer fester zu. Eine Kleinigkeit essen und dann sofort auf ihr Zimmer, mehr wollte sie nicht. Doch selbst das stellte sich als komplizierter heraus, als sie gedacht hatte. Endlich bei der Essensausgabe angekommen, wusste sie nicht so recht, was sie da vor sich sah.

      »Ähm … entschuldigen Sie …« Ein kräftiger älterer Mann drehte sich langsam zu ihr um. Dabei schnaufte er schwerfällig, so, als wäre er einen Marathon gelaufen. Amalia sah mit Ekel, wie eine einzelne Schweißperle seine Schläfe hinabrann, bis sie schließlich im langen, grauen Bart verschwand. Sein weißes Muskelshirt war voller Fettflecken und die Schürze dunkelrot befleckt. Amalia schien es, als stünde ein obdachloser Santa Claus vor ihr. Sein unappetitlicher Anblick raubte ihr das bisschen Hunger, das sie noch vor einer Minute verspürt hatte. Dennoch fragte sie höflich: »Was genau ist das alles hier?« Sie wies dabei auf die ihr dargebotenen bunt gemischten Speisen. Grunzend räusperte sich Santa, einen anderen Namen bekam er nicht mehr – er hatte sich durch sein Erscheinungsbild in ihren Kopf gebrannt. Anstatt auf ihre Frage zu antworten, schmiss er ihr Porridge und etwas, das aussah wie Rote Bete, auf einen Teller und reichte ihr diesen. Mit gerümpfter Nase nahm sie Plastikteller und Gabel und schaute sich nach einem Platz um.

      Amalia erspähte einen freien Stuhl an einem Tisch, an dem zwei relativ normal wirkende Jugendliche saßen. Die beiden schienen in ihrem Alter zu sein. Sie atmete tief ein, nahm all ihren Mut zusammen und lief schnurstracks auf die beiden zu.

      »Darf ich mich zu euch setzen?«, fragte sie höflich, als sie vor ihnen stand.

      Das brünette Mädchen hob den Kopf und lächelte sie freundlich an. Daraufhin nahm Amalia neben dem Jungen Platz. Aus seiner roten Beanie hingen vereinzelte schwarze Strähnen heraus. Die Ärmel seines dunkelblauen Trainingsanzugs waren bis zu den Ellenbogen nach oben gekrempelt.

      Amalia versank kurz in ihren Gedanken und schwelgte in Erinnerungen an ihre Klamotten. Doch sie war nicht die Einzige, die die triste Kleidung der Psychiatrie trug. Anscheinend hatten auch andere so unzuverlässige Eltern wie sie. Aus heiterem Himmel schrie der zuvor noch abwesend wirkende Kerl am Tisch so schrill auf, dass Amalia vor lauter Schreck aufsprang, die Arme hochriss und das gesamte Tablett über ihren Kopf warf. Etwas von dem Essen landete in ihren langen haselnussbraunen Haaren, wo es sich zu einer rot-gelben Pampe vermischte. Der Rest klatschte auf den Boden.

      »Tucccccciiiiiiii!! Du hast ihn getötet. Du Unmensch! Wie konntest du nur?«, kreischte der Junge hysterisch und schlug dabei seine Hände über dem Kopf zusammen.

      »Tuci? Was ist ein Tuci?«, fragte Amalia schockiert.

      »Du hast meinen Hund getötet, du Monster!«, schrie er so laut, dass sich alle in der Kantine zu ihnen wandten. Amalia begriff immer noch nicht, wovon der seltsame Typ da redete.

      »Wie? Was? Welcher Hund? Ich, ich sehe nichts …« Doch sie bekam keine Antwort mehr. Alle starrten sie nur weiter an, als wären sie auf einer Viehbeschau. Verunsichert blickte sie in die unbekannten Gesichter. Ihr Puls raste, das Herz schlug ihr bis zum Hals, kalter Schweiß bildete sich in ihrem Nacken. Dem zunehmenden Druck nicht mehr standhaltend, drehte sie auf dem Absatz um und begab sich mit schnellen Schritten Richtung Ausgang, während zwei herbeigeeilte Pfleger sich um den schreienden Jungen kümmerten. Dabei versuchte sie, jeden Augenkontakt zu vermeiden. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte: lachen, weinen oder einfach nur schreien? Wieder starrte sie stur auf den Boden und fragte sich unentwegt, warum immer ihr solche abstrusen Dinge widerfuhren.

