Die sehende Sintiza. Monika Littau
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Название: Die sehende Sintiza

Автор: Monika Littau

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783898018890

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СКАЧАТЬ deine Tiere ab und geh dann an deine neue Arbeit.«

      Buchela läuft eilig zu ihrem Platz. Sie holt ihre zwei Pferde und stellt sie auf den Tisch neben Schwester Benedicta.

      Als sie an der Tür ist, wendet sie sich noch einmal um und sieht die Schwester an. Gern möchte sie sich bedanken. Aber die Schwester kommt ihr zuvor. »Beeil dich«, fährt sie das Mädchen an.

      Buchela findet den Säugling in einem mit Tüchern zugehängten Bettchen. Er wimmert, sein wütendes Geschrei vom Vortag ist in eine matte Klage übergegangen. Das Mädchen beugt sich über den Rand des Bettes: »Sch, sch«, murmelt es. Auf dem Tisch am Fenster findet sie ein paar Baumwolltücher, die offensichtlich als Windeln gedacht sind. Was soll sie dem Kind zu trinken geben?

      Da öffnet Schwester Fidelis die Tür.

      »Hier hast du verdünnte Milch.« Sie drückt Buchela eine Flasche in die Hand. »Du wirst dir in Zukunft die Milch selbst aus der Küche holen. Man muss sie mit Wasser versetzen, sonst verträgt ein Säugling sie nicht. Sie darf nur mäßig warm sein. Du bist auch für das Reinigen der Flaschen zuständig. Die Windeln leerst du am Abort und spülst sie danach aus. Du sammelst sie in einem Eimer und dann kochst du sie alle paar Tage aus, hängst sie auf im Garten.« Beim Herausgehen wendet sie sich noch einmal um.

      »Lass die Tücher über dem Bett hängen. Das Kind weint, weil es zu viele Außenreize hat. Das muss aufhören. Dann ist es irgendwann still.«

      Kaum hat Schwester Fidelis den Raum verlassen, beugt sich Buchela über das Bettchen und nimmt den Säugling auf. Sie schaukelt ihn auf ihrem Arm, hält sein Köpfchen gestützt und spricht leise auf das Baby ein, als könne es sie verstehen. Sie setzt sich auf den Stuhl, legt das Kind in die Armbeuge und führt die Flasche an den Mund. Das Kind saugt. Ein gutes Zeichen.

      Es trinkt hastig, als hätte es schon lange nichts mehr bekommen. Dabei sieht es Buchela unentwegt mit seinen blauen Augen an. Der Blick hält Buchela fest.

      Das Sauggeräusch wird lauter, weil das Kind nun den Rest der Milch mit der Luft einsaugt. Ein schnorchelnder Ton, der sich verstärkt. Der Säugling legt seine Stirn in Falten und verzieht den Mund. Seine Beine sind angewinkelt wie bei einem Frosch. »Bist noch nicht satt.« Buchela hebt den Säugling hoch. Sie klopft dem Kind auf den Rücken und schaukelt es auf der Hüfte.

      Dann legt sie den Säugling auf den Tisch. Als sie die Windel löst, beginnt das Kind wieder zu schreien. Buchelas Blick fällt auf den verschorften Bauchnabel. Die Windel ist grün von dünnen Exkrementen. Ein süßlicher Geruch steigt ihr in die Nase. Rot entzündet die Haut. Das Kind schreit und zieht die Beine und Arme zusammen. »Mein Fröschchen. Mein Froschla.« Als sie das Kind an den Beinen anhebt, sieht sie weitere rote Stellen. Das Kind schreit. Dann übergibt es sich mit einem großen Schwall der gerade getrunkenen Milch. Sie säubert das Kind, wickelt es, trägt das wimmernde Wesen leise summend und wippend durch den Raum.

      »Du sollst Ursula nicht so viel auf dem Arm tragen!«

      Zu spät hat Buchela die schnellen Schritte auf dem Flur gehört. Sie beeilt sich, Froschla ins Bett zu legen und nimmt Schwester Fidelis das neue Bündel ab, das sie auf dem Arm trägt. »Ich hoffe, wir bekommen nicht noch mehr Schreihälse!«, sagt die Nonne, obwohl das Neue sich völlig still verhält. Schon an der Tür, dreht sie sich noch einmal um. »Das Kind heißt übrigens Hildegard. Merk dir das.«

      Buchela nickt. Sie betrachtet das Gesicht des Kindes. Es hat große Augen und sieht sie erstaunt an. Auf seinem Kopf kräuseln sich braune Locken. Die Glocke vom Kirchturm schlägt dreimal an. Noch zweimal erklingt die große Glocke der Kirche mit drei Schlägen. Buchela fasst das Kind unter die Achseln und hebt es vor sich in die Höhe. Es kann den Kopf schon gut halten. Der Körper hängt wie ein kleiner Sack herunter. Als nun das helle Angelusläuten einsetzt, beginnt sie das Kind beim Klang der Glocken hin und her zu bewegen. Der Säugling staunt Buchela an, dann verzieht sich sein Mund zu einem kleinen Lächeln. Da nennt Buchela das Kind Bimbam.

