Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ in einem breitgefächerten Angebot an freiwilligen Vereinigungen auf Grundlage unterschiedlicher Interessens- bzw. Bedürfnislagen. Andererseits ist ebenfalls eine regionale Diversität denkbar, wie sie sich anhand der Größe und Vielgestaltigkeit der hellenistischen Welt im Allgemeinen und des Römischen Reiches im Speziellen ergab. Dieser Befund ist für die aktuelle Studie der Vollständigkeit halber wahrzunehmen, hat jedoch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Darstellung. Zugleich lässt die Diversität in den Vereinigungsbezeichnungen vermuten, dass u.U. lediglich die Gewinnung exemplarischer Ergebnisse möglich ist, die kritisch auf ihre generelle Aussagekraft hin zu befragen sind.

      1.5.3 Rechtliche Grundlagen der Vereinigungen

      Mit einem Interesse an freiwilligen Vereinigungen in der Antike verbindet sich auch die Frage nach ihren rechtlichen Grundlagen.1 Eine juristische Einlassung zu diesen sozialen Gruppen innerhalb des römischen Rechts ist seit etwa 450 v. Chr. bekannt:2 Die Grundaussage der Bestimmung innerhalb des sogenannten Zwölftafelgesetzes ist in der Erlaubnis greifbar, dass sich freiwillige Vereinigungen SatzungenSatzung geben dürfen, so lange sie nicht gegen geltendes öffentliches RechtRecht verstoßen3 und „sich diese als loyal gegenüber den Interessen von Polis und Imperium [erwiesen].“4 Eine weitergehende juristische Bedeutung wird den Vereinigungen aber nicht zugesprochen, was sie von einem „Verein“ im o.g. Sinn unterscheidet und eine begriffliche Unterscheidung plausibilisiert. Der genannte juristische Grundsatz kann weithin als cantus firmus des Umgangs mit freiwilligen Vereinigungen verstanden werden: Wenn von einer Gruppe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht, ist ihre Vereinigung und ihre Zusammenkunft legitim. Dass in den meisten Fällen von den Vereinigungen keine Gefahr ausging, zeigt Sommer auf, der von 16 belegten VereinigungsunruhenVereinigungsunruhen in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit spricht.5 Demgegenüber seien 100 weitere, anders gelagerte Unruhen zu verzeichnen.6 Vor diesem Hintergrund subsumiert Öhler: „Die allermeisten Vereinigungen hatten aber keinerlei Zulassung und benötigten diese auch nicht. Sie waren vielmehr wichtige Bestandteile in der SozialstrukturSozialstruktur der antiken Welt.“7

      Ein Wandel ergab sich im ersten vorchristlichen Jahrhundert aufgrund der Verwicklung politischer Vereinigungen innerhalb der Bürgerkriege des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhunderts.8 Als Ausdruck dessen ist der auf 64 v. Chr. datierende Beschluss des Senats zur Auflösung aller Vereinigungen anzusehen, der 56 v. Chr. nach einer zwischenzeitlichen Phase der Vereinsfreiheit mit weiteren Verboten verbunden wurde.9 Ausgenommen waren Vereinigungen, die vor dem Jahr 64 v. Chr. gegründet wurden und als für den Staat ungefährlich eingestuft wurden. Unter diese Kategorie zu zählen sind auch jüdische SynagogenSynagoge und später – sofern in deren Umfeld angesiedelt und nicht als Störfaktor wahrgenommen – auch erste christliche Gruppierungen:10 „Unter normalen Umständen war Religion kein Grund für VereinigungsunruhenVereinigungsunruhen, sie spielte nur dann eine Rolle, wenn Vereinigungen in ihrer legitimen Kultausübung von exklusiven Religionen wie den Christen daran gehindert wurde.“11 In dieser Perspektive ist wiederum ein Faktor zu sehen, der einen Vergleich zwischen freiwilligen Vereinigungen und christlichen Gemeinden nahelegt: Ungeachtet ihrer Selbstsicht ist anzunehmen, dass christliche Gruppen bzw. Gemeinden – sofern nicht als Störfaktor wahrgenommen – zunächst als freiwillige Vereinigungen bzw. collegiaCollegia identifiziert wurden und für sie die selben rechtlichen Rahmenbedingungen galten, wie für andere Vereinigungen auch, die entsprechenden möglichen Reaktionen von staatlicher Seite eingeschlossen.12 Auch Heinrici geht davon aus, dass die Gemeinde in KorinthKorinth als eine religiöse Genossenschaft problemlos bestehen konnte, solange keine Gefahr für das Reich von ihr ausging.13

      Neben den Bestandsschutz trat seit Augustus die Zulassung neuer Vereinigungen durch den Senat, sofern von ihnen ebenfalls keine Gefahr ausging und sie dem Wohl der Allgemeinheit dienten.14 Einen exemplarischen Beleg für die Zulassung durch den Senat auf Anordnung des Augustus bietet eine entsprechend datierende Inschrift:

      „Dis manibus. Collegio symphonia corum qui sacris publicis praestru sunt quibus senatus c c c permisit e lege Iulia ex auctoritate Aug(usti) ludorum causa.“15

