Название: Der Stechlin
Автор: Theodor Fontane
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726540147
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„Ja, das ist es. Und da helfen bloss Rattenfänger.“
„Ja, Rattenfänger, davon hab’ ich auch gehört — Rattenfänger von Hameln. Aber die gibt es doch nicht mehr.“
,,Nein, gnädige Frau, die gibt es nicht mehr, wenigstens nicht mehr solche Hexenmeister mit Zauberspruch und einer Pfeife zum Pfeifen. Aber die meine ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menschen, die dergleichen als Metier betreiben und sich in den Zeitungen anzeigen, unheimliche Gesichter mit einer Pelzkappe. Was ich meine, sind bloss Pinscher, die nebenher auch noch ,Rattenfänger‘ heissen und es auch wirklich sind. Und mit einem solchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das ist eigentlich das Schönste, was es gibt.“
„Aber mit einem Pinscher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!“
„Doch, doch, meine gnädigste Frau. Als ich in Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert), da bin ich init ’runtergestiegen in die sogenannten Katakomben, hochgewölbte Kanäle, die sich unter der Erde hinziehen. Und diese Kanäle sind das wahre Ratteneldorado; da sind sie zu Millionen. Oben drei Millionen Franzosen, unten drei Millionen Ratten. Und einmal, wie gesagt, bin ich da mit ’runtergeklettert und in einem Boote durch diese Unterwelt hingefahren, immer mitten in die Ratten hinein.“
„Grässlich, grässlich! Und sind Sie heil wieder ’rausgekommen?“
„Im ganzen ja. Denn, meine gnädigste Fran, eigentlich war es doch ein Vergnügen. In unserm Kahn hatten wir nämlich zwei solche Rattenfänger, einen vorn und einen hinten. Und nun hätten Sie sehen sollen, wie das losging. ,Schnapp’, und das Tier um die Ohren geschlagen, und tot war es. Und so weiter, so schnell, wie Sie nur zählen können, und mitunter noch schneller. Ich kann es nur vergleichen mit Mr. Carver, der bekannten Mr. Carver, von dem Sie gewiss einmal gelesen haben, der in der Sekunde drei Glaskugeln wegschoss. Und so immerzu, viele Hundert. Ja, so was wie diese Rattenjagd da unten, das vergisst man nicht wieder. Es war aber auch das Beste da. Denn was sonst noch von Paris geredet wird, das ist alles übertrieben; meist dummes Zeug. Was haben sie denn Grosses? Opern und Zirkus und Museum und in einem Saal ‘ne Venus, die man sich nicht recht ansieht, weil sie das Gefühl verletzt, namentlich wenn man mit Damen da ist. Und das alles haben wir schliesslich auch, und manches haben wir noch besser. So zum Beispiel Niemann und die del Era. Aber solche Rattenschlacht, das muss wahr sein, die haben wir nicht. Und warum nicht? Weil wir keine Katakomben haben.“
Der alte Dubslav, der das Wort „Katakomben“ gehört hatte, wandte sich jetzt wieder über den Tisch hin und sagte: „Pardon, Herr von Szako, aber Sie müssen meiner lieben Frau von Gundermann nicht mit so furchtbar ernsten Sachen kommen, und noch dazu hier bei Tisch, gleich nach Karpfen und Meerrettich. Katakomben! Ich bitte Sie. Die waren ja doch eigentlich in Rom und erinnern einen immer an die traurigsten Zeiten, an den grausamen Kaiser Nero und seine Verfolgungen und seine Fackeln. Und da war dann noch einer mit einem etwas längeren Namen, der noch viel grausamer war, und da verkrochen sich diese armen Christen gerade in ebendiese Katakomben, und manche wurden verraten und gemordet. Nein, Herr von Ezako, da lieber was Heiteres. Tricht wahr, meine liebe Frau von Gundermann?“
,,Ach nein, Herr von Stechlin; es ist doch alles so sehr gelehrig. Und wenn man so selten Gesetzenheit hat...“
„Na, wie Sie wollen. Ich hab’ es gut gemeint. Stossen wir an! Ihr Rudolf soll leben; das ist doch der Liebling, trotzdem er der Älteste ist. Wie alt ist er denn jetzt?“
„Vierundzwanzig.“
„Ein schönes Alter. Und wie ich höre, ein guter Mensch. Er müsste nur mehr ‘raus. Er versauert hier ein bisschen.“
