Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Kaum hatte ich diese Möglichkeit erwogen, als der Wunsch, Bertha verheiratet zu sehen, in mir immer reger wurde, wenn auch, offen gestanden, nicht so sehr aus Freundschaft für sie und ihre armen Eltern, als aus wissenschaftlichem Interesse. Wie würde es ausfallen? Das war ’mal wirklich ein merkwürdiges Problem!
»Vielleicht haben Sie Recht …« antwortete ich demgemäss dem Vater, »man könnte den Versuch machen … Versuchen Sie es … aber … aber … Sie werden niemals einen Mann finden, der sich darauf einlässt.«
»Ich habe schon einen«, sagte er halblaut.
Aufs Neue betroffen stammelte ich:
»Einen geeigneten?… Einen aus … Ihren Kreisen?«
»Ja«, antwortete er, »vollkommen.«
»Ach! Und … darf ich seinen Namen wissen?«
»Ich wollte ihn gerade Ihnen nennen und Sie um Ihre Ansicht über ihn bitten. Er heisst Gaston du Boys de Lucelles!«
»Der Elende!« hätte ich beinahe ausgerufen, aber ich bezwang mich noch rechtzeitig, und nach kurzem Schweigen sagte ich:
»Ja … sehr gut. Ich sehe kein Hindernis.«
Der arme Mann drückte mir die Hand:
»Die Hochzeit wird nächsten Monat sein« sagte er.
*
Gaston du Boys de Lucelles war ein Taugenichts aus guter Familie, der, nachdem er sein väterliches Erbteil verzehrt und sich eine hübsche Anzahl zum Teil sehr bedenklicher Schulden aufgeladen hatte, nach irgend einer Gelegenheit suchte, um sich aufs Neue Geld zu beschaffen.
Jetzt hatte er sie gefunden.
Er war im Übrigen ein hübscher ansehnlicher Bursch, aber ein Wüstling, von jener Sorte Lebemänner aus der Provinz, die mir so verhasst sind. Ich glaubte indessen, dass er ein für unsere Zwecke ganz passender Ehemann sein würde, dessen man sich nötigenfalls später mit Hilfe einer entsprechenden Pension wieder entledigen könnte.
Er kam jetzt täglich ins Haus, um sich liebenswürdig zu machen und dem hübschen geistesschwachen Mädchen, das ihm übrigens wirklich zu gefallen schien, die Kour auf seine Weise zu schneiden. Er brachte ihr Blumen, küsste ihr die Hand, setzte sich zu ihren Füssen und sah sie mit zärtlichen Augen an; aber sie nahm von seinen Aufmerksamkeiten so gut wie gar keine Notiz und machte in keiner Weise einen Unterschied zwischen ihm und den übrigen Personen ihrer Umgebung.
Die Hochzeit fand statt.
Sie werden begreifen, bis zu welchem Grade meine Neugierde angestachelt war.
Ich besuchte Bertha am anderen Morgen, um auf ihrem Gesichte zu lesen, ob sie in irgend einer Weise erschüttert zu sein schiene. Aber ich fand sie ganz so wie alle Tage, lediglich mit der Uhr und dem Essen beschäftigt. Er schien dagegen sehr verliebt und suchte die Heiterkeit und Zärtlichkeit seiner Frau durch allerlei Scherze und Tändeleien zu erwecken, so wie man es etwa mit kleinen Katzen macht.
Er hatte eben nichts besseres zu finden gewusst.
Von jetzt an machte ich bei den jungen Ehegatten häufig meine Visiten und überzeugte mich bald, dass die junge Frau ihren Mann sehr gut als solchen erkannte und ihm dieselben begehrlichen Blicke zuwarf wie vorher den süssen Schüsseln.
Sie folgte allen seinen Bewegungen, unterschied seinen Schritt auf der Treppe oder in den benachbarten Zimmern, klatschte in die Hände, wenn er eintrat, und ihr ganzes Gesicht übergoss ein Schimmer von Glück und Begehrlichkeit.
Sie liebte ihn von ganzem Herzen und mit ihrer ganzen armen kindlichen Seele, mit diesem armen Gemüte, das die Erkenntlichkeit und Anhänglichkeit eines treuen Tieres empfand.
Es war in der Tat ein wunderbares und rührend harmloses Bild: Diese einfache Zuneigung, noch ganz so sinnlich und doch dabei schamhaft, wie die Natur sie allen Wesen eingepflanzt hatte, ehe der Mensch anfing, ihren Begriff durch alle möglichen Gefühlsduseleien zu verwirren und ausarten zu lassen.
Er aber wurde dieses schönen Geschöpfes, das so hingebend, aber leider stumm war, sehr bald müde. Er blieb nur einige Stunden des Tages bei ihr und fand es völlig genügend, wenn er ihr seine Nächte widmete.
Sie begann hierunter zu leiden.
Sie wartete auf ihn von früh bis spät, die Augen auf die Uhr geheftet, und ohne noch ans Essen zu denken; er aber ass fast immer auswärts, in Clermont, in Chatel-Guyon, in Rojat, kurz irgendwo, und vermied es, nach Hause zu kommen.
Sie wurde immer magerer.
Jeder andere Gedanke, jedes Verlangen, jede Erwartung, jede auch noch so unbestimmte Hoffnung verschwand aus ihrem Herzen, und die Stunden, in denen sie ihn nicht sah, wurden für sie Stunden des bittersten Schmerzes. Bald fing er auch an, die Nächte auswärts zuzubringen. Er trieb sich mit Weibern im Kasino von Royat herum und kehrte erst bei Tagesgrauen heim.
Sie weigerte sich zu Bett zu gehen, ehe er wiederkam. Unbeweglich sass sie in ihrem Stuhle, stets die Augen auf die kleinen Zeiger der Uhr geheftet und deren langsamen Gang auf dem Zifferblatt von Stunde zu Stunde verfolgend.
Wenn sie dann von Weitem den Schritt seines Pferdes hörte, so sprang sie auf und wies bei seinem Eintritt mit der Miene einer Erscheinung auf den Zeiger, als wollte sie sagen: ›Sieh nur, wie spät es ist.‹ Und er fing an, einen Widerwillen gegen diese liebesbedürftige und eifersüchtige Idiotin zu empfinden; er geriet in eine tierische Wut, und eines Nachts schlug er sie.
Man ließ mich holen. Sie quälte sich unter wildem Heulen in einer furchtbaren Krisis des Schmerzes, des Zornes, der Leidenschaft und aller möglichen Gefühle. Wer konnte wissen, was in diesem verkümmerten СКАЧАТЬ