Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ Be­fä­hi­gun­gen einen ganz neu­en und ho­hen Be­griff bei­brach­te, hat­te in sei­nem We­sen eine voll­stän­di­ge Um­wäl­zung her­vor­ge­ru­fen. Von nun an ver­bann­te er sei­ne far­bi­gen Ho­sen und Fan­ta­sie-Wes­ten; er trug nur noch schwar­ze Bein­klei­der und lan­ge Über­rö­cke, auf de­nen sein sehr brei­tes Band sich bes­ser aus­nahm. Je­den Mor­gen war er glatt ra­siert, sei­ne Nä­gel pfleg­te er mit Sorg­falt, und alle zwei Tage wech­sel­te er die Wä­sche in ei­nem ganz rich­ti­gen Ge­fühl der Hochach­tung und Ehr­furcht vor dem na­tio­na­len Or­den, den er trug. So war er über Nacht ein an­de­rer, ein selbst­be­wus­s­ter, zu­ge­knöpf­ter und her­ab­las­sen­der Ca­ra­van ge­wor­den.

      Zu Hau­se sprach er bei je­der Ge­le­gen­heit von »sei­nem Kreu­ze.« Er war dar­in so ei­fer­süch­tig, dass er nicht ein­mal im Knopf­loch ei­nes an­de­ren ir­gend ein bun­tes Band se­hen konn­te. Vor al­lem er­ei­fer­te er sich beim An­blick frem­der Or­den, »die man in Frank­reich gar nicht zu tra­gen er­lau­ben soll­te.« Er be­ton­te dies be­son­ders mit Be­zug auf den »Dok­tor« Che­net, den er je­den Abend auf der Tram­way mit ir­gend ei­ner weiß-blau­en, oran­ge­far­be­nen oder grü­nen De­ko­ra­ti­on im Knopf­loch an­traf.

      Die Un­ter­hal­tung die­ser bei­den vom Arc de Triom­phe bis Neuil­ly war üb­ri­gens täg­lich die glei­che; und auch heu­te be­schäf­tig­ten sie sich, wie im­mer, mit lo­ka­len Übel­stän­den, über die sie sich bei­de är­ger­ten, wäh­rend der Maire von Neuil­ly sie viel zu leicht neh­me. Dann brach­te Ca­ra­van, wie das in Ge­gen­wart ei­nes Arz­tes ja stets ge­schieht, das Ge­spräch auf das Ka­pi­tel der Krank­hei­ten, in­dem er hoff­te, auf die­se Wei­se ei­ni­ge ärzt­li­che Ratschlä­ge gra­tis zu er­hal­ten. Sei­ne Mut­ter mach­te ihm üb­ri­gens seit ei­ni­gen Ta­gen wirk­lich Sor­gen. Sie hat­te öf­ters län­ge­re Ohn­machts­an­fäl­le und woll­te sich da­bei trotz ih­rer neun­zig Jah­re noch kei­ne Scho­nung auf­er­le­gen.

      Ihr ho­hes Al­ter mach­te Ca­ra­van im­mer ganz weich­mü­tig, und un­auf­hör­lich frag­te er den »Dok­tor« Che­net: »Ha­ben Sie das schon oft er­rei­chen se­hen?« Und da­bei rieb er sich im­mer ganz glück­lich die Hän­de, nicht so sehr weil er glaub­te, dass das Le­ben sei­ner Mut­ter auf Er­den ewig dau­ern wür­de, son­dern weil die lan­ge Dau­er des müt­ter­li­chen Le­bens ihm selbst ein ho­hes Al­ter zu ver­spre­chen schi­en.

      »Ja!« fuhr er fort, »in mei­ner Fa­mi­lie lebt man sehr lan­ge; ich bin si­cher, dass ich gleich­falls sehr alt wer­de, wenn nichts Be­son­de­res ein­tritt.«

      Der ehe­ma­li­ge Kran­ken­pfle­ger warf einen mit­lei­di­gen Blick auf ihn. Er be­trach­te­te einen Au­gen­blick das röt­li­che Ge­sicht sei­nes Nach­barn, sei­nen flei­schi­gen Hals, sei­nen auf­ge­trie­be­nen Leib, der sich zwi­schen zwei schwam­mi­gen fet­ten Schen­keln ver­lor, die gan­ze apo­plek­ti­sche Er­schei­nung des ver­weich­lich­ten al­ten Be­am­ten; und in­dem er mit ei­nem Hän­de­druck sich den grau­en Stroh­hut zu­recht­rück­te, ant­wor­te­te er halb ernst, halb la­chend:

      »Nicht so si­cher als Sie den­ken; Ihre Mut­ter ist die per­so­ni­fi­zier­te Ma­ger­keit und Sie sind die rei­ne Pou­lar­de.«

      Ca­ra­van wur­de ver­le­gen und schwieg.

