Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 159

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

isbn:

СКАЧАТЬ kön­nen? War sie die ein­zi­ge? Gibt es de­ren meh­re­re? Etwa eine gan­ze Zunft? Treibt man es jetzt auf den Kirch­hö­fen wie auf der Gas­se? Ach! so­gar die Grä­ber! Oder war sie viel­mehr doch die Ein­zi­ge ge­we­sen, die die­se wun­der­ba­re Idee aus­ge­heckt hat­te und mit schlau­em Ver­ständ­nis den Schmerz über ver­lo­re­nes Lie­bes­glück aus­beu­te­te, der hier an die­ser Stät­te un­will­kür­lich neu er­wacht?

      Ei­nes hät­te ich al­ler­dings noch gern er­fah­ren mö­gen, näm­lich: »Wes­sen Wit­we sie wohl an je­nem Abend ge­spielt hat.«

      *

      Im letz­ten Som­mer hat­te ich ein klei­nes Land­haus am Ufer der Sei­ne, ei­ni­ge Mei­len von Pa­ris, ge­mie­tet und fuhr je­den Abend hin­aus, um die Nacht dort zu ver­brin­gen. Nach ei­ni­gen Ta­gen lern­te ich mei­nen Nach­bar, einen Mann von dreis­sig bis vier­zig Jah­ren ken­nen, den ko­mischs­ten Kauz, den ich je ge­se­hen habe. Es war ein al­ter Schiffs­mann, aber ein lei­den­schaft­li­cher, wie man nur einen fin­den kann, stets beim Was­ser, auf dem Was­ser und im Was­ser. Er hät­te ei­gent­lich in ei­nem Boot zur Welt kom­men sol­len; und dass er noch ein­mal in ei­nem Boo­te sein Le­ben be­schlies­sen wür­de, stand bei mir fest.

      Ei­nes Abends, als wir am Sei­ne-Ufer spa­zie­ren gin­gen, bat ich ihn, mir ei­ni­ge Ge­schich­ten aus sei­nem Schif­fer­le­ben zu er­zäh­len. Da war der gute Mann mit ei­nem Male le­ben­dig und wie um­ge­wan­delt; er wur­de red­se­lig und bei­na­he poe­tisch an­ge­haucht. Für ihn gab es eben nur eine große, bren­nen­de un­wi­der­steh­li­che Lei­den­schaft: den Fluss.

      »Ach« sag­te er, »wie vie­le Erin­ne­run­gen knüp­fen sich für mich an die­sen Fluss, den Sie da zu un­sern Füs­sen rol­len se­hen. Sie an­de­ren, Stras­sen­be­woh­ner, wis­sen gar nicht, was das zu be­deu­ten hat, ein Fluss. Aber hö­ren Sie nur mal einen Fi­scher die­ses Wort aus­spre­chen! Für ihn ist der Fluss et­was Ge­heim­nis­vol­les, Tie­fes, Un­be­kann­tes, das Ge­biet der Wun­der und Ge­s­pens­ter, wo man bei Nacht Din­ge sieht, die es gar nicht gibt, und Töne hört, die nie­mand kennt, wo man zit­tert, ohne zu wis­sen, warum, als wenn man auf ei­nem Kirch­hof wäre. Und in der Tat! ist dies nicht der trau­rigs­te al­ler Kirch­hö­fe, auf dem man nicht ein­mal einen Grab­stein hat.

      Das Land ist dem Fi­scher zu eng; aber der Fluss ist ihm selbst in fins­te­rer Nacht, wenn kein Mond­licht leuch­tet, ein un­be­grenz­tes Ge­biet. Der See­mann hat nicht die glei­che Emp­fin­dung auf der See. Die­se ist oft wild und un­ge­ber­dig, al­ler­dings; aber sie seufzt, sie stöhnt und tobt vor­her, sie be­nimmt sich also ehr­lich. Der Fluss hin­ge­gen ist stumm und hin­ter­lis­tig. Er grollt nicht, er fliesst ge­räusch­los Tag für Tag da­hin, und ge­ra­de die­se ewig gleich­mäs­si­ge Be­we­gung des da­hin­flies­sen­den Was­sers ist für mich viel er­grei­fen­der, als die turm­ho­hen Wo­gen des Ozeans.

      Schwär­mer be­haup­ten, dass sich auf dem tiefs­ten Grun­de des Mee­res un­er­mess­lich große bläu­li­che Fel­sen be­fän­den, auf de­nen die Er­trun­ke­nen mit­ten zwi­schen den großen Fi­schen durch das Ge­zwei­ge selt­sa­mer Wäl­der in kris­tal­le­ne Grot­ten ge­wälzt wür­den. Der Fluss hat nur schwar­ze Un­tie­fen, auf de­ren Grun­de man ver­fault. Aber er ist doch schön, wenn er von der auf­ge­hen­den Son­ne be­strahlt wird und lei­se mur­melnd mit sei­nen Wel­len am schilf­be­deck­ten Ufer plät­schert.

