Der Stechlin. Theodor Fontane
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Название: Der Stechlin

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788726540147

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      Lorenzen war daran gewöhnt, sei’s zu Lob, sei’s zu Tadel, sich mit dem ebenso gefeierten wie befehdeten Hofprediger in Parallele gestellt zu sehen, und empfand dies jedesmal als eine Huldigung. Aber nicht minder empfand er dabei regelmässig den tiefen Unterschied, der zwischen dem grossen Agitator und seiner stillen Weise lag. „Ich glaube, Herr von Rex“, nahm er wieder das Wort, „dass Sie den Vater der Berliner Bewegungʻ sehr richtig geschildert haben, vielleicht sogar zur Zufriedenheit des Geschilderten selbft, was, wie man sagt, nicht eben leicht sein soll. Er hat viel erreicht und steht anscheinend in einem Siegeszeichen; hüben und drüben hat er Wurzel geschlagen und sieht sich geliebt und gehuldigt, nicht nur seitens derer, denen er mildtätig die Schuhe schneidet, sondern beinah mehr noch im Lager derer, denen er das Leder zu den Schuhen nimmt. Er hat schon so viele Beinamen, und der des heiligen Krispin wäre nicht der schlimmste. Viele wird es geben, die sein Tun im guten Sinne beneiden. Aber ich fürchte, der Tag ist nahe, wo der so Ruhige und zugleich so Mutige, der seine Ziele so weit steckte, sich in die Enge des Daseinis zurücksehnen wird. Er besitzt, wenn ich recht berichtet bin, ein kleines Bauerngut irgendwo in Franken, und wohl möglich, ja mir persönlich geradezu wahrscheinlich, dass ihm an jener stillen Stelle früher oder später ein echteres Glück erblüht, als er es jetzt hat. Es heisst wohl, ,Gehet hin und lehret alle Heiden‘, aber schöner ist es doch, wenn die Welt, unis suchend, an uns herankommt. Und die Welt kommt schon, wenn die richtige Persönlichkeit sich ihr auftut. Da ist dieser Wörishofener Pfarrer — er sucht nicht die Menschen, die Menschen suchen ihn. Und wenn sie kommen, so heilt er sie, heilt sie mit dem Einfachsten und Natürlichften. Übertragen Sie das vom Äussern aufs Innere, so haben Sie mein Ideal. Einen Brunnen graben just an der Stelle, wo man gerade steht. Innere Mission in nächster Nähe, sei’s mit dem Alten, sei’s mit etwas Neuem.“

      „Also mit dem Neuen“, sagte Woldemar und reichte seinem alten Lehrer die Hand.

      Aber dieser antwortete: „Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es irgend geht, und mit dem Neuen nur, soweit es muss.“

      Das Mahl war inzwischen vorgeschritten und bei einem Gange angelangt, der eine Spezialität von Schloss Stechlin mar und jedesmal die Bewunderung seiner Gäste: losgelöste Krammetsvögelbrüste, mit einer dunkeln Kraftbrühe angerichtet, die, wenn die Herbst- und Ebereschentage da waren, als eine höhere Form von Schwarzsauer auf den Tisch zu kommen pflegten. Engelke präsentierte Burgunder dazu, der schon lange lag, noch aus alten, besseren Tagen her, und als jeder davon genommen, erhob sich Dubslav, um erst kurz seine lieben Gäste zu begrüssen, dann aber die Damen leben zu lassen. Er müsse bei diesem Plural bleiben, trotzdem die Damenwelt nur in einer Einheit vertreten sei; doch er gedenke dabei neben seiner lieben Freundin und Tischnachbarin (er küsste dieser huldigend die Hand) zugleich auch der „Gemahlin“ seines Freundes Katzler, die leider — wenn auch vom Familienstandpunkt aus in hocherfreulichster Veranlassung — am Erscheinen in ihrer Mitte verhindert sei: „Meine Herren, Frau Oberförster Kabler“ — er machte hier eine kleine Pause, wie wenn er eine höhere Titulatur ganz ernsthaft in Erwägung gezogen hätte —, „Frau Oberförster Katzler und Frau von Gundermann, sie leben hoch!“ Rex, Czako, Katzler erhoben sich, um mit Frau von Gundermann anzustossen; als aber jeder von ihnen auf seinen Platz zurückgekehrt war, nahmen sie die durch den Toast unterbrochenen Privatgespräche wieder auf, wobei Dubslav als guter Wirt sich darauf beschränkte, kurze Bemerkungen nach links und rechts hin einzustreuen. Dies war indessen nicht immer leicht, am wenigsten leicht bei dem Geplauder, das der Hauptmann und Frau von Gundermann führten und das so pausenlos verlief, dass ein Einhaken sich kaum ermöglichte. Czako mar ein guter Sprecher, aber er verschmand teben seiner Partnerin. Ihres Vaters Laufbahn, der es (ursprünglich Schreib- und Zeichenlehrer) in einer langen, schon mit Anno dreizehn beginnenden Dienstzeit bis zum Hauptmann in der „Plankammer“ gebracht hatte, gab ihr in ihren Augen eine gewisse militärische Zugehörigkeit, und als sie, nach mehrmaligem Auslugen, endlich den ihr wohlbekannten Namenszug des Regiments Alexander auf Czakos Achselklappe erkannt hatte, sagte sie: „Gott..., Alexander. Nein, ich sage. Mir war aber doch auch gleich so — Münzstrasse. Wir wohnten ja Linienstrasse, Eckssse der Weinmeister — das heisst, als ich meinen Mann Kennenlernte. Vorher draussen, Schönhauser Allee. Wenn man so wen aus seiner Gegend wiedersieht! Ich bin ganz glücklich, Herr Hauptmann. Ach, es ist zu traurig hier. Und wenn wir nicht den Herrn von Stechlin hätten, so hätten wir so gut wie gar nichts. Mit Katzlers“, aber dies flüsterte sie nur leise, „mit Katzlers ist es nichts, die sind zu hoch ’raus. Da muss man sich denn klein machen. Und so toll ist es am Ende doch auch noch nicht. Jetzt passen sie ja noch leidlich. Aber abwarten.“

