Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ JQ] Hilfe der Korporation in schwieriger und bedrängter Lage rechnen konnte.“8 Auf das Ergebnis dieser Hilfe geht Schulz-Falkenthal nicht weiter ein. Aufgrund des in Kapitel II.1.3 formulierten Konzepts diakonischen Handelns liegt eine versicherungsmäßige FürsorgeFürsorge nicht im Interesse der vorliegenden Studie, sodass die Ausführungen von Schulz-Falkenthal lediglich wahrzunehmen sind.

      1.5.1.10 Zusammenfassung

      Die theologisch interessierte Forschung zu freiwilligen antiken Vereinigungen kann auf eine längere Tradition zurückblicken, der durch die Zeiten hinweg unterschiedliche Grade der Aufmerksamkeit zukamen. „Theologisch interessiert“ ist die Untersuchung freiwilliger antiker Vereinigungen zu nennen, weil sie diese Gruppen im Vergleich zu frühen christlichen Gemeinden in den Blick nimmt und Analogien und Differenzen der Gruppenbildung aufzeigt. Gemeinsames Ziel ist die Gewinnung eines vertieften Verständnisses für die Entstehungsvoraussetzungen christlicher Gemeinden und deren Etablierung im Rahmen antiker Gruppen und Vereinigungen.

      Der Vergleich mit dem antiken Hause, antiken Vereinen, SynagogenSynagoge und philosophischen Schulen bei Meeks zeigt, dass sich substanzielle Analogien und Erklärungen lediglich aus der Summe verschiedener sozialer Institutionen herleiten und plausibilisieren lassen. Demgegenüber fokussiert sich die vorliegende Studie auf einen bestimmten Themenbereich innerhalb einer bestimmten sozialen OrganisationsformOrganisationsform in Form der freiwilligen Vereinigungen. Damit wird nicht infrage gestellt, dass es weitere soziale Phänomene gab, die auf die Ausbildung christlicher Gemeinden und eines christlichen EthosEthos Einfluss hatten, wie u.a. Eckhardt und Leonhard betonen. Wie der Forschungsüberblick gezeigt hat, ist aber in methodischer Perspektive die Fokussierung auf einen Teilaspekt des Gemeinschaftslebens dadurch motiviert und legitimiert, dass eine Untersuchung von HandlungsvollzügenHandlungsvollzüge antiker Vereinigungen, die dem Konzept diakonischen Handelns zuzuschreiben sind, im Vergleich mit entsprechenden christlichen Vollzügen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Desiderat darstellt.

      In der Zusammenschau der bisherigen Arbeiten in diesem Themenbereich wird aber zugleich deutlich, dass die gewählte Vorgehensweise mit Schwierigkeiten behaftet ist. Zunächst zeigt sich, dass über Vereinigungen größtenteils Selbstaussagen in Form von Inschriften existieren, die auf ihre Objektivität zu befragen sind. Zugleich ist anzunehmen, dass die darin getroffenen Aussagen lediglich einen Teilbereich des Lebens der Vereinigung abbilden. Ebel weist darauf hin, dass insbesondere Vereinigungssatzungen „[…] nur besonders konfliktträchtige Aspekte […] [ansprechen] und dabei auch durchaus das, was im Zentrum des Gemeinschaftsleben stehen kann, […] [auslassen], solange es nicht für Zwietracht unter den Vereinsmitgliedern sorgt.“1 Als Beispiel verweist sie an dieser Stelle auf eine fehlende Beschreibung kultischer Aktivitäten, die weit weniger umstritten waren als die Regelung und Festlegung finanzieller Fragen und Verpflichtungen.2

      VereinigungsinschriftenVereinigungsinschrift beschreiben eine Innenperspektive, die nicht zwangsläufig oder grundsätzlich auf die Gewinnung neuer MitgliederMitglied abzielte, sondern Vereinigungsinterna regelte. Deswegen ist eine Mehrzahl an Vereinigungen in den Blick zu nehmen und die Untersuchung idealiter nicht auf eine konkrete Vereinigung zu beschränken. Unter diesen Voraussetzungen kann deutlich werden, was Ebel in Bezug auf die Gemeinden des 2. und 3. Johannesbriefs zum Ausdruck gebracht hat: „Die Stärken und Schwächen dieser frühchristlichen Gemeinde werden durch den Vergleich mit gängigen Formen gemeinschaftlicher Freizeitaktivitäten in ihrem Umfeld erkennbar. Zudem wird durch eine solche Zusammenschau verständlich, warum einzelne Elemente des christlichen Gemeindelebens bei paganen Zeitgenossen Irritationen auslösen können.“3 Mutatis mutandis wird verständlich, warum einzelne Elemente des christlichen Gemeindelebens bei paganen Zeitgenossen auf Zustimmung stießen und Vergleiche mit gängigen Formen gemeinschaftlicher Freizeitaktivitäten evozierten.

