Die sehende Sintiza. Monika Littau
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Читать онлайн книгу Die sehende Sintiza - Monika Littau страница 17

Название: Die sehende Sintiza

Автор: Monika Littau

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783898018890

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СКАЧАТЬ dreht sich um. »Wiedersehn«, grüßt sie über die Schulter.

      Mit einem leichten Korb ist Buchela aus der Buttergasse aufgebrochen. Spätnachmittags ist er schwer. Das machen die Kartoffeln und Rüben. Es wird schneller dunkel, als sie hofft. Dabei hat sie geplant, im Hellen zu Hause sein. Sie geht eilig.

      Über dem Rhein stehen feuchte Schwaden, die im Halblicht die Uferlinie der gegenüberliegenden Seite unsichtbar machen. So undurchdringlich wie die Nebel, die über dem Wasser hängen, kommt ihr die letzte Nacht vor.

      Über den Nebel schiebt sich das Bild der Erinnerung an einen Sommertag im Wald. Wie sie über Holzstämme springt und über den Bach. Wie sie an der Böschung ausrutscht und das gesammelte Holz auf den Boden fällt. Wie sie die Wiese erreicht, wo der Wagen steht. Wie sie »Mama!«, ruft. »Mama, wo ist Anton?«

      Dabei hat sie alles gewusst. Schon damals.

      Von nun an wechselt ein Tag, an dem Buchela auf dem Schwarzmarkt ihre Naturalien gegen Spitzen, Knöpfe, Kurzwaren aller Art, Tischdecken und Bettzeug eintauscht, mit einem Tag, an dem sie hausieren geht. Was an Lebensmitteln übrig bleibt, davon leben Mama und Buchela. Pepito erhält seine Miete in Form von Naturalien. Kartoffeln kann sie ihm bald nicht mehr liefern, die gibt es kaum mehr. Sie bringt Rüben und manchmal ein rheinisches Schrotbrot, das aus Maiskorn gebacken ist.

      All die vergangenen Jahre ist sie nicht so viel Zeit allein gewesen wie nun auf ihren Wegen durch die Stadt. Sie entdeckt neue Stadtteile: die Neustadt im Norden und auch im Süden. Manchmal läuft sie bis Marienburg oder sie macht sich nach Lindenthal auf.

      Sie läuft und läuft. Sie läuft wie benommen durch die Straßen. Sie vermeidet es, Menschen anzusehen und blickt stur auf den Weg. Manchmal will sie nur ihre Ruhe, wenn sie nach Hause kommt. Sie rettet sich ins Bett. Wenn sie Glück hat, lässt die Mutter sie in Frieden. »Komisch bist du geworden«, murmelt die manchmal.

      Die Mutter dagegen verkriecht sich in ihren Erinnerungen.

      »Weißt du noch, Buchela? Weißt du noch, wie schön es war, wenn wir in Honzrath standen? Die schönen Buchen und der Bach an dem Platz und wie Tatta gespielt hat. Nie nicht werden wir so was Schönes wieder erleben.«

      »Mama«, sagt Buchela ärgerlich. »Wer sich nichts Schönes mehr vorstellen kann, der kriegt es auch nicht. Also hör schon auf. Irgendwann ist der Krieg zu Ende. Und lass mich in Ruhe.«

      »Aber was ist mit Tatta?«

      »Ich weiß nicht«, antwortet Buchela.

      »Aber du musst es wissen!«

      »Nein, Mama. Ich weiß nichts. Bestimmt. Und jetzt will ich schlafen.« Sie dreht sich zur Wand, so dass die Mutter nur noch die Umrisse ihres Rückens sieht. Im nächsten Moment tut es ihr leid, dass sie so barsch mit der Mutter umgeht.

      19.

      Es wird Februar. Buchela sieht in einigen Gärten an geschützten Stellen Schneeglöckchen blühen und die Tulpen strecken ihre Spitzen bereits aus der Erde. Das einzige, was sie heute nach Hause trägt, sind Salz und Steckrüben. Dafür ist sie den ganzen Tag gelaufen. Müde und hungrig biegt sie in die Buttergasse ein.

      In der Wohnung kommt ihr die Mutter entgegengelaufen. »Dass du endlich da bist!« Sie zieht Buchela in die Küche und weist auf den Tisch, auf dem ein gefaltetes Blatt Papier liegt, daneben ein Briefumschlag. Er ist ungleichmäßig eingerissen, als hätte ihn jemand eilig mit dem Finger geöffnet. Wozu, fragt sich Buchela. Außer ihr kann sowieso niemand hier lesen.

      Die Mutter fasst sie an der Schulter: »Lies vor, was drin steht!« Buchela greift aber zunächst nach dem Umschlag. Die Adresse ist mehrfach durchgestrichen. Der Brief muss schon länger unterwegs gewesen sein. Frau J. Meerstein, Buttergasse, Köln, ist schließlich an den unteren Rand gekritzelt worden.

      Sie nimmt den Briefbogen zur Hand und entfaltet ihn.

      Sehr geehrte Frau Meerstein, liest sie.

       wie Ihnen bereits mitgeteilt wurde, ist ihr Mann, Adam Meerstein, Infanterist des 386. Landwehr-Infanterieregiments der 20. Landwehr-Division am 20. November 1917 in schweren Kämpfen bei Cambrai den Heldentod gestorben. In meinem und im Namen des Regiments spreche ich Ihnen mein herzliches Beileid aus. Wir bedauern in ihm einen tüchtigen Kameraden verloren zu haben. Wir haben ihn in einem Sarg auf dem Kirchhof zu Rumilly begraben.

       In aufrichtiger Anteilnahme

      Darunter ein Name, den Buchela nicht entziffern kann.

      »Mama, hast du schon einen Brief bekommen?«

      »Nie nicht hatte ich einen Brief«, sagt die Mutter.

      »Aber da muss schon ein anderer Brief gewesen sein.«

      Buchela versucht das Vorlesen des Schreibens hinauszuzögern. Die Mutter schüttelt energisch den Kopf. »Nie nicht hatte ich Post und jetzt lies endlich!«

      Zögernd liest Buchela Satz für Satz vor. Sie beobachtet, wie die Mutter auf den Stuhl sinkt. Die Oberlippe beginnt zu zittern. Sie vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Sie heult, dass es ihren Oberkörper schüttelt. »Debleskri Daj! Warum?«

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