Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ auch! wie das die Mann­schaf­ten be­le­ben wür­de, wenn sie ne­ben dem Oberst eine Ma­don­na wie die­se, eine wirk­li­che le­ben­de Ma­don­na se­hen wür­den.«

      Er schwieg ei­ni­ge Mi­nu­ten, dann sag­te er, noch ein­mal mit ei­ner Mie­ne der volls­ten Über­zeu­gung den Kopf er­he­bend:

      »Es bleibt da­bei, wir lie­ben die Frau­en: Un­ser zwei­tes Frank­reich.«

      *

      Schon oft hat­te mein al­ter Freund (man hat zu­wei­len Freun­de, die viel äl­ter sind wie wir) der Dok­tor Bon­net, mich ein­ge­la­den, ei­ni­ge Zeit bei ihm in Riom zu­zu­brin­gen. Da ich die Au­ver­gne noch nicht kann­te, so ent­schloss ich mich end­lich, im Som­mer 1876 zu ihm zu ge­hen.

      Als ich ei­nes Mor­gens mit dem Früh­zu­ge dort ein­traf, war die ers­te Ge­stalt, wel­che ich auf dem Per­ron be­merk­te, die des Dok­tors. Er trug einen grau­en An­zug und einen run­den schwar­zen Hut aus wei­chem Filz mit brei­tem Ran­de, des­sen ho­her Bo­den sich nach oben zu wie ein Ofen­rohr ver­eng­te; ein ech­ter Au­ver­gna­ten-Hut, der für einen Köh­ler ge­macht schi­en. So be­klei­det ließ der Dok­tor mit sei­nem schmäch­ti­gen Kör­per un­ter der hel­len Ge­wan­dung, auf dem sein di­cker Blond­kopf thron­te, auf den ers­ten Blick den al­ten Jung­ge­sel­len er­ken­nen.

      Er um­arm­te mich mit je­ner auf­fal­len­den un­ge­stü­men Freu­de, mit wel­cher die Pro­vinz­ler die An­kunft lan­ger­sehn­ter Freun­de zu be­grüs­sen pfle­gen und rief voll Stolz, in­dem er mit weit­aus­ge­streck­ter Hand rings­um deu­te­te: »Schau, das ist die Au­ver­gne.« Ich sah wei­ter nichts Be­son­de­res, als eine Rei­he von Ber­gen vor mir, de­ren ab­ge­stumpf­te Ke­gel auf ehe­ma­li­ge Vul­ka­ne schlies­sen lies­sen.

      Dann wies er mit dem Fin­ger auf den Na­men der Sta­ti­on, der am Bahn­ho­fe an­ge­bracht war, und sag­te fei­er­lich:

      »Riom, die Hei­mat der Be­am­ten, der Stolz des Be­am­ten­tums, wel­ches in kür­zes­ter Zeit mehr noch die Hei­mat der Ärz­te sein dürf­te.«

      »Wie­so?« frag­te ich.

      »Wie­so?« ant­wor­te­te er la­chend. »Dre­hen Sie den Na­men um, dann ha­ben Sie mori, mo­ri­tu­ri … Se­hen Sie, lie­ber Freund, wes­halb ich mich hier nie­der­ge­las­sen habe.«

      Und sich ent­zückt über die­sen Scherz die Hän­de rei­bend, zog er mich mit sich fort.

      So­bald ich eine Tas­se heis­sen Kaf­fee ge­trun­ken hat­te, ging es an die Be­sich­ti­gung der al­ten Stadt. Ich be­wun­der­te das Haus des Arz­tes und die üb­ri­gen se­hens­wer­ten Häu­ser; sie wa­ren alle schwarz, sa­hen aber im Üb­ri­gen mit ih­ren Faça­den aus ge­haue­nem Stein ganz hübsch aus, wie klei­ne Nip­pessa­chen. Ich be­wun­der­te wei­ter die Sta­tue der heil. Jung­frau, der Schutz­pa­tro­nin der Flei­scher, und er­fuhr hier­bei die Ge­schich­te ei­nes nied­li­chen Aben­teu­ers, wel­che ich viel­leicht spä­ter ’mal er­zäh­len wer­de. Dann sag­te mir Dok­tor Bon­net:

      »Jetzt bit­te ich mich für fünf Mi­nu­ten zu ei­nem Kran­ken­be­su­che zu ent­schul­di­gen; dann wer­de ich Sie auf den Hü­gel Cha­tel-Guy­on füh­ren und Ih­nen noch vor dem Früh­stück den Ge­samt-An­blick der Stadt und der gan­zen Puy-de-Dome-Ket­te zei­gen. Sie kön­nen mich auf dem Trot­toir er­war­ten, ich gehe nur her­auf und her­un­ter.«

      Er ver­liess mich, als wir uns ei­nem je­ner al­ten, fins­te­ren, stum­men und trau­ri­gen Häu­ser ge­gen­über be­fan­den, wie man sie noch öf­ters in den klei­nen Pro­vinz­städ­ten fin­det. Die­ses hier schi­en mir üb­ri­gens noch ein ganz be­son­ders fins­te­res Aus­se­hen zu ha­ben, und die Ur­sa­che hier­von hat­te ich bald ent­deckt. Alle großen Fens­ter der ers­ten Eta­ge wa­ren zur Hälf­te mit mas­si­ven höl­zer­nen La­den ge­schlos­sen. Nur die obe­re Hälf­te war zu öff­nen, als woll­te man alle Leu­te, die sich in die­sem großen stei­ner­nen Sar­ge be­fan­den, hin­dern, auf die Stras­se zu se­hen.

