Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ nicht ge­ra­de zu be­wuss­ten oder über­leg­ten Ent­sch­lies­sun­gen, so doch we­nigs­tens zu in­stink­ti­ven Un­ter­schei­dun­gen brin­gen, bei de­nen sich dann doch im­mer­hin eine Art ma­te­ri­el­ler Ge­dan­ken­ar­beit voll­zog.

      Wenn man so ihre Nei­gun­gen reiz­te, so konn­te man viel­leicht, na­ment­lich bei sorg­fäl­ti­ger Berück­sich­ti­gung der­je­ni­gen, die am aus­ge­spro­chens­ten auf­tra­ten, eine um­ge­kehr­te Wir­kung des Kör­pers auf den Ver­stand er­zie­len und all­mäh­lich ihr Ge­hirn aus sei­ner bis­he­ri­gen Un­tä­tig­keit auf­we­cken.

      Ich stell­te also ei­nes Ta­ges zwei Schüs­seln, die eine mit Sup­pe und die an­de­re mit sehr süs­sem Va­nil­le-Crê­me vor ihr hin, und ließ sie ab­wech­selnd von bei­den kos­ten Dann über­liess ich ihr die Wahl und sie ass den Crê­me auf.

      In kur­z­er Zeit war sie sehr wäh­le­risch ge­wor­den, so­dass sie ei­gent­lich nur noch den Ge­dan­ken ans Es­sen oder bes­ser ge­sagt, das Ver­lan­gen da­nach im Kop­fe hat­te. Sie er­kann­te die Schüs­seln ganz ge­nau, streck­te die Hän­de nach de­nen aus, die sie wünsch­te, und ver­zehr­te al­les mit Gier. Sie wein­te, wenn man es ihr fort­nahm.

      Nun ver­such­te ich sie auf den Klang der Tisch­glo­cke ein­zuü­ben; es dau­er­te lan­ge, ge­lang aber auch. Es bil­de­te sich zwei­fel­los bei ihr ein un­be­wus­s­ter Zu­sam­men­hang zwi­schen dem Glo­cken­zei­chen und ih­rem Ap­pe­tit, also eine Art Be­zie­hung zwi­schen zwei Sin­nen, eine Wir­kung des einen auf den and­ren und fol­ge­rich­tig ein Ide­en-Zu­sam­men­hang -- wenn man die­se Art von in­stink­ti­vem Zu­sam­men­wir­ken zwei­er or­ga­ni­scher Funk­tio­nen als Idee be­zeich­nen kann.

      Mei­ne Hoff­nung wuchs, und ich dehn­te mei­ne Ver­su­che nun dar­auf aus, ihr die Stun­de der Mahl­zeit auf dem Zif­fer­blatt der Wand­uhr -- und mit wel­cher Mühe! -- be­greif­lich zu ma­chen.

      Lan­ge Zeit hat­te sie für die Be­we­gung der Zei­ger ab­so­lut kein Ver­ständ­nis; aber es ge­lang mir, ihr den Stun­den­schlag ein­zu­prä­gen. Die Sa­che war sehr ein­fach. Ich ließ das Läu­ten der Tisch­glo­cke ein­stel­len, da­ge­gen stan­den wir alle auf, um zu Tisch zu ge­hen, so­bald als der klei­ne Ham­mer des Uhr­werks zum An­schla­gen der Mit­tags­stun­de aus­hob.

      So streng­te ich mich z. B. ver­geb­lich an, ihr das Zäh­len der Schlä­ge bei­zu­brin­gen. Sie stürz­te je­des Mal auf die Türe zu, so­bald sie über­haupt die Uhr schla­gen hör­te, aber all­mäh­lich wur­de es ihr doch klar, dass alle Schlä­ge der Uhr doch, nicht die Es­sens­stun­de an­zeig­ten, und so fing sie an, das Auge, vom Ge­hör un­ter­stützt, mehr wie sonst auf das Zif­fer­blatt zu len­ken.

      Als ich dies be­merk­te, trug ich Sor­ge, je­den Tag zur Mit­tags­stun­de und um 6 Uhr mei­nen Fin­ger auf die Zahl 12 und 6 zu rich­ten, so­bald der so sehn­lich von ihr er­war­te­te Au­gen­blick ein­ge­tre­ten war. Ich konn­te bald be­ob­ach­ten, dass sie an­fing, auf­merk­sam den Be­we­gun­gen der klei­nen bron­ze­nen Zei­ger zu fol­gen, die ich in ih­rer Ge­gen­wart so oft hat­te um das Zif­fer­blatt lau­fen las­sen.

      Sie hat­te es also be­grif­fen; ich möch­te viel­mehr sa­gen, sie hat­te es sich ge­merkt. Es war mir ge­lun­gen, das Be­wusst­sein oder noch bes­ser die Emp­fin­dung der Stun­de in ihr zu er­we­cken, wie man dies, al­ler­dings ohne Hil­fe ei­ner Uhr, bei den Kar­pfen er­reicht, in­dem man ih­nen je­den Tag ge­nau zu der­sel­ben Zeit Fut­ter wirft.

