Fluch der verlorenen Seelen. Darina D.S.
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Название: Fluch der verlorenen Seelen

Автор: Darina D.S.

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Fluch der verlorenen Seelen

isbn: 9783969536155

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СКАЧАТЬ Waschbecken und Toilette vom Rest des Raumes. Auch hier war alles in schlichtem Weiß gehalten. Lediglich der Duschvorhang hob sich durch sein buntes Blumenmuster, wie aus den Sechzigern, farblich ab. Während Amalia ihren Blick weiterschweifen ließ, bemerkte sie aus dem Augenwinkel ihre Reflexion im Spiegel.

      Sie versteinerte für einen kurzen Moment. Blinzelnd ging sie ungläubig und mit ausgestreckter Hand näher auf ihr Abbild zu. Langsam wandte sie den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite. Zögerlich berührte sie ihr Spiegelbild und fragte sich unweigerlich, was nur mit ihr passiert war. Ihre sonst so glänzenden Haare waren matt und stumpf. Tiefe Schatten zeichneten sich unter ihren bernsteinfarbenen Augen ab. Ihr Gesicht wirkte fahl und sie unterschied sich kaum noch von den Wesen, die sie sah. Wenn das so weiterginge, würde sie bald gänzlich verblassen. Wut und Selbsthass stiegen in ihr auf, je mehr sie darüber nachdachte. Ihr Kopf sank betrübt nach unten. Was sie im Spiegel sah, gefiel ihr nicht. Noch nie hatte sie ihr Spiegelbild abstoßend gefunden – bis jetzt.

      Was ist nur aus mir geworden? Warum lasse ich zu, dass sie mich zerstören? Ich zerbreche, nicht nur innerlich, auch mein Äußeres zerfällt. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Ich lass das nicht länger mit mir machen! Ich bin nicht schwach.

      In ihr tobte ein Kampf. Sie war zerrissen, so viele Gefühle überrannten sie förmlich. Tränen stiegen in ihre Augen, aber nicht wie sonst aus Trauer oder Selbstmitleid, nein diesmal war es die reine Wut und der ungezügelte Hass. Jedoch nicht nur auf sich selbst, weil sie aufgegeben hatte, sondern auf alles und jeden, der sie enttäuscht und im Stich gelassen hatte.

      Genug!, dachte sie und schlug mit der Faust gegen den Spiegel, doch dieser zerbrach nicht – er war aus Plexiglas. Amalia presste die Lippen aufeinander, ihre Wunden schmerzten, die Nähte an ihren Handgelenken spannten ihre Haut. Verbittert starrte sie ihr Spiegelbild an.

      »Was soll ich tun?«, fragte sie mit einer Ernsthaftigkeit, als würde sie tatsächlich auf eine Antwort ihres Abbilds warten. Stöhnend lehnte sie ihre Stirn an den Spiegel, ihr Selbstmordversuch war gescheitert und jetzt hielten sie alle erst recht für verrückt. Amalia schloss die Lider. Sie wusste, dass sie so nicht weitermachen konnte. Aufgeben hatte nicht funktioniert, also blieb ihr nur zu kämpfen. Scharf zog sie die Luft ein, hob den Kopf an und wischte die Tränen aus ihren Augen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und drehte sich fast schon mechanisch in Richtung Dusche um.

      Zitternd griff sie nach der Schlaufe des Krankenhaushemdes in ihrem Nacken. Ihre Unterarme pochten; eine so simple Handlung wie das Öffnen einer einfachen Schleife fiel ihr so unglaublich schwer, dass sie zwei Anläufe dafür benötigte. Das viel zu große grün-weiß gepunktete Stück Stoff glitt mühelos von ihrem Körper zu Boden. Erleichterung breitete sich in ihr aus. Es fühlte sich an, als hätte sie zumindest eine der erdrückenden Lasten von ihrem Leib gestrichen. Amalia wusste, dass sie nicht an diesen Ort gehörte, dennoch konnte sie nichts tun, als sich den Regeln dieser Einrichtung vorerst zu beugen. Schwermütig atmete sie aus und löste vorsichtig die Verbände an ihren Handgelenken. Je näher sie ihrer Haut kam, desto deutlicher zeichneten sich Blutflecken auf den Bandagen ab. Behutsam trennte Amalia den verklebten Stoff von den Blutkrusten und ließ achtlos die Binden auf den Boden fallen. Seufzend betrachtete sie die Nähte an den Handgelenken und hörte, wie Nancy rief:

      »Ach, Amalia, bevor ich’s vergesse: Wenn du Duschen willst, pass auf, dass du die Wunden nicht nass machst! Brauchst du wasserdichte Pflaster oder meine Hilfe?«

      »Nein, alles gut.« Zwar war Amalia noch ein bisschen schwummerig, aber sie wollte in solch intimen Momenten lieber allein sein. Langsam schlängelte sie sich hinter den Duschvorhang. Sie fröstelte, ihre Knie schlotterten, hastig drehte sie das warme Wasser auf.

