Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 178

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

isbn:

СКАЧАТЬ ei­nem je­ner Orte zu ver­brin­gen, die er im ge­hei­men zu be­su­chen pfleg­te, wur­de über die­sen hef­ti­gen Trau­er­an­fall sehr un­ge­dul­dig. Er re­de­te ihm zu, sich et­was am Ufer ins Gras zu set­zen und ver­liess ihn nach ei­ner Wei­le un­ter dem Vor­wan­de ei­nes drin­gen­den Kran­ken­be­su­ches.

      Ca­ra­van sass hier lan­ge und wein­te sich aus. End­lich, nach­dem sei­ne Trä­nen ver­siecht wa­ren und all sein Leid an sei­nem geis­ti­gen Auge so­zu­sa­gen vor­über­ge­zo­gen war, fand er wie­der et­was Trost, eine Art Ruhe, wie einen plötz­li­chen Still­stand sei­ner Ge­füh­le.

      Der Mond war auf­ge­gan­gen und sein mil­des Licht er­leuch­te­te den Ho­ri­zont. Sil­ber­ne Re­fle­xe bra­chen sich an den säu­seln­den Blät­tern der Pap­peln, und das fer­ne Geräusch auf der Ebe­ne klang nur noch wie das Fal­len des Schnees; der Fluss trug kei­ne Ster­ne mehr, da­für glänz­te er aber wie eine Perl­mut­ter­scha­le, auf der ein­zel­ne gold­glän­zen­de Fur­chen ge­zo­gen schie­nen. Die Luft war mil­de und noch im­mer spür­te man den wür­zi­gen Blü­ten­duft. Es lag et­was Weich­li­ches in die­sem Schlum­mer der Erde, aber es pass­te zu Ca­ra­van’s Stim­mung, und mit Be­ha­gen ge­noss er die lieb­li­che Ruhe der Nacht. Er at­me­te lang­sam und glaub­te zu füh­len, dass sei­nen gan­zen Kör­per eine an­ge­neh­me Fri­sche, eine sanf­te Ruhe und sei­ne See­le ein über­ir­di­scher Trost durch­drin­ge. Er kämpf­te ab­sicht­lich ge­gen die­ses be­hag­li­che Ge­fühl, in­dem er im­mer »mei­ne Mut­ter, mei­ne arme Mut­ter!« wie­der­hol­te, und sich in ei­ner Re­gung na­tür­li­chen An­stands­ge­füh­les zum Wei­nen zu zwin­gen such­te; aber er konn­te nicht mehr wei­nen, er konn­te selbst sei­nen Ge­dan­ken nicht mehr jene trau­ri­ge Rich­tung ge­ben, die ihn vor­hin hat­te so hef­tig schluch­zen las­sen.

      End­lich er­hob er sich, um nach Hau­se zu ge­hen; er mach­te kur­ze Schrit­te, wie wenn er sich von der Hei­ter­keit der ihn um­ge­ben­den Na­tur nicht tren­nen könn­te, und sein Herz blieb wi­der Wil­len fried­lich be­wegt.

      Als er an die Brücke kam, be­merk­te er das Licht der letz­ten schon zur Ab­fahrt be­rei­ten Tram­way und wei­ter hin­ten die er­leuch­te­ten Fens­ter des Café du Glo­be.

      Da über­kam ihn das Be­dürf­nis, ir­gend­je­man­den sein Un­glück zu er­zäh­len, sein Mit­leid zu er­we­cken, sich ge­wis­ser­mas­sen in­ter­essant zu ma­chen. Er ver­fiel wie­der in sei­ne trau­ri­ge Hal­tung, öff­ne­te die Türe und ging auf das Buf­fet zu, wo der Chef all­zeit thron­te. Er hat­te auf einen ef­fekt­vol­len Au­gen­blick ge­rech­net, wie alle Welt auf ihn zu­kom­men, ihm die Hand rei­chen und ihn fra­gen wür­de: »Nun, was ha­ben Sie?« Aber nie­mand be­merk­te sein ver­stör­tes We­sen. Er stütz­te sich mit dem Elln­bo­gen auf das Buf­fet, be­grub das Ge­sicht in den Hän­den und mur­mel­te: »Mein Gott, mein Gott!«

      Der Chef sah ihn an.

      »Sie sind krank, Herr Ca­ra­van?«

      »Nein, mein ar­mer Freund!« ant­wor­te­te er, »aber mei­ne Mut­ter ist heu­te ge­stor­ben.«

      Der an­de­re mach­te ein zer­streu­tes »Ach!« und als ein Gast aus dem Hin­ter­grun­de des Zim­mers »Bit­te, ein Glas Bier« rief, ant­wor­te­te er so­fort über­laut: »Hier, so­gleich! … es kommt schon« und stürz­te fort, den ver­wun­der­ten Ca­ra­van al­lein ste­hen las­send.