      Öhler zufolge lag demgegenüber die VerantwortungVerantwortung für die Auflösung einer Vereinigung bei der jeweiligen Stadt.16 Der Bestand unautorisierter Vereinigungen war so zwar nicht legitimiert, jedoch differierte die Umsetzung der Rechtslage in die Praxis,17 „[e]rst wenn Probleme auftraten, wurden die römischen Behörden aktiv.“18 Unter Trajan veränderte sich die Gesetzeslage noch einmal, sodass mit seiner Regierungszeit ein formales Vereinigungsverbot verbunden ist, das entgegen der bisherigen Bestimmungen de jure eine Verschärfung darstellt. De facto sorgte dieses Verbot jedoch nicht für einen Niedergang der Mehrzahl der freiwilligen Vereinigungen:19 Es ist ein ständiges Nebeneinander von akkreditierten und nicht-akkreditierten Vereinigungen festzuhalten. Verbindendes Element beider Gruppen ist der Maßstab des öffentlichen Nutzens.20 Diese Beständigkeit antiker Vereinigungen zeigt sich auch anhand der epigraphischen Quellen21, denn „[e]in verbotener Verein stellt keine Inschrift auf.“22

      1.5.4 Strukturelle Grundlagen der Vereinigungen

      Die Auseinandersetzung mit antiken Vereinigungen wirft grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Aufbaus dieser Gruppen auf: Welche OrganisationsformenOrganisationsform sind anzunehmen? Gab es ÄmterAmt bzw. Leitungsfunktionen und HierarchienHierarchie innerhalb der Vereinigungen? Welche Ziele verfolgten die Vereinigungen? Der Grundsätzlichkeit der Frage entsprechend, soll an dieser Stelle zunächst ein allgemeines Bild freiwilliger Vereinigungen gezeichnet werden, ohne auf konkrete Einzelphänomene einzugehen.

      Ein forschungsgeschichtlicher Konsens besteht in der Erkenntnis, dass sich freiwillige antike Vereinigungen an gesamtgesellschaftlichen Strukturen orientierten und sie gleichsam unterwanderten. Konkret wird dies an der Ausbildung von Ämtern und HierarchienHierarchie deutlich, die denen der Gesellschaft des Römischen Reichs ähnlich waren.1 Die Übernahme dieser ÄmterAmt war allen VereinigungsmitgliedernVereinigungsmitglied möglich, ungeachtet ihres realen sozialen Status. Demgemäß besaßen Vereinigungen ein egalitäres Element, das in gesamtgesellschaftlicher Perspektive keine Parallele fand.2 Insofern schufen Vereinigungen eine fiktive Realität, die die Alltagsverhältnisse zu transzendieren bzw. zu unterwandern vermochte: „Nur in einer Vereinigung konnte auch ein Freigelassener den Posten eines magisters bekleiden, in der Mitgliederversammlung diskutieren oder einen magister zur Rechenschaft ziehen. Demgemäß kann man von einer Vereinigung als von einem in sozialer Hinsicht ausdrücklichen Gegenmodell zur stark hierarchisch organisierten Stadtgesellschaft sprechen.“3 In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass die faktische EgalitätEgalität innerhalb der ÄmterstrukturAmt eine Begrenzung durch mit finanziellen Verpflichtungen verbundene ÄmterAmt fand, deren Ausübung durch ihren pekuniären Aspekt auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt blieb.4 Gutsfeld verweist zugleich darauf, dass die Vereinigungen kein „Sonderleben“ führten und das Ausleben dieses Gegenmodells auf einen geschützten Raum begrenzt war, sich innerhalb der städtisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge zu verordnen hatte und nicht offen gegen sie opponieren konnte.5 In nicht geringem Maße dürfte dieser Umstand jedoch in Verbindung mit der Schaffung einer GruppenidentitätGruppenidentität dazu beigetragen haben, soziale Ungleichheiten abzumildern und dadurch indirekt auch das gesellschaftliche System zu stabilisieren.

      Für die Gründung und Erhaltung von Vereinigungen jeglicher Art ist eine finanzielle Basis unerlässlich.6 Besondere Bedeutung innerhalb der Frage nach der Organisation freiwilliger antiker Vereinigungen kommt deswegen dem PatronatswesenPatronat zu, das im Sinne der gesellschaftlichen Ordnung des Römischen Reiches mit Status und Anerkennung verbunden war und im Zusammenspiel mit egalitären Momenten innerhalb der Vereinigungen für dieses konstitutiv war.7 Das PatronatswesenPatronat muss nicht als Widerspruch zur EgalitätEgalität gesehen werden, da eine PatroninPatronin bzw. ein PatronPatron in den meisten Fällen nicht zugleich Mitglied der betreffenden Vereinigung war, es sei denn, diese versammelte sich innerhalb ihres bzw. seines Haushaltes.8 Der PatroninPatronin bzw. dem PatronPatron kam die Aufgabe der finanziellen bzw. auch materiellen Unterstützung der Vereinigung СКАЧАТЬ