      Amalia hob den Kopf und schloss die Augen. Angespannt ließ sie das Gesicht von den noch kalten Tropfen berieseln. Dabei achtete sie darauf, dass sie ihre Hände weit genug vom Wasser fernhielt. Je wärmer das Wasser wurde, desto mehr löste sich die Anspannung. Sie genoss die wohltuende Wärme und schaltete für einen Moment ab, bis ihre Gedanken erneut eine innere Unruhe auslösten. Doch statt sie zu verdrängen, gewährte sie ihnen Zutritt. Sie riefen die verblassten Erinnerungen an die vertraute Jungenstimme, die Amalia kurz vor ihrer Bewusstlosigkeit vernommen hatte, wach.

      Woher kannte sie diese Stimme? Amalia legte die Stirn in Falten, doch sosehr sie sich auch bemühte, sie war nicht in der Lage, tiefer in dieses Geflecht der Vergangenheit einzudringen. Wer er war oder welche Bedeutung er für sie hatte, vermochte sie nicht zu sagen.

      »Aaamaliaaaa«, Nancys durchdringende Stimme riss sie aus ihrer Trance.

      »Was ist?«, erwiderte Amalia erschrocken.

      »Du bist schon seit über einer Stunde im Bad. Wenn du dich jetzt nicht beeilst, schleife ich deinen kleinen Hintern persönlich raus.«

      Geschockt über die Zeit, die wie im Fluge vergangen war, rauschte Amalia aus der Dusche, griff hastig nach einem Handtuch und trocknete sich in Windeseile ab.

      »Ich bin gleich fertig. Nur noch die Haare trocknen und anziehen«, keuchte sie schon fast atemlos. Als sie nach einigen Minuten aus dem Bad trat, wartete Nancy bereits mit Verbandsmaterial auf sie.

      Nachdem die Krankenschwester ihr die Verbände angelegt und ihre Vitalwerte gemessen hatte, liefen sie zur Kantine. Amalia fühlte sich unwohl in der Kleidung und auch die Vorstellung, in einem großen Raum voller ihr unbekannter Gesichter sein zu müssen, bereitete ihr Unbehagen. Amalia wäre lieber in ihrem Zimmer geblieben; sich in einer dunklen Ecke zu verkriechen und alles auszublenden – genau das wollte sie jetzt. Der Kontakt mit Menschen war ihr noch nie leichtgefallen und es lag an ihr, dass andere Jugendliche und sogar Erwachsene sie gemieden hatten, verhielt sie sich doch schon seit frühester Kindheit sonderbar und erlitt regelmäßig Panikattacken, wenn sie wieder einmal glaubte, die merkwürdigen Kreaturen gesehen zu haben.

      So war es Amalia, die es einfach nicht schaffte, sich in das gesellschaftliche Gefüge einzugliedern, und mit ihren wahnwitzigen Vorstellungen irgendwelcher Monster den anderen sogar Angst einjagte. Sie fühlte sich unverstanden, mutterseelenallein und ungeliebt und so stand sie jetzt voller Selbstzweifel inmitten der Kantine, umgeben von augenscheinlich Gleichgesinnten. Doch waren sie das tatsächlich?

      Amalia jedenfalls sah das anders, ihre Gesichtszüge entgleisten im Sekundentakt. Von skeptisch über ungläubig bis hin zu belustigt war alles dabei. Überall hörte sie Stimmen – manche schrill und laut, andere leise oder sogar eine verstellte. Ein Tablett flog durch die Luft und ein Jugendlicher steckte aus ihr unersichtlichen Gründen seinen Kopf in den Mülleimer und rannte mit ihm als Hut durch den Raum und die diensthabenden Pfleger hinter ihm her.

      »Na, dann auf in den Wahnsinn!«, sagte Amalia schon fast heroisch und erkannte selbst die Ironie in ihrer Stimme.

      »Viel Spaß. Wenn du Fragen hast, wende dich an die Pfleger. Ich hole dich in zwei Stunden von deinem Zimmer ab und bringe dich zu deiner ersten Sitzung mit Doktor Jones«, sagte Nancy.

      Bevor Amalia auf Nancys Worte reagieren konnte, presste sich diese schon wieder aus der Tür. Auch wenn sie die Frau erst seit Kurzem kannte, wäre es ihr lieber gewesen, sie hätte sie jetzt nicht allein gelassen. Langsam, wie durch ein Minenfeld, bewegte sie sich vorsichtig auf die Essensausgabe zu. Hauptsache, keine Aufmerksamkeit erwecken. Doch auf halbem Weg hielt sie jemand am Oberarm fest. Hastig wirbelte Amalia herum. Der schwarzhaarige Junge, dessen weit aufgerissene grüne Augen ihn verrückt wirken ließen, schaute sie an und schrie:

      »Pass auf! Pass auf! Pikachu ist der Teufel.« Seine Stimme veränderte sich von laut und schrill zu leise und tief. »Er wird uns holen. Wir müssen alle sterben!«

      Amalia zog erschrocken die Augenbrauen hoch, sie hatte ihre Gesichtszüge СКАЧАТЬ