Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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»Sie werden uns begleiten«, sagte ich.
Der Marsch ging weiter; der alte Mann, der die Gegend kannte, machte jetzt den Führer.
Der Schneefall hörte auf, die Sterne glänzten am Himmel und der Frost wurde jetzt fürchterlich.
Die junge Dame marschierte am Arme ihres Vaters mit müdem hinfälligen Schritt. »Ich fühle meine Füsse nicht mehr«, sagte sie öfters. Ich selbst litt noch mehr, wenn ich sah, wie das zarte junge Wesen sich so schrecklich durch den tiefen Schnee quälen musste.
Plötzlich stand sie still.
»Ich bin so matt, Vater, dass ich nicht mehr weitergehen kann«, sagte sie.
Der Vater wollte sie tragen, aber er konnte sie nicht einmal aufheben, und mit einem tiefen Seufzer setzte sie sich im Schnee nieder.
Alles stand um die beiden herum. Ich stampfte vor Ungeduld mit den Füssen, denn ich wusste nicht was ich machen sollte; unmöglich konnte ich die Unglücklichen hier im Schnee ihrem Schicksal überlassen.
Plötzlich rief einer meiner Soldaten, ein Pariser, der den Spitznamen »Pfiffikus« hatte:
»Vorwärts, Kameraden, wir müssen das Fräulein tragen, oder wir sind, beim Teufel! keine Franzosen.«
Ich weinte beinahe, meiner Treu! vor Rührung bei diesen Worten.
»Alle Wetter! das ist brav, meine Kinder; ich werde selbst mit tragen helfen.«
»Im Dämmerlicht konnte man links von uns die Bäume eines kleinen Gehölzes erkennen. Einige meiner Leute sprangen hin und kamen bald mit einer Tragbahre aus Ästen und Zweigen zurück.
›Wer leiht seinen Mantel her?‹ rief Pfiffikus. ›Brüder, es gilt für eine junge Dame.‹
Im Nu lagen zehn Mäntel zu Füssen des Sprechers. Sofort wurde die junge Dame in diesen warmen Kleidungsstücken gebettet und von sechs Schultern getragen. Ich selbst ging rechts an der Spitze und freute mich, meiner Seel’! der süssen Last.
Jetzt ging es viel munterer und lebhafter weiter, als hätten wir einen Schluck Wein genossen; man hörte sogar einzelne Scherzworte. Sehen Sie, eine Frau genügt, um einen Franzosen zu elektrisieren.
Sogar die Marschkolonne wurde wieder rangiert; es war als ob meine Leute erwärmt und neubelebt wären. Ein alter Franctireur, welcher der Bahre folgte, um den ersten, der ermatten würde, zu ersetzen, sagte laut genug, dass ich es hören konnte, zu seinem Nebenmann:
›Ich bin nicht mehr jung, meiner Treu! aber ein Weib, mein Bursch, das macht einem doch noch das Herz im Leibe hüpfen.‹
Bis 3 Uhr morgens marschierten wir fast ohne Aufenthalt weiter. Dann duckten sich unsere Eclaireurs abermals plötzlich nieder und gleich darauf kauerte das ganze Detachement im Schnee; es hob sich von demselben kaum noch wie ein unbestimmter Schatten ab.
Ich gab mit leiser Stimme meine Befehle und hörte hinter mir das gleichförmige metallische Klappern der Verschlüsse infolge des Ladens.
Da unten in der Ebene zeigte sich eine auffallende Bewegung; man hätte glauben sollen, ein ungeheures Tier käme daher, welches bald sich schlangenartig verlängerte, bald wieder sich zu einer Kugel zusammenballte und unter den wunderbarsten Sprüngen nach rechts und links bald stehen blieb und bald wieder weiterlief.
Plötzlich kam diese wandelnde Masse auf uns zu und ich erkannte jetzt, dass es ein Dutzend versprengte Ulanen waren, die in flottem Trabe, in der Kolonne zu einem, die Strasse zu gewinnen suchten.
Sie waren bald so nahe, dass ich deutlich das Schnauben der Pferde, das Rasseln der Säbel und sogar das Knarren der Sättel unterscheiden konnte.
›Feuer!‹ rief ich.
Fünfzig Schüsse knallten durch die stille Nacht, denen noch weitere vier oder fünf und dann schliesslich noch ein einzelner Schuss folgte. Als der Pulverdampf sich verzogen hatte, sah man, dass die zwölf Ulanen und neun ihrer Pferde gefallen waren. Drei Tiere rannten in voller Karrière davon, und das eine von ihnen schleppte den Leichnam seines Reiters im Steigbügel hinter sich her.
Ein Soldat hinter mir stiess ein hässliches Gelächter aus, während ein anderer sagte: ›Da gibt es Witwen‹. Er mochte wohl selbst verheiratet sein. Ein Dritter rief; ›Das ging schnell‹.
Sie hob den Kopf aus den schützenden Mänteln ›Was gibt’s‹ fragte sie, ›ein Gefecht?‹
›Es ist nichts, mein Fräulein!‹ antwortete ich, ›wir haben ein Dutzend Preussen weggeblasen‹.
›Die armen Leute‹ murmelte sie und schlüpfte fröstelnd wieder unter ihre warme Umhüllung.
Wir marschierten langsam und vorsichtig weiter. Endlich graute der Tag; der Schnee wurde heller, er fing an zu glitzern und zu leuchten. Im Westen zeigte sich ein rosiger Schimmer.
Qui vive?‹ rief eine Stimme von Weitem. Das ganze Detachement machte Halt und ich ging vor, um uns zu erkennen zu geben.
Wir hatten die französische Postenkette erreicht. Als meine Leute vor dem Posten vorbeikamen, fragte mich ein höherer Offizier zu Pferde, dem ich meine Meldung machte, mit einer Handbewegung auf die Bahre deutend:
›Was haben Sie denn da?‹
Sofort kam aus den Mänteln ein rosiger Blondkopf hervor und antwortete lachend:
›Meine Wenigkeit, mein Herr!‹
Unter den Mannschaften erhob sich ein allgemeines Gelächter und man sah ihren Gesichtern die freudige Stimmung an, die sie beherrschte.
Pfiffikus, der neben der Bahre ging, lüftete sein Käppi und rief: ›Vive la France!‹
Ich für meine Person СКАЧАТЬ