      „Sehr wahr, sehr wahr“, sagte Ezako, der, ohne was sicheres zu verstehen, nur ein während des Dubslavschen Toastes schon gehabtes Gefühl bestätigt sah, dass es mit den Katzlers was Besonderes auf sich haben müsse. Frau von Gundermann aber, den ihr unbequemen Flüsterton aufgebend, fuhr mit wieder lauter werdender Stimme fort: „Wir haben den Herrn von Stechlin, und das ist ein Glück, und es ist auch bloss eine gute halbe Meile. Die meisten andern wohnen viel zu meit, und wenn sie auch näher wohnten, sie wollen alle nicht recht; die Leute hier, mit denen wir eigentlich Umgang haben müssten, sind so diffizil und legen alles auf die Goldwaage. Das heisst, vieles setzen sie nicht auf die Goldmaage, dazu reicht es bei den meisten nicht aus; nur immer die Ahnen. Und sechzehn ist das wenigste. Ja, wer hat gleich sechzehn? Gundermann ist erst geadelt, und wenn er nicht Glück gehabt hätte, so wär’ es gar nichts. Er hat nämlich klein angefangen, bloss mit einer Mühle; jetzt haben wir nun freilich sieben, immer den Rhin entlang, lauter Schneidemühlen, Bohlen und Bretter, einzöllig, zweizöllig und noch mehr. Und die Berliner Dielen, die sind fast alle von uns.“

      „Aber meine gnädigste Frau, das muss Ihnen doch ein Hochgefühl geben. Alle Berliner Dielen! Und dieser Rhinfluss, von dem Sie sprechen, der vielleicht eine ganze Seenkette verbindet und woran mutmasslich eine reizende Villa liegt! Und darin hören Sie Tag und Nacht, wie nebenan in der Mühle die Säge geht, und die dicht herumstehenden Bäume bewegen sich leise. Mitunter natürlich ist auch Sturm. Und Sie haben eine Pony-Equipage für Ihre Kinder. Ich darf doch annehmen, dass Sie Kinder haben? Wenn man so abgeschieden lebt und so beständig aufeinander angewiesen ist...“

      „Es ist, wie Sie sagen, Herr Hauptmann; ich habe Kinder, aber schon erwachsen, beinah alle, denn ich habe mich jung verheiratet. Ja, Herr von Ezako, man ist auch einmal jung geresen. Und es ist ein Glück, dass ich die Kinder habe. Sonst ist kein Mensch da, mit dem man ein gebildetes Gespräch führen kann. Mein Mann hat seine Politik und möchte sich wählen lassen, aber es wird nichts, und wenn ich die Journale bringe, nicht mal die Bilder sieht er sich an. Und die Geschichten, sagt er, seien bloss dummes Zeug und bloss Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Seine Mühlen, was ich übrigents recht und billig finde, sind ihm lieber.“

      „Aber Sie müssen doch viele Menschen um sich herum haben, schon in Ihrer Wirtschaft.“

      ,,Ja, die hab’ ich, und die Mamsells, die man so kriegt, ja, ein paar Wochen geht es; aber dann bändeln sie gleich an, am liebsten mit ’nem Volontär; wir haben nämlich auch Volontärs in der Mühlenbranche. Und die meisten sind aus ganz gutem Hause. Die jungen Menschen passen aber nicht auf, und da hat man’s denn, und immer gleich Knall und Fall. All das ist doch traurig, und mitunter ist es auch so, dass man sich geradezu genieren muss.“

      Ezako seufzte. „Mir ein Greuel, all dergleichen. Aber ich weiss vom Manöver her, was alles vorkommt. Und mit einer Schläve... nichts schlauer als verliebte Menschen. Ach, das ist ein Kapitel, womit man nicht fertig wird. Aber Sie fagten Linienstrasse, meine Gnädigste. Welche Nummer denn? Ich kenne da beinahe jedes Haus, kleine, nette Häuser, immer bloss Beletage, höchstens mal ein Oeil de Boeuf.“

      „Wie? Was?“

      „Grosses rondes Fenster ohne Glas. Aber ich liebe diese Häuser.“

      „Ja, das kann ich auch von mir sagen, und in gerade solchen Häusern hab’ ich meine beste Zeit verbracht, als ich noch ein Quack war, höchstens vierzehn. Und so grausam СКАЧАТЬ