      Allmählich beschlich sie das Gefühl, dass ein Fluch auf ihr lastete. Womöglich hatten ihre Vorfahren eine alte Zigeunerin verärgert und das war ihre Rache. Amalia schüttelte ruckartig den Kopf, um die absurden Gedanken abzuschütteln, doch ihr Schamgefühl, das mittlerweile hochgekommen war, konnte sie nicht loswerden. Hastig öffnete sie die schwere Metalltür, quetschte sich durch den Spalt und lief, so schnell sie konnte, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Sie gönnte sich erst eine Verschnaufpause, als sie wieder in ihrem Zimmer stand.

      Erschöpft lehnte sich Amalia gegen die Tür und sank verunsichert mit zitternden Knien zu Boden. Sie zog ihre Beine näher an sich und umschlang sie mit ihren Armen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als einen Schalter zu besitzen, mit dem sie alles ausschalten konnte: jedes Gefühl, jede Erinnerung, einfach alles. Das Leben ein- und ausschalten wie einen Lichtschalter und nur Momente zulassen, die einen glücklich machten … Ja, wenn es nur so einfach wäre. Sie konnte ihren Überlegungen nicht weiter folgen, denn lautes Klopfen an der Zimmertür riss sie aus ihren Gedanken.

      »Wer ist da?«, rief sie, immer noch leicht atemlos Richtung Tür.

      Eine tiefe, raue Stimme antwortete ihr: »Hallo, Amalia, ich bin Doktor Jones. Ich wurde von dem Vorfall in der Kantine unterrichtet.« Sie vernahm einen leisen Seufzer von dem Mann auf der anderen Seite, dann fuhr er fort: »Ich wollte nur nach dir sehen. Mir wäre es recht, wenn wir unsere Therapiesitzung vorverlegen und darüber sprechen. Ich weiß, dass wir erst in einer Stunde verabredet sind, aber … Bitte komm raus.«

      Amalia murrte, stand fast wie in Zeitlupe auf und versuchte dabei, die Essensreste aus ihren Haaren zu friemeln. Zögerlich umfasste sie den Türknauf. Sie war nervös – das kam zu überraschend. Unter keinen Umständen wollte sie unvorbereitet mit dem Psychiater sprechen. Sie wusste: Nur ein falsches Wort konnte sie für lange Zeit hier einsperren. Langsam drehte sie den Knauf und erblickte den großgewachsenen, schlaksigen Mann mittleren Alters. Er sagte nichts, sondern musterte sie nur kritisch von oben bis unten. Das weckte Unbehagen in ihr, zu sehr erinnerte es sie an ihren Stiefvater. Fehlte nur noch, dass auch der Arzt sie zwang sich auszuziehen.

      »Soll ich Ihnen ein Foto geben? Hält länger«, zischte Amalia. Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit, was sie ärgerte, wollte sie doch taff wirken.

      »Entschuldige bitte. Ich bin noch nicht so lange hier und immer wieder erstaunt, wie normal die Leute eigentlich aussehen. Bitte lass uns in mein Büro gehen«, sagte der Arzt und zeigte dabei mit seiner Hand den Gang hinunter. Laut ausschnaufend stiefelte sie ihm hinterher. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, sich irgendwie auf das Gespräch vorzubereiten, doch bevor sie auch nur einen Satz in ihrem Kopf formulieren konnte, hörte sie das Quietschen der Türangeln. Zögerlich trat sie in das Büro ein und ihr prüfender Blick untersuchte den Raum. Rechts neben sich bemerkte sie ein breites Bücherregal, in dem unzählige, nach Größe geordnete, Wälzer standen. Auf einem der Buchrücken stand in dicken Lettern: ›Psychoanalyse nach Sigmund Freud‹. Das kann heiter werden, dachte sie sich, und inspizierte ihre Umgebung weiter. Hinter dem langen, dunkelbraunen Schreibtisch, der sich fast mittig im Raum befand, hingen einige Auszeichnungen und Diplome. Psychoanalytisch gesehen, war das jetzt eine Zurschaustellung seiner Erfolge, wie es Sportler mit ihren Trophäen taten, oder nur eine Verdeutlichung für die Patienten, damit sie auch wirklich verstanden, dass sie einem echten Psychiater gegenüberstanden? Amalia neigte den Kopf nachdenklich zur Seite – eine Antwort würde sie nicht erhalten.

      »Bitte setz dich.« Der Doktor deutete mit dem Zeigefinger auf den Stuhl vor ihr. Sie spürte seine Blicke auf sich; er schien jede ihrer Bewegungen genau СКАЧАТЬ