Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ des Neuen Testaments geben Zeugnis von einer großen MobilitätMobilität des PaulusPaulus und anderer urchristlicher Akteure. Niederschlag fand diese MobilitätMobilität in einer Reihe von Gemeindegründungen und Missionserfolgen im Mittelmeerraum – mithin im Osten des Römischen Reiches. Röm 15,23f.Röm 15,23f. berichtet darüber hinaus von den Plänen des Paulus, nach SpanienSpanien zu reisen. Darum ist die Frage nach der MobilitätMobilität im Römischen Reich von besonderer Relevanz für die Frage von Wechselwirkungen zwischen antiken Vereinigungen und christlichen Gemeinden: Anders als die Vereinigungen, die zumeist auf einen Ort begrenzt blieben, verbreitete sich das Christentum innerhalb eines weiten geographischen Bereichs. Zugleich berührt diese Frage das unten zu entwickelnde Kriterium der geographischen Plausibilität, wie noch weiter ausgeführt werden wird.

      Das Römische Reich gliederte sich in eine Vielzahl von Provinzen, deren Raum und Anzahl veränderlich war. Unter der HerrschaftHerrschaft Trajans (98–117) erfuhr das Imperium seine größte Ausdehnung mit 41 Provinzen und reichte von der Iberischen Halbinsel bis nach Mesopotamien und von Ägypten bis nach Britannien.1 Garanten staatlicher Ordnung und Stabilität in diesem Großreich waren eine effiziente Verwaltung sowie gut ausgebildete und ausgerüstete Streitkräfte. Das Engagement der römischen Eliten, sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich, ist dabei als Grundlage politischer und gesellschaftlicher Stabilität zu verstehen.2

      Neben der politischen Gliederung ist im Blick zu behalten, dass sich das Römische Reich als ein weithin einheitlicher Sprachraum darstellte, in dem – wie bereits dargestellt – die griechische Sprache eine provinzübergreifende KommunikationKommunikation und MobilitätMobilität ermöglichte. Reck weist darauf hin, dass in einer Gesellschaft, die überwiegend zweisprachig geprägt ist, die Übersetzungen wichtiger Nachrichten und Botschaften einen selbstverständlichen Automatismus darstellt und mit „der Verbreitung des Griechischen als lingua franca fast im gesamten römischen Kaiserreich […] somit ein leistungsfähiger Kanal für die Ausbreitung des Evangeliums (und natürlich auch anderer Botschaften, Kulte, Religionen und Philosophien) im ganzen Mittelmeerraum zur Verfügung [stand].“3

      Einhergehend mit der Ausbreitung des Imperium Romanum ist auch eine Zunahme der MobilitätMobilität bzw. der Reisetätigkeit wahrscheinlich. Truppen mussten an die Grenzen des Reiches verlegt werden, Verwaltungsbeamte zwischen RomRom und den Provinzen reisen und aus Ägypten wurde Getreide in die Hauptstadt transportiert – Bewegungen, die eine geordnete und leistungsfähige Infrastruktur voraussetzen. Die Pax Augusta sorgte für eine relative Sicherheit beim Reisen und durch die Nivellierung von Landesgrenzen sowie die Schaffung eines Straßennetzes für ein zügiges Vorankommen.4 Als Verkehrswege standen dabei sowohl der See- als auch der Landweg zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist das weitläufige römische Straßennetz, das schnelles und relativ einfaches Reisen über den Landweg erlaubte. Die Straßen standen dabei jedermann frei zur Verfügung, während der auf ihnen verkehrende cursus publicus staatlichen Autoritäten und dem Transport von Waren und Nachrichten in deren Auftrag vorbehalten war.5 Schiffsreisen boten sich aufgrund des Mittelmeerraumes an, waren jedoch von einer weitaus größeren meteorologischen Komponente bestimmt als die Reisen auf dem Landweg und ruhten im Winter weitestgehend. Als mittlere Wegstrecken sind für Reisen auf dem Landweg 20 bis 30 km pro Tag, für Reisen per Fuhrwerk bis zu 45 km pro Tag anzunehmen.6

      Ungeachtet dieser Möglichkeiten ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Bevölkerung des Römischen Reiches ortsgebunden und wenig mobil war. Allerdings war MobilitätMobilität auch kein reines Phänomen der Oberschicht.7 Exemplarisch sei auf Unfreie als mobile Elemente der römischen Gesellschaft verwiesen, die durch Handel oder Verschleppung zum Ortswechsel gezwungen waren. Demgegenüber sind auch Angehörige der Oberschichten zu nennen, die im Rahmen des cursus honorumCursus honorum verschiedene ÄmterAmt und Positionen in verschiedenen Regionen und Orten des Imperium Romanum bekleideten.8 Als mobilste Elemente der römischen Gesellschaft können wohl Kaufleute angesehen werden, die entweder regional oder überregional tätig waren. Die Bedeutsamkeit dieser mobilen Elemente für die vorliegende Studie ist in ihrer Funktion als Trägerinnen und Trägern von Nachrichten, Kultur und Traditionen zu sehen, die in dem Begriff des Multiplikators zusammengefasst werden kann. Für die Gruppe der Kaufleute spricht Reck von „geborene[n] Nachrichtenträger[n]“, die dafür sorgten, dass die Handelsrouten zu Wegen mit „intensivstem Nachrichtenverkehr“ wurden.9 Auch Angehörige der Oberschichten sind so als Multiplikatoren zu verstehen, die regionale Besonderheiten und Nachrichten weitertrugen.