      Der Dich­ter singt vom Ozean:

       O Wo­gen, die Ihr schau­er­vol­le Din­ge wisst,

       Ob de­ren Graus so man­cher Mut­ter Trä­ne fliesst,

       Auf Eu­rem Weg von hier durchs wei­te große Meer

       Er­zählt Ihr’s Euch, und kommt Ihr abends wie­der her,

       Be­weint Ihr selbst mit tie­fem jam­mer­vol­len Ton

       Der Mut­ter Schmerz, der Ihr ent­risst den letz­ten Sohn.

      Nun gut; ich bin über­zeugt, dass die Ge­schich­ten, wel­che die schlan­ken Schilf­roh­re mit ih­ren zar­ten, lei­sen Stimm­chen er­zäh­len, oft noch viel grau­si­ger klin­gen, als die selt­sa­men Schau­er­mär­chen, die aus dem Ge­brüll der Wo­gen wi­der­hal­len.

      Aber da Sie mich ge­ra­de nach Erin­ne­run­gen fra­gen, so will ich Ih­nen ein selt­sa­mes Aben­teu­er er­zäh­len, wel­ches mir hier vor un­ge­fähr zehn Jah­ren pas­siert ist.

      Ich wohn­te da­mals, wie heu­te noch, im Hau­se der Mut­ter La­fon, und ei­ner mei­ner bes­ten Ka­me­ra­den, Lud­wig Ber­net, der jetzt auf sei­ne Käh­ne, sein Schiffs­zeug und sei­ne Frei­heit ver­zich­tet hat, um Mit­glied des Staats­ra­tes zu wer­den, hat­te sich da­mals im Dor­fe C…, zwei Mei­len wei­ter ab­wärts, nie­der­ge­las­sen. Wir as­sen je­den Tag zu­sam­men, bald bei mir, bald bei ihm.

      Ei­nes Abends, als ich ganz al­lein und ziem­lich müde zu­rück­kam und mein großes Boot, einen wah­ren Ozean von zwölf Fuss Län­ge, des­sen ich mich nachts ge­wöhn­lich be­dien­te, nur müh­sam fort­brach­te, mach­te ich einen Au­gen­blick in der Nähe der schilf­be­wach­se­nen Ecke da un­ten, un­ge­fähr hun­dert Me­ter vor der Ei­sen­bahn­brücke, Halt, um et­was Atem zu schöp­fen. Es war herr­li­ches Wet­ter, der Mond leuch­te­te mit sei­nem sanf­ten ru­hi­gen Licht, der Fluss glänz­te weit­hin und die Luft war lind und ru­hig. Die­se Ruhe steck­te mich an; ich dach­te mir, es müs­se sich an die­sem stil­len Plätz­chen herr­lich ein Pfeif­chen rau­chen las­sen. Ge­sagt, ge­tan! ich er­griff mei­nen An­ker und warf ihn aus.

      Die Ket­te spiel­te sich, da das Boot mit dem Stro­me fuhr, bis zum letz­ten Glie­de ab; dann hing ich fest. Ich mach­te es mir im Hin­ter­teil des Boo­tes auf mei­nem Schaf­fell so be­quem wie mög­lich. Man hör­te Nichts, rein gar Nichts; nur hin und wie­der glaub­te ich, ein lei­ses, fast un­hör­ba­res Plät­schern des Was­sers am Ufer zu ver­neh­men und ich sah, dass ei­ni­ge hö­her em­por­ra­gen­de Schilf­hal­me ein ei­gen­tüm­li­ches Aus­se­hen an­nah­men und sich zeit­wei­lig et­was be­weg­ten.

      Der Fluss war voll­kom­men ru­hig, aber ich fühl­te mich selt­sam von die­sem Schwei­gen be­wegt, wel­ches mich um­gab. Alle Tie­re schwie­gen; selbst die Frösche und Un­ken, die nächt­li­chen Sän­ger der Sümp­fe. Plötz­lich quak­te rechts vor mir ein Frosch; dann schwieg er wie­der und ich hör­te wei­ter Nichts mehr. Um mich zu zer­streu­en, setz­te ich mei­ne Pfei­fe aufs Neue in Brand, aber, ob­schon ich ein lei­den­schaft­li­cher Rau­cher war, so konn­te ich doch nicht auf den rich­ti­gen Ge­schmack kom­men. Nach ei­ni­gen Zü­gen krampf­te sich mein In­ne­res zu­sam­men und ich hör­te auf. Ich stimm­te ein Lied­chen an, aber der Klang mei­ner Stim­me miss­fiel mir. Dann leg­te ich mich auf den Bo­den hin und starr­te zum Him­mel hin­auf. Eine Zeit lang lag ich so ru­hig da, bis eine leich­te Be­we­gung des Kah­nes mich aufs Neue be­un­ru­hig­te. Es war mir, als be­schrie­be er große Bo­gen und sties­se wäh­rend des­sen an bei­den Ufern an; dann glaub­te ich, dass ein un­sicht­ba­res We­sen oder ir­gend eine ver­bor­ge­ne Ge­walt ihn sanft auf den Grund des Was­sers zöge und ihn gleich dar­auf em­por­schnel­le, um ihn zu­rück­fal­len zu las­sen. Ich fühl­te mich um­her­ge­schleu­dert wie СКАЧАТЬ