      In­zwi­schen hat­te die Tram­way ih­ren Hal­te­punkt er­reicht und die bei­den Her­ren stie­gen aus. Herr Che­net schlug vor, einen Wer­mut im Café du Glo­be zu trin­ken, wo sie bei­de ih­ren Stamm­tisch hat­ten. Der Chef, ein al­ter Freund von ih­nen, reich­te ih­nen zwei Fin­ger, die sie über Fla­schen und Glä­sern hin­weg schüt­tel­ten; dann be­ga­ben sie sich an einen Tisch, wo drei Lieb­ha­ber des Do­mi­nos schon seit Mit­tag beim Spiel­chen sas­sen. Freund­schaft­li­che Re­dens­ar­ten, dar­un­ter das un­ver­meid­li­che »Was gib­t’s Neu­es« wur­den aus­ge­tauscht. Hier­auf setz­ten sich die Spie­ler wie­der zu ih­rer Par­tie und sie wünsch­ten den­sel­ben einen gu­ten Abend. Jene reich­ten ih­nen die Hän­de, ohne von ih­ren Stei­nen auf­zu­se­hen, und die bei­den Her­ren gin­gen zum Es­sen nach Hau­se.

      Ca­ra­van be­wohn­te nahe beim Ron­del von Cour­be­voie ein klei­nes zwei­stö­cki­ges Haus, des­sen Erd­ge­schoss ein Fri­seur in­ne­hat­te.

      Zwei Zim­mer, ein Spei­se­zim­mer und eine Kü­che, in de­nen Roll­ses­sel je nach Be­darf hin- und her­ge­scho­ben wur­den, bil­de­ten die bei­den ein­zi­gen Räu­me, in de­nen Ma­da­me Ca­ra­van ihre Ar­beits­zeit zu­brach­te, wäh­rend ihre zwölf­jäh­ri­ge Toch­ter Ma­ria-Loui­se und der neun­jäh­ri­ge Sohn Phil­ipp-Au­gust sich mit der gan­zen Stras­sen­ju­gend des Vier­tels in der Gos­se her­um­balg­ten.

      Über sich hat­te Ca­ra­van sei­ne Mut­ter ein­lo­giert, de­ren Geiz in der gan­zen Um­ge­gend be­rühmt war und von de­ren Ma­ger­keit man sich sag­te, dass der Herr­gott bei ihr sei­ne ei­ge­nen Spar­sam­keits-Grund­sät­ze an­ge­wandt habe. Stets schlech­ter Lau­ne ließ sie kei­nen Tag ohne ihre be­son­de­ren Kla­gen und Hef­tig­keits-Aus­brü­che ver­ge­hen. Sie zank­te sich vom Fens­ter aus mit den Nach­ba­rin­nen vor der Türe, mit den Krä­mer­frau­en, den Gas­sen­keh­rern und den Stras­sen­jun­gen, die sie aus Ra­che beim Aus­ge­hen von Wei­tem mit dem Rufe »Seht die Bett­näs­se­rin« ver­folg­ten.

      Ein klei­nes un­glaub­lich dum­mes Dienst­mäd­chen aus der Nor­man­die be­sorg­te den Haus­halt und schlief des Nachts im zwei­ten Stock bei der Al­ten, für den Fall, dass die­ser et­was zu­stos­sen soll­te.

      Als Ca­ra­van nach Hau­se kam, fand er sei­ne Frau da­mit be­schäf­tigt, mit­tels ei­nes Fla­nell­lap­pens die ver­ein­zelt im Zim­mer ste­hen­den Ma­hago­ni­stüh­le wie­der auf­zu­po­lie­ren; sie litt näm­lich an chro­ni­scher Putz­sucht. Ihre Hän­de wa­ren stets von Zwirn­hand­schu­hen be­deckt, ihr Haupt war mit ei­ner Müt­ze ge­schmückt, von wel­cher bun­te Bän­der her­ab­flat­ter­ten und die stets schief auf ei­nem Ohre sass. Je­des Mal wenn sie boh­nend, bürs­tend, fir­nis­send oder sei­fend an­ge­trof­fen wur­de, pfleg­te sie zu sa­gen: »Ich bin nicht reich, bei mir ist al­les ein­fach; aber die Rein­lich­keit ist mein Lu­xus und dar­in bin ich man­cher and­ren über.«

      Mit prak­ti­schem Ver­stan­de be­gabt, be­herrsch­te sie ih­ren Mann in al­lem. Je­den Abend bei Tisch und spä­ter noch im Bett spra­chen sie lan­ge noch von Büro-An­ge­le­gen­hei­ten, und ob­schon sie zwan­zig Jahr jün­ger war wie er, so ver­trau­te er sich ihr wie ei­nem Beicht­va­ter an und folg­te in al­lem ih­ren Ratschlä­gen.

      Sie war nie­mals hübsch ge­we­sen; jetzt war sie so­gar häss­lich, von klei­ner schmäch­ti­ger Fi­gur. Ihre un­schein­ba­re Klei­dung ließ bei ihr jene äus­se­ren weib­li­chen For­men völ­lig ver­schwin­den, wel­che ein gut sit­zen­der An­zug künst­lich her­vor­he­ben kann. Ihre Klei­der­rö­cke wa­ren stets an ir­gend ei­ner Stel­le in die Höhe ge­schla­gen und sie pfleg­te sich häu­fig, ganz gleich­gül­tig wo, zu krat­zen, ohne jede Rück­sicht auf et­wai­ge An­we­sen­de und mit ei­ner In­ten­si­vi­tät, die ge­ra­de­zu et­was krank­haf­tes hat­te. Der ein­zi­ge Schmuck, den sie sich leis­te­te, war je­ner СКАЧАТЬ