      Für die Ausbreitung des Christentums liegt die Bedeutung der Frage nach MobilitätMobilität und Kommunikationswegen klar auf der Hand:10 Das Christentum konnte für die Ausbreitung der Botschaft von und der Lehre über Jesus von einer leistungsfähigen Infrastruktur innerhalb des Römischen Reiches profitieren, wie die Reisen und die Korrespondenz des PaulusPaulus offensichtlich machen.11 Mit dieser Wahrnehmung ist die Annahme verbunden, dass sich bestimmte soziale Phänomene von einem konkreten Ort ausgehend, im Römischen Reich verbreitet haben. Die Verfasser der neutestamentlichen Schriften können damit auch Einflüsse aus anderen Teilen des Römischen Reiches gekannt, sie möglicherweise auch aufgenommen und verarbeitet haben, ungeachtet ihrer genuinen Lokalisierung.12 Diese Annahme betrifft auch das Wissen um antike Vereinigungen. Insofern bedeutet die MobilitätMobilität von Personen auch eine MobilitätMobilität gesellschaftlicher Phänomene und damit für die vorliegende Studie die Möglichkeit, epigraphische Zeugnisse aus allen Teilen des Römischen Reiches gleichermaßen wahrzunehmen.

      1.4.4 Strukturen

      Für die sozialgeschichtliche Untersuchung antiker Vereinigungen ist die Frage nach den strukturellen gesellschaftlichen Gegebenheiten von besonderer Bedeutung. Dabei ist wahrzunehmen, dass sich das gesellschaftliche Gefüge der römischen Kaiserzeit einigermaßen komplex darstellt und en détail weit ausdifferenziert ist, sodass sich für diese Epoche ein vielgestaltiges Bild ergibt, dass die Gewinnung exakter Beschreibungen und Aussagen erschwert.1 Zur Bestimmung des gesellschaftlichen Standorts eines Bewohners des Imperium Romanum sind eine Vielzahl an Parametern von Bedeutung, die regional variieren konnten, und die in der Summe jede Person innerhalb des sozialen Gesamtgefüges verorteten. Anhand der folgenden Überlegungen wird aber auch deutlich werden, dass es sich bei den dargestellten Strukturen nicht um ein erstarrtes Konstrukt handelte, sondern dass die römische Gesellschaft trotz aller Reglementierungen und Konventionen auch Flexibilität aufwies. So gab es mannigfaltige Möglichkeiten des gesellschaftlichen Aufstiegs und Interferenzen, die eine gesellschaftliche MobilitätMobilität ermöglichten und illustrieren.2

      Am Bild einer Pyramide orientiert, ergibt sich für das Imperium Romanum zunächst eine ungleichmäßige Zweiteilung der Gesellschaft in zahlenmäßig geringe, die Spitze der Pyramide bildende Oberschichten (honestiores)3 und in starke, den unteren Teil der Pyramide bildende Unterschichten (humiliores).4 Zur ersten Gruppe sind die ordines der Senatoren, Ritter, vermögende Freigelassene und Dekurionen zu zählen, aus deren Reihen sich eine Führungsschicht im engeren Sinne rekrutierte, deren Umfang noch einmal bedeutend kleiner war.5

      Bestimmt wurde der gesellschaftliche Standort einer jeden Person zunächst von einer geographischen Komponente: Handelte es sich um einen Angehörigen der Land- (plebs rustica) oder Stadtbevölkerung (plebs urbana)?6 Je nachdem unterschieden sich Lebensstandard und Aufstiegsmöglichkeiten, Kultur und Tradition, Beruf und Lebensart. Auch die regionale Herkunft war für die soziale Schichtung bedeutsam. Sodann ist ferner die soziale Abstammung von Bedeutung: Soziale Positionen konnten zumeist vererbt werden, sodass die Nachkommen von honestiores ebenfalls die soziale Stellung der Vorfahren einnehmen konnten.7 Neben dem Faktor der Abstammung ist die Rechtsstellung ebenfalls ein primäres Kriterium der Einordnung innerhalb gesellschaftlicher Zusammenhänge. Zu unterscheiden ist näherhin zwischen römischen Bürgern, Freigelassenen und Unfreien. Innerhalb dieser rechtlichen Kategorien war ein gesellschaftlicher Aufstieg beispielsweise im Falle eines Sklaven durch Freilassung möglich. Geburt bzw. Herkunft und Freilassung sind dabei lediglich zwei Faktoren, die für die soziale Standortbestimmung ebenfalls relevant sind.8 Auch der Umfang des persönlichen Vermögens ist für die Verortung einer Person innerhalb der kaiserzeitlichen СКАЧАТЬ