Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Aber als eine Frau, die an alles denkt, hielt sie ihn zurück.
»Nein, schicke die Depesche erst gegen zehn oder elf Uhr ab, damit wir Zeit haben, uns umzusehen, ehe sie ankommt. Von Charenton bis hierher braucht sie höchstens zwei Stunden. Wir werden ihr sagen, Du hättest vollständig den Kopf verloren gehabt. Wenn wir sie so zeitig benachrichtigen, werden wir nicht mit allem fertig werden.«
Aber Caravan schlug sich vor die Stirne und mit dem furchtsamen Tone, in den er stets verfiel, wenn er von seinem Chef sprach, bei dessen Namensnennung er schon zitterte, sagte er:
»Man muss auch im Ministerium Nachricht geben.«
»Warum Nachricht geben!« antwortete sie. »Bei solchen Gelegenheiten ist man stets entschuldigt, wenn man etwas vergisst. Gib lieber keine Nachricht, glaube mir. Dein Chef kann gar nichts sagen und Du wirst ihn in eine grausame Verlegenheit bringen.«
»Ach ja!« sagte er, »was das anbetrifft, entschieden, und in einen riesigen Zorn dazu, wenn er sieht, dass ich nicht komme. Ja! Du hast recht, das ist eine herrliche Idee. Er muss sich beruhigen und schweigen, wenn ich ihm später den Tod der Mutter anzeigen werde.«
Und ganz entzückt von dem Scherz rieb sich der Beamte die Hände, wenn er an den Zorn seines Chefs dachte, während oben über ihm, neben dem Leichnam seiner Mutter, das eingeschlafene Dienstmädchen heftig schnarchte.
Madame Caravan wurde wieder nachdenklich, als sei sie mit etwas beschäftigt, was sich nicht gut sagen lässt.
»Deine Mutter«, entschloss sie sich endlich, »hat Dir doch ganz sicher ihre Uhr vermacht, nicht wahr, das junge Mädchen mit dem Ballspiel?«
»Ja, ja«, sagte er nach einigem Nachdenken, »sie hat es mir gesagt, aber es ist schon so lange her, damals als sie zu uns kam; ja sie sagte: ›Die Pendule da wird für Dich sein, wenn Du gut für mich sorgst.‹
Das beruhigte Madame Caravan und sie wurde wieder etwas heiterer.
»Dann müssen wir sie aber herunterholen, weißt Du, weil, wenn wir Deine Schwester kommen lassen, sie uns daran hindern wird.«
»Glaubst Du?« … sagte er zögernd.
»Gewiss«, sagte sie heftig, »glaube ich das; einmal hier, ist alles zu spät. Das ist gerade wie mit der Kommode in ihrem Zimmer, die die Marmorplatte hat; sie hat sie mir gegeben, mir, als sie einmal sehr gut gelaunt war. Wir wollen sie auch gleich mit herunterholen.«
Caravan machte ein etwas ungläubiges Gesicht.
»Aber, meine Liebe!« sagte er, »das ist doch eine große Verantwortung!«
»Ach wirklich!« wandte sie sich heftig zu ihm, »Du wirst stets derselbe bleiben. Deine Kinder könnten vor Hunger sterben, ehe Du Dich rühren würdest. Von dem Augenblick an, wo sie mir die Kommode gegeben hat, ist diese unser Eigentum; oder nicht? Und wenn Deiner Schwester das nicht passt, so mag sie’s nur sagen, mir nämlich, verstehst Du? Ich mache mir den Kuckuck aus Deiner Schwester. Vorwärts, steh auf! Wir wollen das, was Deine Mutter uns gegeben hat, gleich herunter holen.«
Zitternd und ohne weiteren Widerspruch verliess Caravan das Bett; als er aber seine Beinkleider anziehen wollte, hinderte sie ihn daran:
»Warum Dich lange anziehen? Du hast ja die Unterhosen an, das genügt. Ich gehe auch, wie ich bin.«
Und alle beide gingen im Nachtkostüm heraus, stiegen geräuschlos die Treppe hinauf, öffneten vorsichtig die Türe und traten in das Zimmer, wo die vier Kerzen und der Palmwedel im Weihwasser allein bei der starren Toten Wache zu halten schienen. Denn Rosalie lag in ihrem Sessel, die Beine von sich gestreckt, die Hände gefaltet, den Kopf zur Seite hängend, und schnarchte aus Leibeskräften mit offenstehendem Munde.
Caravan nahm die Uhr. Es war dies einer jener grotesken Kunstwerke, wie man sie zurzeit des ersten Kaisers so vielfach darstellte: Ein junges Mädchen in Goldbronze, das Haupt mit allerlei Blumen geschmückt, trug in der Hand einen Kugelfänger, während die Schnur mit der Kugel daran als Perpendikel diente.
»Gib mir das«, sagte ihm seine Frau, »und nimm Du die Marmorplatte von der Kommode.«
Er gehorchte keuchend, denn es kostete ihm keine kleine Mühe, die schwere Platte auf die Schultern zu heben.
Dann gingen beide fort. Caravan schritt gebückt durch die Tür und stieg zitternd die Treppe hinunter; seine Frau blieb hin und wieder stehen und leuchtete ihm mit dem Licht in der einen Hand, während sie die Uhr unter dem linken Arme trug.
Als sie wieder in ihren Räumen waren, sagte sie mit einem tiefen Seufzer:
»So, das Schwerste wäre getan; nun wollen wir das Übrige holen.«
Aber die Schubladen des Möbels waren bis oben an mit den Sachen der alten Frau vollgepfropft. Man musste diese erst irgendwo unterbringen. Madame Caravan kam ein Gedanke.
»Geh, hole doch den Holzkasten, der im Flur unten steht; er ist keine vierzig Sous wert und man kann ihn ganz gut hierher stellen.«
Und als der Kasten oben war, begannen sie umzuräumen.
Sie holten nach einander die Manchetten, die Krägelchen, die Mützen und alle die verschiedenen Kleinigkeiten der alten Frau aus den Behältnissen, legten sie hinter sich und ordneten sie später sorgfältig in dem Holzkasten, um dadurch Madame Braux, das andere Kind der Verstorbenen, zu täuschen, wenn sie am nächsten Tage kommen würde.
Hiermit fertig, trugen sie zuerst die Schubladen heraus, dann das Möbelstück selbst, indem jedes an einem Ende anfasste; und nun suchten beide längere Zeit, wo es sich am Besten hinstellen ließ. Endlich entschied man sich für das Schlafzimmer, wo es dem Bett gegenüber zwischen den beiden Fenstern zu stehen kam.
Nachdem die Kommode einmal an ihrem Platze war, tat Madame Caravan ihre eigene Wäsche hinein. Die Uhr wurde auf dem Kamin im Speisezimmer aufgestellt, und das Ehepaar betrachtete sich nun, welchen Eindruck sie machte.
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