      1.5.2 Begriffsbestimmungen

      In gegenwärtigen, alltäglichen Verwendungszusammenhängen bezeichnet der Begriff „Verein“ einen Zusammenschluss bzw. eine „Organisation, in der sich Personen zu einem bestimmten gemeinsamen, durch SatzungenSatzung festgelegten Tun, zur Pflege bestimmter gemeinsamer Interessen o.Ä. zusammengeschlossen haben.“1 Über den alltäglichen Verwendungszusammenhang hinaus verbindet sich mit dem deutschen Begriff des Vereins grundsätzlich eine juristische Komponente, insofern ein Vereinsrecht (VereinsG) besteht, dass die Vereinsfreiheit verbürgt und in juristische Kategorien überführt.2 „Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“3 Somit bezeichnet der Begriff „Verein“ auf formaler Ebene ein juristisches Konstrukt, ohne eine inhaltliche Aussage in Bezug auf die Ausrichtung bzw. der Willensbildung der so bezeichneten Organisation getroffen zu haben. Die inhaltliche Zuordnung bzw. der Hinweis auf das Ziel der Willensbildung geschieht erst durch die Verbindung mit einem individuellen Vereinsnamen, der mit dem Zusatz „e. V.“ versehen, die juristische Relevanz der Organisation wiedergibt.4 Ausgeschlossen als Vereine sind nach VereinsG lediglich Parteien und Fraktionen im Bundestag und den Länderparlamenten.5 Der VereinsbegriffVereinsbegriff ermöglicht damit die Identifikation einer bestimmten OrganisationsformOrganisationsform gesellschaftlichen Lebens, ohne diese von vornherein auf einen bestimmten Teil- und Themenbereich festzulegen. Darin ist aber auch eine Schwierigkeit des gegenwärtigen Vereinsbegriffs festzuhalten: Die Bezeichnung einer juristischen Kategorie, die nicht zutreffend ist für den Gebrauch im Zusammenhang mit antiken Vereinigungen, weil von differierenden gesellschaftlichen und juristischen Rahmenbedingungen auszugehen ist.6

      Der juristischen Konnotation des Begriffs „Verein“ im deutschen Sprachgebrauch wird in dieser Studie Rechnung getragen durch die Verwendung einer alternativen Begrifflichkeit und des Terminus Vereinigung.7 Dieser Begriff bezeichnet gleichermaßen wie der VereinsbegriffVereinsbegriff ein soziales Netzwerk von Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.8 Allerdings eignet einer Vereinigung keine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, ihre Organisation vollzieht sich nur im Rahmen der von den VereinigungsmitgliedernVereinigungsmitglied getroffenen Absprachen. Diese Bestimmung schließt nicht aus, dass sich die beteiligten Personen Ordnungen schaffen, die eine Verbindlichkeit für alle an der Vereinigung teilhabenden besitzt. Zugleich ist es aber nicht zwangsläufig, dass sich eine Vereinigung ein auf Beständigkeit ausgelegtes organisatorisches System schafft. In gleicher Weise ist das Lexem „Zusammenschluss“ zu verstehen, dass im vorliegenden Rahmen synonym zum Begriff der Vereinigung gebraucht wird. Weiterhin kann von freiwilligen Vereinigungen bzw. freiwilligen Zusammenschlüssen gesprochen werden, da sich die Gruppierung situativ und interessenbedingt vollzieht und ihr keine Zwangsläufigkeit bzw. Notwendigkeit zur Gruppenbildung inhärent ist. Sie vollzieht sich nach freier Wahl der beteiligten bzw. interessierten Personen. Kategorien der Abstammung und Herkunft spielen also nicht notwendigerweise eine Rolle im Vollzug der Gruppenbildung. Im Vordergrund steht demgegenüber eine gemeinsame Interessenslage, die jedoch nicht ausschließt, dass auch andere Faktoren (Ethnizität, sozialer Status, Herkunft, etc.) eine Bedeutung besitzen können.9 Mit der präferierten Terminologie ist zugleich der Bezug zur Forschung im englischsprachigen Raum hergestellt, die den Begriff der „voluntary associations“ verwendet.10

      Das Grundproblem der vielfältigen Konnotationen, die sich im deutschen Sprachraum mit dem VereinsbegriffVereinsbegriff verbinden, ist auch innerhalb des antiken Sprachgebrauchs festzustellen, insofern es keinen einheitlichen Begriff zur Bezeichnung einer antiken freiwilligen Vereinigung gibt.11 Ascough hält dazu fest: „This diversity of group designators for voluntary associations suggests that there was no one designation by which all groups could be identified.“12 Festzuhalten ist allerdings, dass „es sich um kleine Gruppen [handelte, JQ], in denen intensive und enge persönliche Kontakte möglich waren und gepflegt wurden.“13 Öhler nennt als Beispiele für Bezeichnungen der Vereinigungen θίασος, ἔρανος, σύνοδος und ἑταιρία für den griechischen und collegiumCollegium, societas und sodalitas für den lateinischen Bereich.14

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