      Als der Dok­tor wie­der er­schi­en, teil­te ich ihm mei­ne Beo­b­ach­tung mit.

      »Sie ha­ben sich nicht ge­täuscht«, sag­te er, »das arme We­sen, wel­ches dort drü­ben ein­ge­schlos­sen ist, darf nicht se­hen, was auf der Stras­se vor sich geht. Es ist eine Irr­sin­ni­ge, oder bes­ser ge­sagt eine Idio­tin, oder um es ganz rich­tig zu be­zeich­nen, eine Ein­fäl­ti­ge, was Ihr an­de­ren, Ihr Nor­man­nen, eine ›Null‹ nen­nen wür­det. Ja, se­hen Sie ’mal; das ist eine trau­ri­ge Ge­schich­te und zu­gleich ein merk­wür­di­ger pa­tho­lo­gi­scher Fall. Soll ich Ih­nen er­zäh­len?«

      Selbst­re­dend be­jah­te ich.

      »Nun gut!« fuhr er fort. »Es ist jetzt zwan­zig Jah­re her, dass die Ei­gen­tü­mer die­ses Hau­ses, mei­ne Kund­schaft üb­ri­gens, ein Kind hat­ten, ein Mäd­chen wie je­des an­de­re Mäd­chen auch.

      Aber ich be­merk­te bald, dass, wäh­rend der Kör­per die­ses klei­nen We­sens sich wun­der­bar ent­wi­ckel­te, sein Ver­stand völ­lig zu­rück­b­lieb.

      Es lern­te sehr früh­zei­tig ge­hen, sprach aber kein Wort. Ich schob dies an­fangs nur auf ein­fa­che Dumm­heit; dann stell­te ich fest, dass es sehr gut hör­te, aber nichts ver­stand. Bei hef­ti­gem Geräusch fing es an zu zit­tern, ohne sich über die Ur­sa­chen des­sel­ben klar zu wer­den.

      Es wuchs her­an, war hübsch aber stumm; stumm aus Ver­stan­des­man­gel. Ich ver­such­te mit al­len er­denk­li­chen Mit­teln in sei­nem Kop­fe auch nur den Schim­mer ei­nes Ge­dan­kens zu er­we­cken, aber es half al­les nichts. Ich glaub­te zu be­mer­ken, dass es sei­ne Er­näh­re­rin er­ken­ne, aber so­bald es ent­wöhnt war, kann­te es die Mut­ter nicht mehr. Nie­mals konn­te es die­ses Wort aus­spre­chen, wel­ches die Kin­der als ers­tes stam­meln und die auf dem Schlacht­feld ster­ben­den Sol­da­ten als letz­tes mur­meln, das Wort ›Mut­ter‹. Es ver­such­te ei­ni­ge Male et­was zu stot­tern, ei­ni­ge lee­re Ver­su­che, und dann war es nichts mehr.

      War das Wet­ter schön, so lach­te sie die gan­ze Zeit und stiess da­bei leich­te Schreie aus, dem Zwit­schern der Vö­gel ver­gleich­bar; reg­ne­te es, so wein­te und seufz­te sie in ei­ner ganz trau­ri­gen herz­zer­bre­chen­den Wei­se, ähn­lich wie Hun­de kla­gen, die an ei­ner Lei­che heu­len.

      Sie wälz­te sich gern im Gra­se nach Art der jun­gen Tie­re und lief wie toll um­her; je­den Mor­gen, wenn die Son­ne in ihr Zim­mer schi­en, klatsch­te sie vor Ver­gnü­gen mit den Hän­den. Das­sel­be tat sie auch, wenn man das Fens­ter öff­ne­te, da­mit man sie nur schnell an­zie­hen möch­te.

      Im Üb­ri­gen schi­en sie kei­nen Un­ter­schied zwi­schen den Leu­ten zu ma­chen, we­der zwi­schen ih­rer Mut­ter noch ih­rer Wär­te­rin, zwi­schen ih­rem Va­ter oder mir, zwi­schen dem Kut­scher und der Kö­chin.

      Da ich ihre un­glück­li­chen El­tern sehr gern hat­te, so kam ich fast je­den Tag zu ih­nen, und speis­te auch oft bei СКАЧАТЬ