Der Stechlin. Theodor Fontane
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Название: Der Stechlin

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726540147

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СКАЧАТЬ das richtige Wort ist. Unser eigenstes Vollblut bewegt sich auch in Extremen und hat einen linken und einen rechten Flügel; der linke nähert sich unsrer geborenen Helfrich. Übrigens unterhaltliche Madam. Und wie beseligt sie war, als sie den Namenszug auf Ihrer Achselklappe glücklich entdeckt und damit den Anmarsch auf die Münzstrasse gewonnen hatte. Was es doch alles für Lokalpatriotismen gibt!“

      An dem unser Regiment teilnimmt oder ihn mitmacht. Die Welt um den Alexanderplatz herum hat übrigens so ihren eigenen Zauber, schon um einer gewissen Unresidenzlichkeit willen. Ich sehe nichts lieber als die grosse Markthalle, wenn beispielsweise die Fischtonnen mit fünfhundert Aalen in die Netze gegossen werden. Etwas Anglaubliches von Gezappel.“

      ,,Finde mich ganz darin zurecht und bin auch für Alexanderplatz und Alexanderkaserne samt allem, was dazugehört. Und so brech’ ich denn auch die Gesetzenheit vom Zaun, um nach einem Ihrer früheren Regimentskommandeure zu fragen, dem liebenswürdigen Obersten von Zeuner, den ich noch persönlich gekannt habe. Hier unsere Stechliner Gegend ist nämlich Zeunergegend. Keine Stunde von hier liegt Köpernitz, eine reizende Besitzung, drauf die Zeunersche Familie schon in friderizianischen Tagen ansässig war. Bin oft drüben gewesen (nun freilich schon zwanzig Jahre zurück). und komme noch einmal mit der Frage: Haben Sie den Obersten noch gekannt?“

      „Nein, Herr Major. Er war schon fort, als ich zum Regimente kam. Aber ich habe viel von ihm gehört und auch von Köpernitz, weiss aber freilich nicht mehr, in welchem Zusammenhange.“

      „Schade, dass Sie nur einen Tag für Stechlin festgesetzt haben, sonst müssten Sie das Gut sehen. Alles ganz eigentümlich und besonders auch ein Grabstein, unter dem eine uralte Dame von beinah neunzig Jahren begraben liegt, eine geborene von Zeuner, die sich in früher Jugend schon mit einem Emigranten am Rheinsberger Hof, mit dem Grafen La Roche-Aymon, vermählt hatte. Merkwürdige Frau, von der ich Ihnen erzähle, wenn ich Sie mal wiedersehe. Nui eins müssen Sie heute schon mit anhören, denn ich glaube, Sie haben den Gustus dafür.“

      „Für alles, was Sie erzählen.“

      „Keine Schmeicheleien! Aber die Geschichte will ich Ihnen doch als Andenken mitgeben. Andre schenken sich Photographien, was ich, selbst wenn es hübsche Menschen sind (ein Fall, der übrigens selten zutrifft), immer greulich finde.“

      „Schenke nie welche.“

      „Was meine Gefühle für Sie steigert. Aber die Geschichte: Da war also drüben in Köpernitz diese La RocheAymon, und weil sie noch die Prinz-Heinrich-Tage gesehen und während derselben eine Rolle gespielt hatte, so zählte sie zu den besonderen Lieblingen Friedrich Wilhelms IV. Und als nun — sagen wir ums Jahr fünfzig — der Zufall es fügte, dass dem zur Jagd hier erschienenen König das Köpernitzer Frühstück, ganz besonders aber eine Blut- und Zungenmurst, über die Massen gut geschmeckt hatte, so wurde dies Veranlassung für die Gräfin, am nächsten Heiligabend eine ganze Kiste voll Würste nach Potsdam hin in die königliche Küche zu liefern. Und das ging so durch Jahre. Da beschloss zuletzt der gute König, sich für al die gute Gabe zu revanchieren, und als wieder Weihnachten war, traf in Köpernitz ein Postpaket ein, Inhalt: eine zierliche, kleine Blutwurst! Und zwar war es ein wunderschöner, rundlicher Blutkarneol mit Goldspeilerchen an beiden Seiten, und die Speilerchen selbst mit Diamanten besetzt. Und neben diesem Geschenk lag ein Zettelchen: ,Wurst wider Wurftʻ.“

      „Allerliebst.“

      „Mehr als das. Ich persönlich ziehe solchen guten Einfall einer guten Verfassung vor. Der König, glaub’ ich, tat es auch. Und es denken auch heute noch viele so.“

      „Gerpiss, Herr Major. Es denken auch heute noch viele so, und bei dem Schwankezustand, in dem ich mich leider befinde, sind meine persönlichen Sympathien gelegentlich nicht meitab davon. Aber ich fürchte doch, dass wir mit dieser unsrer Anschauung sehr in der Minorität bleiben.“

      ,,Werden wir. Aber Vernunft ist immer nur bei wenigen. Es wäre das beste, wenn ein einziger Ulter-Fritzen-Verstand die ganze Geschichte regulieren könnte. Freilich braucht ein solcher oberster Wille auch seine Werkzeuge. Die haben wir aber noch in unserm Adel, in unsrer Armee und speziell auch in Ihrem Regiment.“

      Während der Alte diesen Trumpf ausspielte, kam Engelke, um ein paar neue Tassen zu präsentieren.