      9.

      Am nächsten Morgen schleicht sich Buchela schon um vier aus dem Schlafsaal, bereitet die Milch in der Küche, tritt im Säuglingszimmer zunächst an das Bett von Bimbam und hält die Petroleum-Lampe, die sie für ihre Arbeit bekommen hat, darüber. Sie betrachtet das Kind im schwachen Licht. Es schläft und lächelt unbewusst im Traum. Mit den Engeln, denkt Buchela. Sie reibt sich ihre eiskalten Hände, damit sie etwas warm werden. Trotzdem zuckt Bimbam bei der ersten Berührung zusammen.

      Als die Kinder getrunken haben und gewickelt sind, hört Buchela die Schritte der Mädchen, die zum Waschraum gehen. Trotzdem setzt sie sich noch eine Minute. Diese Sekunden gehören ihr. Gamli Daj3 sei Dank.

      In der Schule folgt Buchela mit Mühe dem Unterricht. Ihre größte Angst ist, dass sie einschlafen könnte. Als der Morgen überstanden ist, freut sie sich, zurück ins Waisenhaus zu kommen. Es wartet jemand auf sie nach dem Mittagessen.

      Aber zunächst muss die Brotsuppe gelöffelt werden. Es nutzt nichts, sich zu beeilen. Erst wenn alle Teller leer sind und das Nachtischgebet gesprochen, darf sie den Raum verlassen.

      Kaum hat sie jedoch begonnen, Bimbam zu füttern, poltert schon wieder Schwester Fidelis herein. »Du musst helfen, Waren auf den Markt zu schaffen. Leg das Kind ins Bett. Es kann später weiter gefüttert werden.«

      »Das geht nicht.«

      »Kein Widerwort. Komm!«

      »Sie haben Hunger!«

      »Sie verhungern schon nicht. Komm jetzt.« Buchela schüttelt den Kopf.

      »Es gibt hier genug Mädchen, die deine Arbeit übernehmen können.«

      Da legt Buchela eilig den Löffel beiseite, hebt das Kind von ihrem Schoß und ins Bett. Mörderisches Schreien. Buchela rennt hinter der Nonne her, die sich schnell entfernt.

      Im Arbeitsraum füllt das Mädchen ihre Kiepe mit Pantoffeln und Wachsfiguren und verlässt mit Schwester Fidelis das Haus. Sie biegen rechts ab, dann wieder links. Nach einigen Minuten ist schon der Lärm des Marktes zu hören.

      Wenig später können sie die Stände sehen. Lange hat Buchela nicht mehr so ein Treiben erlebt. Kartoffeln werden angeboten, Kohlköpfe stapeln sich auf Decken. Äpfel stehen in Körben auf dem Markt. Bäcker verkaufen ihr Brot. Garne und Nähnadeln werden angeboten, Stoffe, Spitzen, Hosenträger, Körbe und sogar getrocknete Strohblumen. Über den Ständen hängt das Geschrei der Verkäufer wie eine große Glocke, die an vielen Stellen gleichzeitig angeschlagen wird. Es gibt Käfige mit Küken, Hennen und Enten, am Rand verhandeln Männer lauthals über den Preis von Pferden.

      Der Stand der Borromäerinnen ist in der Außenreihe der Marktstände aufgebaut. Nur wenig Ware liegt auf der Tischfläche. Man hat gut verkauft. Buchela packt die Wollpantoffeln nach Farben sortiert in drei hohen Stapeln auf den Tisch. Davor baut sie mit den Wachsfiguren eine Landschaft aus Vieh.

      »Du kannst dann wieder zurück. Nimm die leere Kiepe und geh zügig«, sagt Schwester Fidelis.

      Buchela schultert den Korb und verschwindet im Gedränge, versichert sich mit einem Blick über die Schulter, dass Schwester Fidelis sie nicht mehr sehen kann und geht dann etwas langsamer an den Ständen vorbei. Sie saugt den frischen Brotgeruch ein, so dass ihr das Wasser im Munde zusammenläuft. Sie riecht die säuerlichen Äpfel, den frischen Most, der angeboten wird. Sie weicht vor ein paar Gänsen zurück, die sie aus einem Käfig anfauchen. Gans hat es immer zu Weihnachten gegeben. Das war ein Festessen. Ohne Gans war nicht Weihnachten. Einmal hat Tatta eine Geige für die Gans СКАЧАТЬ