      An dem­sel­ben Ti­sche, wo er sie vor dem Es­sen ge­se­hen hat­te, sas­sen noch die drei Do­mi­no­lieb­ha­ber bei ih­rem Spie­le. Ca­ra­van nä­her­te sich ih­nen mit ei­ner Mie­ne zum Er­bar­men. Als ihn kei­ner zu be­mer­ken schi­en, ent­schloss er sich, zu­erst zu spre­chen.

      »Mir ist so­eben ein großes Leid ge­sche­hen«, sag­te er.

      Sie ho­ben alle drei gleich­zei­tig den Kopf ein we­nig, aber ihre Au­gen blie­ben auf die Stei­ne ge­hef­tet, die sie in den Hän­den hat­ten. »Nun, was denn?« -- »Mei­ne Mut­ter ist ge­stor­ben«. -- »Ach Teu­fel!« mur­mel­te ei­ner von ih­nen mit je­nem halb­be­trüb­ten Ge­sicht, wie es die Gleich­gül­ti­gen zu ma­chen pfle­gen. Ein zwei­ter, der nichts Rech­tes zu sa­gen wuss­te, ließ eine Art mit­lei­di­gen Seuf­zer hö­ren, in­dem er die Stirn in Fal­ten zog, wäh­rend der drit­te sich dem Spie­le wie­der zu­wand­te, als däch­te er: »Das ist auch wei­ter nichts.«

      Ca­ra­van hat­te ein oder andres je­ner Wor­te er­war­tet, die »von Her­zen« zu kom­men pfle­gen; als er sich aber so emp­fan­gen sah, ging er wie­der fort. Ihre Gleich­gül­tig­keit bei dem Kum­mer ei­nes Freun­des em­pör­te ihn, wenn­gleich er selbst für den Au­gen­blick ja kei­nen so tie­fen Schmerz emp­fand.

      Er trat wie­der auf die Stras­se hin­aus.

      Sei­ne Frau er­war­te­te ihn schon im Schlaf­ge­wan­de; sie sass auf ei­nem klei­nen Ses­sel nahe des of­fe­nen Fens­ters und dach­te im­mer­fort an die Erb­schaft.

      »Zieh Dich aus«, sag­te sie, »wir kön­nen im Bett noch plau­dern.«

      Er schau­te auf, und mit dem Auge nach der Zim­mer­de­cke wei­send, sag­te er:

      »Aber … da oben … es ist nie­mand da.«

      »Ver­zeih, Ro­sa­lie ist bei ihr, Du kannst sie um drei Uhr mor­gens ab­lö­sen, wenn Du erst mal ein Weil­chen ge­schla­fen hast.«

      Er zog sich trotz­dem nur teil­wei­se aus, um für alle Fäl­le be­reit zu sein, knüpf­te sich ein Hals­tuch um, und be­gab sich dann zu sei­ner Frau, wel­che schon zu Bett ge­gan­gen war.

      Eine Zeit lang sas­sen sie auf­recht ne­ben­ein­an­der. Sie dach­te für sich hin.

      Ihre Fri­sur war auch zu die­ser Zeit durch ein Ro­sa­band zu­sam­men­ge­rafft und die­ses Band hing gleich­falls auf dem einen Ohr her­un­ter, als müs­se das nun ein­mal so bei al­len Bän­dern sein, die sie trug.

      »Weißt Du, ob Dei­ne Mut­ter ein Te­sta­ment ge­macht hat?« frag­te sie plötz­lich, sich zu ihm um­wen­dend.

      »Ich … ich … weiß nicht … ich glau­be nicht …« sag­te er zö­gernd. »Nein, sie hat ohne Zwei­fel keins ge­macht.«

      Ma­da­me Ca­ra­van sah ih­rem Mann voll ins Ge­sicht.

      »Das ist schmach­voll, weißt Du!« sag­te sie mit tiefer zor­ni­ger Stim­me. »Denn, sieh mal, seit zehn Jah­ren pla­gen wir uns da­mit, sie zu pfle­gen, sie bei uns woh­nen zu las­sen und sie zu er­näh­ren. Dei­ne Schwes­ter hät­te nicht so viel für sie ge­tan und ich wahr­haf­tig auch nicht, wenn ich ge­wusst hät­te, wie sie uns das loh­nen wür­de! Das wirft einen trü­ben Schat­ten auf ihr An­den­ken. Du könn­test mir frei­lich ein­wen­den, dass sie uns ihre Pen­si­on be­zahl­te; aber die Pfle­ge sei­ner Kin­der kann man doch nicht mit Geld be­zah­len, man kann sie nur nach sei­nem Tode durch ein Te­sta­ment ver­gel­ten. So wer­den es alle an­stän­di­gen Leu­te hal­ten. Das habe ich nun von al­len Mü­hen und Sche­re­rei­en ge­habt. Wahr­haf­tig, СКАЧАТЬ