      „Nein, nein, Engelke, wir sind schon weiter. Aber stell nur hin... In Ihrem Regiment, sag’ ich, Herr von Czako. Schon sein Name bedeutet ein Programm, und dieses Programm heisst: Russland. Heutzutage darf man freilich kaum noch davon reden. Aber das ist Unsinn. Ich sage Ihnen, Hauptmann, das waren Prenssens beste Tage, als da bei Potsdam herum die Russische Kirche‘ und das Rüssische Haus’ gebaut wurden und als es immer hin und her ging zwischen Berlin und Petersburg. Ihr Regiment, Gott sei Dank, unterhält noch was von den alten Beziehungen, und ich freue mich immer, wenn ich davon lese, vor allem, wenn ein russischer Kaiser kommt und ein Doppelposten vom Regiment Alexander vor seinem Palais steht. Und noch mehr freu’ ich mich, wenn das Regiment Deputationen schickt: Georgsfest, Namenstag des hohen Chefs, oder wenn sich’s auch bloss um Uniformabänderungen handelt, beispielsweise Klappkragen statt Stehkragen (diese verdammten Stehkragen) — und wie dann der Kaiser alle begrüsst und zur Tafel zieht und so bei sich denkt: ,Ja, ja, das sind brave Leute; da hab’ ich meinen Halt.ʻ “

      Czako nickte, war aber doch in sichtlicher Versetzenheit, weil er, trotz seiner vorher versicherten „Sympathien“, ein ganz moderner, politisch stark angekränkelter Mensch war, der, bei strammster Dienstlichkeit, zu all dergleichen Überspanntheiten ziemlich kritisch stand. Der alte Dubslav nahm indessen von alledem nichts wahr und fuhr fort: „Und sehen Sie, lieber Hauptmann, so hab’ ich’s persönlich in meinen jungen Jahren auch noch erlebt und vielleicht noch ein bisschen besser; denn, Pardon, jeder hält seine Zeit für die beste. Vielleicht sogar, dass Sie mir zustimmen, wenn ich Ihnen mein Sprüchel erst ganz hergesagt haben werde. Da haben wir ja nun ,jenseits, des Nemen’, wie manche Gebildete jetzt sagens, die ,drei Alexander’ gehabt, den ersten, den zweiten und den dritten, alle drei grosse Herren und alle drei richtige Kaiser und fromme Leute oder doch beinah fromm, die’s gut mit ihrem Volk und mit der Menschheit meinten, und dabei selber richtige Menschen; aber in dies Alexandertum, das so beinah das ganze Jahrhundert ausfüllt, da schiebt sich doch noch einer ein, ein Nicht-Alexander, und, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, der war doch der Häupter. Und das war. unser Nikolaus. Manche dummen Kerle haben Spottlieder auf ihn gemacht und vom schwarzen Niklas gesungen, wie man Kinder mit dem schwarzen Mann graulich macht, aber war das ein Mann! Und dieser selbige Nikolaus, nun, der hatte hier, ganz wie die drei Alexander, auch ein Regiment, und das waren die Nikolaus-Kürassiere, oder sag’ ich lieber: das sind die Nikolaus-Kürassiere, denn wir haben sie, Gott sei Dank, noch. Und sehen Sie, lieber Czako, das war mein Regiment, dabei hab’ ich gestanden, als ich noch ein junger Dachs war, und habe dann den Abschied genommen; viel zu früh; Dummheit, hätte lieber dabeibleiben sollen.“

      Ezako nickte. Dubslav nahm ein neues Glas von dem Goldwasser. „Unsere Nikolaus-Kürassiere, Gott erhalte sie, wie sie sind! Ich möchte sagen, in dem Regiment lebt noch die Heilige Alliance fort, die Waffenbrüderschaft von Anno dreizehn, und dies Anno dreizehn, das wir mit den Russen zusammen durchgemacht haben, immer nebeneinander im Biwak, in Glück und Unglück, das war doch unsre grösste Zeit. Grösser als die jetzt grosse. Grosse Zeit ist es immer nur, wenn’s beinah schiefgeht, wenn man jeden Augenblick fürchten muss: Jetzt ist alles vorbei.ʻ Da zeigt sich’s. Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das ist die Hauptsache. Nichts im Leibe, nichts auf dem Leibe, Hundekälte, Regen und Schnee, so dass man so in der nassen Patsche liegt, und höchstens ʼnen Kornus (Kognak, ja hast du was, den gab es damals kaum), und so die Nacht durch, da konnte man Jesum Christum erkennen lernen. Ich sage das, wenn ich auch nicht mit dabeigemesen. Anno dreizehn, bei Grossgörschen, das war für uns die richtige Waffenbrüderschaft jetzt haben wir die Waffenbrüderschaft der Orgeldreher und Mausefallenhändler. Ich bin für Russland, für Nikolaus und Alexander. Preobraschensk, Semenow, Kaluga — da hat СКАЧАТЬ