      Nach­dem wir nun ein­mal so­weit wa­ren, er­reg­te jede Art von Zeit­mes­ser, die im Hau­se nur exis­tier­te, ihre Auf­merk­sam­keit in ganz be­son­de­rer Wei­se. Sie ver­brach­te ihre Zeit da­mit, sie zu be­trach­ten, sie zu hö­ren und auf die Glo­cken­schlä­ge zu war­ten.

      Ein­mal pas­sier­te so­gar et­was sehr Ko­mi­sches. Das Schlag­werk ei­ner klei­nen ein­ge­leg­ten Uhr aus der Zeit Lud­wigs XVI., wel­che man am Kop­fen­de ih­res Bet­tes auf­ge­hängt hat­te, war in Un­ord­nung ge­ra­ten. Sie be­merk­te es wohl und war­te­te seit zwan­zig Mi­nu­ten, das Auge un­ver­wandt auf die Zei­ger ge­hef­tet, dass die Uhr zehn schla­gen soll­te. Aber als der Zei­ger die Zahl über­schrit­ten hat­te, war sie ganz ver­wun­dert, nichts zu hö­ren; der­art ver­wun­dert, dass sie sich hin­setz­te, ohne Zwei­fel von ei­ner ähn­li­chen Ge­müts­be­we­gung er­grif­fen, wie wir sie beim An­blick ir­gend ei­nes großen Er­eig­nis­ses ha­ben. Sie hat­te die auf­fal­len­de Ge­duld, vor dem klei­nen Ding bis elf Uhr zu war­ten, um zu se­hen, was sich dann er­eig­nen wür­de. Sie hör­te na­tür­lich wie­der nichts; da er­griff sie, ent­we­der im hef­ti­gen Zorn dar­über, ent­täuscht und be­tro­gen zu sein, oder im ers­ten Dran­ge der Be­stür­zung über ein furcht­ba­res Ge­heim­nis, oder schliess­lich von ra­sen­der Un­ge­duld dar­über ver­zehrt, dass ihr ein Hin­der­nis ent­ge­gen­trat, die Ofenzan­ge, und schlug mit sol­cher Ge­walt auf die Uhr los, dass sie im nächs­ten Au­gen­blick in Trüm­mer ging.

      Ihr Ge­hirn funk­tio­nier­te also, es über­leg­te; wenn auch, wie ich zu­ge­ben muss, nur in sehr un­kla­rer Wei­se und in sehr be­schränk­tem Mas­se. Denn ich konn­te sie nicht dazu brin­gen, die Per­so­nen eben­so wie die Stun­den zu un­ter­schei­den. Man muss­te, um eine Re­gung ih­res geis­ti­gen Be­wusst­seins zu er­zie­len, an ihre Lei­den­schaf­ten im wah­ren Sin­ne des Wor­tes ap­pel­lie­ren.

      Hier­für er­hiel­ten wir bald einen and­ren, lei­der sehr schreck­li­chen Be­weis.

      Sie war äus­ser­lich wun­der­schön ge­wor­den, in der Tat eine ty­pi­sche Er­schei­nung, eine Art be­wun­derns­wer­te aber geist­lo­se Ve­nus.

      Sie war jetzt sech­zehn Jah­re alt, und sel­ten habe ich in dem Al­ter eine ähn­li­che Fül­le der For­men, eine ähn­li­che Fein­heit und Vollen­dung der Züge ge­se­hen. Ich nann­te sie eine Ve­nus, und sie war es in der Tat: Blond, zart­ge­run­det, eben­mäs­sig, mit großen, hel­len, träu­me­ri­schen Au­gen, de­ren Bläue der Hanf­blü­te glich; der Mund ge­schwun­gen, mit vol­len run­den Lip­pen, ein lieb­li­cher, sinn­li­cher Mund, ein Mund zum Küs­sen.

      Da trat ei­nes Ta­ges ihr Va­ter bei mir ein; er mach­te ein erns­tes Ge­sicht und setz­te sich, ohne mei­nen Gruss zu er­wi­dern.

      »Ich muss et­was ganz Wich­ti­ges mit Ih­nen be­spre­chen«, sag­te er. »Wür­de es mög­lich sein … kann man … Ber­t­ha ver­hei­ra­ten?«

      Ich war starr vor Er­stau­nen und rief:

      »Ber­t­ha ver­hei­ra­ten? … aber das ist ja un­mög­lich!«

      »Ich weiß«, sag­te er … »ja … aber den­ken Sie … Dok­tor … es könn­te … viel­leicht … wir ha­ben ge­dacht … wenn sie Kin­der hät­te … das wäre für sie eine große Ge­müts­be­we­gung, ein Glück und … wer weiß, ob die Mut­ter­freu­den ih­ren Geist nicht er­we­cken wür­den? …«

      Ich war ganz СКАЧАТЬ