„Sag’ ich ihm auch. Aber er will nicht fort. Er sagt, zu Hause sei es am besten.“
„Bravo. Da nehm’ ich alles zurück. Lassen Sie ihn. Zu Hause ist es am Ende wirklich am besten. Und gerade wir hier, die wir den Vorzug haben, in der Rheinsberger Gegend zu leben. Ja, wo ist so was? Erst der grosse König und dann Prinz Heinrich, der nie ʼne Schlacht verloren. Und einige sagen, er wäre noch klüger gewesen als sein Bruder. Aber ich will so was nicht gesagt haben.“
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Frau von Gundermann schien auf das ihr als einziger, also auch ältester Dame zustehende Tafelaufhebungsrecht verzichten zu wollen und wartete, bis statt ihrer der schon seit einer Viertelstunde sich nach seiner M eerschaumpfeife sehnende Dubslao das Zeichen zum Aufbruch gab. Alles erhob sich jetzt rasch, um vom Esszimmer aus in den nach dem Garten hinaussehenden Salon zurückzukehren, dem es — war es Zufal oder Absicht? — in diesem Augenblick noch an aller Beleuchtung fehlte; nur im Kamin glühten ein paar Scheite, die während der Essenszeit halb niedergebrannt waren, und durch die offenstehende hohe Glastür fiel von der Veranda her das Licht der über den Parkbäumen stehenden Mondsichel. Alles gruppierte sich alsbald um Frau von Gundermann, um dieser die pflichtschuldigen Honneurs zu machen, während Martin die Lampen, Engelke den Kaffee brachte. Das ein paar Minuten lang geführte gemeinschaftliche Gespräch kam, all die Zeit über, über ein unruhiges Hin und Her nicht hinaus, bis der Knäuel, in dem man stand, sich wieder in Gruppen auflöste.
Das erste sich abtrennende Paar waren Rex und Katzler, beide passionierte Billardspieler, die sich — Katzler übernahm die Führung — erst in den Esssaal zurück und von diesem aus in das danebengelegene Spielzimmer begaben. Das hier stehende, ziemlich vernachlässigte Billard war schon an die fünfzig Jahre alt und stammte noch aus des Vaters Zeiten her. Dubslav selbst machte sich nicht viel aus dem Spiel, aus Spiel überhaupt nicht, und interessierte sich, soweit sein Billard in Betracht kam, nur für eine sehr nachgedunkelte Karoline, von der ein Berliner Besucher mal gesagt hatte: ,,Alle Wetter, Stechlin, wo haben Sie die her? Das ist ja die gelbste Karoline, die ich all mein Lebtag gesehen habe“ — Worte, die damals solchen Eindruck auf Dubslav gemacht hatten, dass er seitdem ein etwas freundlicheres Verhältnis zu seinem Billard unterhielt und nicht ungern von seiner Karoline“ sprach.
Das zweite Paar, das sich aus der Gemeinschaft abtrennte, waren Woldemar und Gundermann. Gundermann, wie alle an Kongestionen Leidende, fand es überall zu heiss und wies, als er ein paar Worte mit Woldemar gewechselt, auf die offenstehende Tür. „Es ist ein so schöner Abend, Herr von Stechlin; könnten wir nicht auf die Veranda hinaustreten?“
,,Aber gerpiss, Herr von Gundermann. Und wenn wir uns absentieren, wollen wir auch alles Gute gleich mitnehmen. Engelke, bring uns die kleine Kiste, du weisst schon.“
,,Ah, kapital. So ein paar Züge, das schlägt nieder, besser als Sodamasser. Und dann ist es auch wohl schicklicher im Freien. Meine Frau, wenn wir zu Hause sind, hat sich zmar daran gervöhnen müssen und spricht höchstens mal von ,paffen‘ (na, das is nicht anders, dafür is man eben verheiratet), aber in einem fremden Hause, da fangen denn doch die Rücksichten an. Unser guter alter Kortschädel sprach auch immer von ,Dehors’.“
Unter diesen Worten waren Woldemar und Gundermann vom Salon her auf die Veranda hinausgetreten, bis dicht an die Treppenstufen heran, und sahen auf den kleinen Wasserstrahl, der auf dem Rundell aufsprang.
„Immer wenn ich den Wasserstrahl sehe“, fuhr Gundermann fort, „muss ich wieder an unsern guten alten Kortschädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder muss mal, und wenn irgendeiner seinen Platz da oben sicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch und loyal bis auf die Knochen. СКАЧАТЬ